
Jubiläum der Extraklasse: „Willemijn Verkaik in Concert“ in Hamburg
Man nehme: Eine ordentliche Ladung Frauenpower, gepaart mit geballter Bühnenpräsenz, einem Ausdruck auf höchstem Niveau, einem Stimmvermögen, das seinesgleichen sucht und zu guter Letzt die richtige Prise Humor, Authentizität und Sympathie: Willemijn Verkaik ist eine von Europas berühmtesten Musicaldarstellerinnen und gehört – neben Pia Douwes – in der Musicalwelt zu den erfolgreichsten Exportschlagern aus den Niederlanden. Wenn das kein Grund ist, die Gläser zu erheben! Somit feiert Willemijn Verkaik gleich mehrmals in diesem Jahr mit Konzerten ihr 25-jähriges Bühnenjubiläum – und, an diesem Abend in Hamburg, zugleich ihren 50. Geburtstag.
Mit „All coming back to me now“ von Celine Dion eröffnet Verkaik, begleitet von ihrer siebenköpfigen, schmissigen, hervorragend abgestimmten Band (Musikalische Leitung: Hannes Schauz), ausdrucksstark den Abend. Ohne Zweifel zeigt sie hier in den ersten Minuten, wo in puncto Stimmgewalt und Bühnenpräsenz der Hammer hängt. Ein buntes Potpourri ziert die Setlist – und führt das Publikum durch die vielfältige, prall gefüllte Vita der niederländischen Ausnahmekünstlerin. Im Hintergrund auf der liebevoll arrangierten Bühne findet sich ein großer Screen, auf dem Fotos aus Verkaiks Laufbahn sowie Voice-Messages ihres scheinbar jüngeren Ichs abgespielt werden. Die Sprachaufnahmen verdeutlichen einmal mehr, wie sie selbst ihren eigenen Weg erlebt hat – und oftmals nicht wahrhaben konnte, welche Türen sich für sie auftaten. „Ich kann es manchmal selbst gar nicht glauben, dass ich das alles gemacht habe“, schmunzelt sie bescheiden. Doch bevor das Publikum tiefer in ihre abwechslungsreiche Karriere eintauchen kann, gibt es noch eine Sache zu klären: Was wäre eine Geburtstagsfeier mit knapp 2.000 Gästen ohne ordentliches Geburtstagsständchen? Fans lassen es sich nicht nehmen, dies bereits zu Beginn anzustimmen und als David Michael Johnson, bekannt als DMJ, überraschend zum Gratulieren die Bühne betritt, beginnt der ganze Saal „Happy Birthday“ zu singen. Glückwünsche auf diese Art und Weise hat man sicherlich nicht jeden Tag – auch nicht als erfolgreicher Musicalstar.

Nachdem sie am Conservatorium in Rotterdam Pop- und Jazzgesang studiert hatte und in Bands mitwirkte, entschied sich Willemijn Verkaik in den 2000er-Jahren für das Musicalgenre. Ihr Weg führte sie unter anderem von Ensembleparts, Nebenrollen und Coverbesetzungen in „Elisabeth“, „3 Musketiere“ und „We Will Rock You“ zu ihrer ersten großen Hauptrolle – ohne zu ahnen, dass diese Hauptrolle einst ihren Weg zeichnen und prägen würde, wie kaum eine andere. Elphaba in „Wicked“ wurde zu ihrem zweiten Ich. Die grüne Hexe verschmolz praktisch mit ihr, begleitete sie viele Jahre – von Stuttgart über Oberhausen und Scheveningen bis an den Broadway und ans West End – und machte sie letztendlich weltberühmt. Gemeinsam mit Special Guest Judith Caspari interpretiert sie am Konzertabend ein traumhaft Schönes „Wie ich bin“ und berührt damit nicht nur die Herzen der „Wicked“-Fans.
Doch zu einer wandelbaren Künstlerin gehört auch, dass sie ihre prägendste Rolle eines Tages ablegen kann und nicht nur darauf reduziert wird. Willemijn Verkaik ist dies gelungen. Es folgten Engagements in „Aida“, „Mamma Mia!“ und „Tarzan“, „Bat out of Hell“, „Annie“ und „Ghost“. Mal poppig, mal extrem rockig, mal sanft und berührend, mal kräftig und voller Power – ein buntes Medley und jede ausgewählte Nummer, gespickt mit liebevollen Erzählungen und Anekdoten, unterstreichen ihren künstlerischen Weg und einmal mehr ihre stimmliche Vielseitigkeit.
Und muss man sich nicht auch manchmal von etwas verabschieden, damit das Neue Platz haben kann? So ist es auch in Verkaiks Lebenslauf geschehen. Es tat sich ein weiterer Traumpart für die Künstlerin auf, der sie auf völlig neue, unverfrorene Art und Weise zu beeinflussen begann und in nie dagewesene Sphären katapultierte – die Rolle der Eiskönigin Elsa in Disneys Welterfolg „Die Eiskönigin“. Als deutsche (Gesang) und niederländische Synchronisierung des Films wuchsen zahlreiche Kinder mit ihrer Stimme auf, und diesem Erfolg hat sie es letztendlich zu verdanken, dass sie 2020 zu den Oscars eingeladen wurde. Wieder so ein unglaublicher Moment! „Auf einmal stand ich auf der größten Bühne der Welt, und vor mir sitzen Leonardo DiCaprio und Renée Zellweger“, lacht sie. „Eine grandiose Erfahrung, ich war die deutsche Elsa!“

Doch bevor sie die Rolle für einige Monate mehr als erfolgreich in Hamburg im Theater an der Elbe verkörpern durfte, traf auch sie die Corona-Welle mit harter Wucht. Engagements wurden abgesagt, die berufliche Zukunft war ungewiss. Besonders schmerzhaft: Willemijn Verkaik hätte in den Niederlanden die Rolle der Jenna Hunterson in „Waitress“ übernehmen sollen – ein Part, den sie sich immer wünschte. Und „She used to be mine“ ist ein Song, den sie unwahrscheinlich gerne Abend für Abend gesungen hätte. Es sind Geschichten, die das Leben schreibt – und jede noch so erfolgreiche, scheinbar goldene Karriere hat ihre Schattenseiten. An diesen lässt Verkaik ihr Publikum authentisch teilhaben. Sei es die Corona-Pandemie und Einschränkungen im beruflichen und privaten Leben sowie ihr krankheitsbedingtes frühes Ende bei „Wicked“ am Londoner West End – all dies lässt sich nicht aussparen und bedarf Beachtung. Denn sind es nicht wie so oft die dunklen Momente im Leben, auf die Licht folgt, manchmal mehr, als man je zu hoffen wagte? Und findet man nicht auch in den negativen Dingen positive Aspekte, mit denen man vielleicht nie gerechnet hätte? „Come from Away“ in den Niederlanden gehört aufgrund der pandemiebedingten Einschränkungen und dem dadurch ganz besonderen Zusammenhalt der Cast zu den Lieblingserinnerungen der Niederländerin und zeichnet ein Highlight in ihrer prall gefüllten, abwechslungsreichen Karriere. Und auch der Blick auf das Private lässt die Künstlerin schmunzeln: Plötzlich hatten sie und ihr Mann Bart während der Pandemie Zeit füreinander. Zeit zu Hause, Zeit für gemeinsame Musik, Zeit für Spaziergänge, Zeit für Was-wollen-wir-heute-Abend-kochen, Zeit für ein gemeinsames Silvester. Letzterem widmet sie sogar einen eigenen Song, und diese kleinen privaten Einblicke machen den Abend noch sympathischer, als er ohnehin schon ist.
Auch sprachlich äußert sich Verkaiks Vielseitigkeit und lässt am Konzertabend keine Wünsche offen. Charmant moderiert sie auf Deutsch durch ihre Setlist und lässt es sich nicht nehmen, in ihren Gesangsparts zwischen Deutsch, Niederländisch und Englisch hin und her zu switchen, manchmal sogar mehrmals in einem Song. 2022 führte sie ihr Weg dann auch endlich nach Österreich, denn, es war schon immer ihr Ziel gewesen, einmal Teil der Vereinigten Bühnen Wien zu sein. Doch als sie für Mrs. Danvers in „Rebecca“ vorsang, hätte sie im Traum nicht damit gerechnet, tatsächlich einmal diese ikonische Rolle verkörpern zu können. Im Duett mit Judith Caspari als Ich demonstriert sie noch einmal mehr, dass sie gewiss nicht ohne Grund als Hausdrachen von Manderley ausgewählt wurde und ihr letztendlich auch das Wiener Publikum zu Füßen lag. Aktuell erobert Willemijn Verkaik das Herz der Hamburgerinnen und Hamburger, wenn sie Abend für Abend als Anne Hathaway in „& Julia“ Ehemann William Shakespeare zeigt, wo der Hammer hängt. Voller Bewunderung ist sie für ihre Kolleginnen und Kollegen und bezeichnet auch diese Figur als Traumrolle. Überhaupt sei sie jemand, die eher weniger in die Vergangenheit blicke, sondern sich auf das Hier und Jetzt konzentriere. Ihr Auftritt zu Celine Dions „That’s the Way it is“ überzeugt in jeglicher Tonlage, berührt und schafft zu gleich große Bewunderung für diese Ausnahmekünstlerin.

Doch die Niederländerin wäre nicht die, die sie ist, wenn sie kein erdendes Umfeld hätte. Auch auf die Frage, ob sie Fan von jemandem sei, bleibt sie bescheiden. Es sind die Kolleginnen und Kollegen, die sie begeistern und inspirieren. Es sind die großen Stars, zu deren Musik sie aufwuchs und zu denen sie aufblickt. Und es sind Komponisten und Singer und Songwriter, die voller Talent Stücke komponieren und Texte schreiben, wie sie es selbst nie könnte. Stephen Schwartz, Jason Robert Brown, Scott Allen, Pasek & Paul. Letztere nimmt sie zum Anlass, kurz vor Schluss daran zu erinnern, sich trotz verheerender Weltlage immer wieder die eigenen Träume zu vergegenwärtigen und diese nie aufzugeben. Sie lädt das Publikum zum gemeinsamem Träumen ein. Und welches Lied könnte sich da besser eignen, als „A million Dreams“ aus „The Greatest Showman“? Unterstützung erhält sie hierbei erneut von Judith Caspari und – als ganz besonderes Highlight und Schmankerl – von den drei Musen aus „Hercules“: Jessica Hailey Reese, Shekinah Mcfarlane und Leslie Beehann wurden einmalig für diesen Abend eingeladen und sorgen für die perfekte Prise Swing, Groove und Stimmgewalt in der traumhaft schönen Ballade von Pasek & Paul.
Am Ende bleiben ein Konzert mit einem gelungenen roten Faden in einem Rahmen, der genug Raum für Spontanität, Witz und Lacher bietet, unzählige Standing Ovations, Danksagungen in alle Richtungen, ein nicht enden wollender Applaus, vielleicht ein paar Tränen vor Rührung und einem gewaltigen „Frei und schwerelos“ als Zugabe. Der Abend hat definitiv gezeigt, wer Willemijn Verkaik wirklich ist – eine der ganz Großen im Musicalbereich. Auf die nächsten 25 Jahre – mindestens!
Text: Katharina Karsunke