„Mamma Mia!“ in Tecklenburg (Foto: Dominik Lapp)
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Eine große Sommerparty: „Mamma Mia!“ in Tecklenburg

Die Freilichtspiele Tecklenburg präsentieren in diesem Jahr zum ersten Mal in Deutschland eine freie Inszenierung des Musicals „Mamma Mia!“ unter freiem Himmel. Ulrich Wiggers, der das Stück aus mehr als 1.000 eigenen Vorstellungen bestens kennt, führt dabei Regie und bringt eine besondere Note ein: In seiner Inszenierung kommt die griechische Atmosphäre und das Gefühl einer großen Sommerparty noch stärker über die Rampe als in der Originalinszenierung.

Wiggers‘ enge Zusammenarbeit mit Kostümbildnerin Fabienne Ank und Bühnenbildner Jens Janke führt dazu, dass sich das Publikum wie auf einer griechischen Insel fühlt. Dass ausgerechnet dieses Flair in der altehrwürdigen Tecklenburger Burgruine erreicht werden kann, ist wohl nahezu unglaublich, wenn man es nicht selbst erlebt hat. So beeindruckt diese Produktion schon visuell und trifft mitten ins Herz.

Die Bühne zeigt eine weiße Häuserfront mit blauen Türen und Fensterläden, die perfekt in die alte Burgmauer integriert ist und mit den Drillingsblumen und Olivenbäumen an die malerische Insel Santorin erinnert. Auch eine kleine Kapelle, ein Leuchtturm, eine Taverne und Schilder, die den Weg zum Hafen und Strand weisen, tragen dazu bei, dass die Szenerie authentisch wirkt. Im Gegensatz zu dem Bühnenbild der über die letzten Jahre immer mehr kaputtgesparten Originalinszenierung, wird in Tecklenburg nicht gekleckert, sondern im wahrsten Sinne des Wortes geklotzt.

„Mamma Mia!“ in Tecklenburg (Foto: Dominik Lapp)

Die Kostüme von Fabienne Ank sind modern und zeitgemäß, aber beim Auftritt von „Donna and the Dynamos“ sowie im Finale werden wir zurück in die glamouröse und strassbesetzte Mode der Siebzigerjahre katapultiert. Diese Mischung aus alter und neuer Zeiterscheinung gibt der Inszenierung einen besonderen Charme. Ein Highlight sind die an der griechischen Mythologie angelehnten Kostüme von Statuen, die zum Leben erweckt werden, oder von griechischen Göttern in Sophies Alptraumsequenz.

Ulrich Wiggers legt den Fokus seiner Inszenierung stark auf Griechenland, schafft wunderbare Bilder und hält die Szenerie immerzu in Bewegung. Schon während der Ouvertüre tummeln sich viele Inselbewohner auf der Bühne. Eine strickende Frau sitzt beständig neben einem Tor, am Leuchtturm schauen zwei Leuchtturmwärter nach dem rechten. Während sich im vorderen Bühnenbereich Szenen abspielen, ist im Hintergrund das Housekeeping-Personal von Donnas Taverne bei der Zimmerreinigung zu sehen.

Außerdem wird die vierte Wand durchbrochen, wenn das gesamte Ensemble zu „Dancing Queen“ einmal komplett durch den Zuschauerraum zieht oder Bill vor Sophie und seiner möglichen Vaterschaft durch das Auditorium flüchtet. Die Vorzüge einer Freilichtbühne nutzt Wiggers weiterhin, um Donna, Rosie und Tanja in einem Auto einfahren zu lassen. Aber der Regisseur versteht es nicht nur, die große Spielfläche zu füllen, sondern auch die kleinen emotionalen Geschichten zu erzählen. Insbesondere die Konstellationen zwischen Donna und ihren Ex-Liebhabern, aber auch die Mutter-Tochter-Story hat Ulrich Wiggers exzellent herausgearbeitet.

Ebenso herausragend, wie schon im vergangenen Jahr bei „Mozart!“, ist die Choreografie von Francesc Abós. Mit seinen energetischen, atemberaubenden Schrittfolgen fordert er nicht nur das Profiensemble, sondern auch den Chor, was zu einem Party-Musical wie „Mamma Mia!“ mit der unvergleichlichen Musik von ABBA hervorragend passt.

Die Besetzung ist phänomenal gewählt: Wietske van Tongeren überzeugt in der Rolle der Donna mit starker Bühnenpräsenz und stimmlicher Brillanz. Dass es ihre Donna als alleinerziehende und arbeitende Mutter nie leicht hatte, weiß van Tongeren glaubwürdig zu vermitteln. Wenn sie zum Schluss feststellt, dass ihre Tochter gefühlt gestern noch zur Schule ging und jetzt heiratet, ist das einer der emotionalsten und mit „Durch meine Finger rinnt die Zeit“ sowie „Der Sieger hat die Wahl“ musikalisch stärksten Momente des Abends.

Navina Heyne als Rosie und Rachel Marshall als Tanja sorgen für viele humorvolle Momente und ergänzen das Trio perfekt, denn Marshall gibt wunderbar die exaltierte Jetset-Lady, während Heyne als vegane Kochbuchautorin vom feministischen Frauenbund ein krasses Pendant dazu darstellt.

Nicht weniger stark agieren Oliver Arno als Sam, Alexander Di Capri als Harry und Benjamin Eberling als Bill. Hier hat man drei sehr überzeugende Schauspieler verpflichtet, die jedem der drei möglichen Väter einen eigenen Stempel aufdrücken. Arnos Sam brennt noch immer für Donna und sorgt sich rührend um seine mögliche Tochter Sophie, Di Capri gibt einen sympathischen Harry „Headbanger“ und Eberling einen wunderbar entspannten und mit subtilem Humor ausgestatteten Bill, der nicht mehr wie in der Urfassung aus Australien kommt, sondern aus Berlin.

Celena Pieper darf in der Rolle der Sophie als Idealbesetzung bezeichnet werden. In Songs wie „Mich trägt mein Traum“, „Honey, Honey“ oder „Danke für die Lieder“ verzaubert sie gesanglich, außerdem punktet sie mit ihrem erfrischend jugendlichen Schauspiel. Ihr zur Seite steht Andrew Chadwick, der einen smarten Sky gibt und bei „Leg dein Herz an eine Leine“ stimmlich exzellent mit Pieper harmoniert. Das Paar strahlt immerzu eine frische und mitreißende Verliebtheit aus. Ebenso erwähnenswert ist das Ensemble mit seiner unbändigen Spielfreude und Präzision in den Tanzszenen, woraus besonders Laura Araiza (Ali), Romina Markmann (Lisa), Denys Magda (Eddie) und Nicolai Schwab (Pepper) hervorstechen.

Die Musik, bestehend aus den bekanntesten Hits von ABBA in der Übersetzung von Michael Kunze, und das Buch von Catherine Johnson (Übersetzung: Ruth Deny) haben auch in dieser neuen Inszenierung von Ulrich Wiggers nichts von ihrem Zauber verloren und beweisen einmal mehr ihre zeitlose Qualität. Das Orchester der Freilichtspiele Tecklenburg unter der Leitung von Giorgio Radoja wird den Songs absolut gerecht und ist ein weiterer Garant dafür, dass diese große Sommerparty mit dem Titel „Mamma Mia!“ zu einem unvergesslichen Musicalabend wird.

Text: Dominik Lapp

„Mamma Mia!“ in Tecklenburg (Foto: Dominik Lapp)
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Dominik Lapp ist ausgebildeter Journalist und schreibt nicht nur für kulturfeder.de, sondern auch für andere Medien wie Lokalzeitungen und Magazine. Er führte Regie bei den Pop-Oratorien "Die 10 Gebote" und "Luther" sowie bei einer Workshop-Produktion des Musicals "Schimmelreiter". Darüber hinaus schuf er die Musical-Talk-Konzertreihe "Auf ein Wort" und Streaming-Konzerte wie "In Love with Musical", "Musical meets Christmas" und "Musical Songbook".