Kostümabteilung Freilichtspiele Tecklenburg (Foto: Dominik Lapp)
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Backstage: Zu Besuch in der Kostümschneiderei der Freilichtspiele Tecklenburg

Sicher kennen alle Besucherinnen und Besucher der Freilichtspiele Tecklenburg die Geschäftsstelle in der Schlossstraße. Was bestimmt nicht alle wissen: Dort, im ersten Obergeschoss, direkt unter dem Dach, befindet sich außerdem die Kostümschneiderei. Es ist das Reich von Kostümbildnerin Fabienne Ank, die dort mit einem großen Team arbeitet: Acht Schneiderinnen, zwei Gewandmeisterinnen und zwei Kostümbild-Assistentinnen. An den Vorstellungstagen kommen außerdem noch fünf Dresserinnen hinzu.

Fabienne Ank trägt mit ihrer Leidenschaft und ihrem handwerklichen Geschick maßgeblich zum Erfolg der Produktionen bei. Ihr Werdegang ist von ihrer frühen Liebe zum Theater geprägt: „Ich habe schon als Kind Theater geliebt.“ Nach einer Ausbildung zur Schneiderin in Nürnberg war sie zunächst in der Herrenschneiderei des Mainfranken-Theaters in Würzburg tätig, bevor sie in Hamburg Kostümdesign studierte. Im Anschluss daran begann sie im Jahr 2023 als Co-Kostümbildnerin an der Seite von Karin Alberti bei den Freilichtspielen Tecklenburg. Nach deren altersbedingtem Ausscheiden hat Ank nun das Sagen in der Kostümabteilung.

Der Prozess der Kostümproduktion beginnt viele Monate vor der Premiere. Die Kostümbildnerin erklärt: „Ich beginne bereits im Dezember, mich mit den Textbüchern zu beschäftigen.“ Für die Saison 2025 begannen die Vorbereitungen sogar bereits Mitte November 2024. In einer intensiven Recherchephase lässt sie sich von der Musik der jeweiligen Stücke inspirieren. „Die Musik erzählt schließlich die Geschichte“, sagt sie. „Die läuft beim Zeichnen rauf und runter.“

Kostümabteilung Freilichtspiele Tecklenburg (Foto: Dominik Lapp)

Für ein Musical wie „Mamma Mia!“ hat sich die 28-Jährige außerdem Fotos von ABBA-Kostümen angesehen, für „3 Musketiere“ hingegen war sie in der Londoner National Portrait Gallery. Bei „Priscilla“ war es dann so: „Regisseur Ulli Wiggers brachte mir eine ganze Mappe mit Drag-Fotos, KI-Kostümen und eine bunte Mischung von Fotos verschiedenster australischer Tiere mit“, erinnert sich Fabienne Ank.

Ihre Entwürfe schickt sie anschließend an den Regisseur. „Das geht dann die ganze Zeit hin und her.“ Manchmal haben Regisseure genaue Vorstellungen von Kostümen, manchmal lassen sie der Kostümchefin aber auch komplett freie Hand. „Das ist ganz unterschiedlich.“

Wenn die Figurinen, wie man die Kostümzeichnungen nennt, final sind, geht es direkt los mit der Produktion – in der Regel im Januar oder Februar. Und dennoch werden die letzten Kostüme oder Kostümteile immer erst kurz vor der Premiere fertig. Kein Wunder: Das Ensemble eines Stücks besteht aus mehr als 20 Personen, jede von ihnen hat mehrere Kostüme. „Wir sprechen hier also von mehreren Hundert Kostümen, die wir in jeder Saison benötigen“, rechnet Fabienne Ank vor. Deshalb müsse man auch von anderen Theatern Kostüme ausleihen, zum Beispiel für die Mitglieder des Chores. „Die Kostüme für die Solistinnen und Solisten fertigen wir aber selbst.“

Kostümabteilung Freilichtspiele Tecklenburg (Foto: Fabienne Ank)

Inzwischen ist es auch gar nicht mehr so einfach, Theater zu finden, die Kostüme verleihen. Zu groß sind die Bedenken, dass die zum Teil wertvollen Stoffe beschädigt werden – gerade bei einer Freilichtbühne, weil sie dort dem Wetter und entsprechenden Strapazen ausgesetzt sind. „Wir arbeiten glücklicherweise mit festen Häusern zusammen, die uns wohlgesonnen sind“, freut sich die Meisterin der Stoffe.

Auswahl und Beschaffung von Stoffen stellen eine besondere Herausforderung dar, wie Fabienne Ank erläutert: „Da erst mal das Richtige zu finden, ist gar nicht so einfach. Erst dann kann man mit den Schnitten anfangen.“ Besonderes Augenmerk legt sie auf die praktische Umsetzbarkeit und Haltbarkeit der Kostüme, wobei sie gern mit Naturmaterialien arbeitet und stets experimentierfreudig ist. Die Stoffbeschaffung ist für ein Stück wie „Mamma Mia!“ oder „Priscilla“ allerdings wesentlich einfacher als für „3 Musketiere“ oder „Titanic“. „An historische Stoffe heranzukommen, ist deutlich schwieriger“, versichert die Kostümbildnerin. „Es darf auch nicht zu teuer werden, da ich den Budgetplan im Blick behalten muss.“

„Zusätzlich kam dieses Mal eine große Herausforderung mit den Schuhen auf uns zu. High Heels bis Größe 46 zu finden, ist nicht einfach. Nicht einmal im Dragshop-Bereich. In den Proben zeigte sich dann erst, welche Choreos mit Heels überhaupt möglich waren“, erzählt Ank. Und an den Kostümen der Solistinnen und Solisten für das Finale von „Priscilla“ wurden bis zum Tag der ersten Kostümprobe noch Strasssteine geklebt. „Glücklicherweise haben wir in Tecklenburg den tollen ehrenamtlichen Chor, der uns nach einem Hilferuf unterstützt hat, indem in Gemeinschaftsarbeit Strass geklebt und Namensschilder eingenäht wurden. Mit dem Chor zusammen haben wir auch im Mai in einem zweitägigen Workshop die Muffinhüte gebastelt, die bei ‚Leaving the Cake out in the Rain‘ ihren Auftritt haben.“

Kostümabteilung Freilichtspiele Tecklenburg (Foto: Fabienne Ank)

Für die diesjährige „Titanic“-Produktion hatte sich das Kostümteam einer weiteren großen Herausforderung verschrieben: Authentizität bis ins Detail. Schon zu Jahresbeginn wurden an zwei Theatern historische Gewänder ausgeliehen, vermessen und angepasst, „ergänzt durch Schätze aus dem eigenen Fundus“. Besonders ins Auge stechen bei den Vorstellungen die opulenten Hüte der ersten Klasse, an denen sich die Putzmacherin kreativ austoben durfte.

Die feinen Damenkleider der oberen Gesellschaftsschicht mussten eigens angefertigt werden – andere Theater verliehen ihre empfindlichen Seidenroben nicht für eine Open-Air-Produktion. Wochenlang verwandelte die Kostümabteilung der Freilichtspiele Tecklenburg Spitzen, Chiffon und Satin in prachtvolle Kreationen, inspiriert von Fotografien aus dem Jahr 1912. Parallel entstanden zwei Kapitänsuniformen, Offiziersmäntel mit Litzen, handbestickte Abzeichen und das berühmte Marconi-M für die Mütze des Funkers Harold Bride. Insgesamt rund 240 Kostüme gingen durch die Hände des Teams.

Ein besonderer Moment ergab sich während der Proben: Darstellerin Hannah Miele schlug vor, ihre Figur Kate Murphy moderner und emanzipierter wirken zu lassen – in einer Hose statt im Kleid. Fabienne Ank war sofort begeistert, und so entstand eines ihrer Lieblingskostüme der Produktion: eine Bloomer-Hose, die der Rolle ungeplante Stärke verlieh.

Kostümabteilung Freilichtspiele Tecklenburg (Foto: Fabienne Ank)

Doch nicht alles war planbar. Immer wieder mussten zusätzliche Kostüme in Rekordzeit hergestellt werden – für Matrosen, Dienstmädchen oder Ensemblemitglieder, die plötzlich in Massenszenen benötigt wurden. Die Offiziersuniformen folgten schließlich historischen Vorbildern: dunkelblau, wie es damals der Dienstvorschrift für die kühlen Monate entsprach.

Damit schnelle Umzüge während der Vorstellung möglich sind, arbeitet Fabinne Ank gern mit dicken Reißverschlüssen. Andere Theater setzen auf Klettverschlüsse, doch die Tecklenburger Kostümverantwortliche ist kein Fan davon und erklärt: „Gerade feine Stoffe können durch Klettverschlüsse schnell reißen.“ Von Pailletten ist sie ebenfalls nicht sehr überzeugt. „Die Schwierigkeit dabei ist, dass die Nadeln oft abbrechen. Wenn man jedoch etwas Spülmittel auf die Nadel gibt, rutscht sie besser durch. Allerdings sind auch die Darstellerinnen und Darsteller häufig froh, wenn sie keine Pailletten am Kostüm haben, weil das zum Beispiel wahnsinnig die Arme aufreibt. Wir machen dann immer zum Schutz einen Tüll darüber.“

Weil einige der Mitwirkenden schon mehrfach in Tecklenburg aufgetreten sind, liegen deren Maße bereits vor. Neue Künstlerinnen und Künstler geben ihre Körpermaße per E-Mail durch, damit die Schneiderinnen und Gewandmeisterinnen loslegen können. „Wenn es zeitlich passt, kommen sie auch zwischendurch zum Vermessen und zur Anprobe vorbei“, verrät Ank. „Die anderen kommen spätestens dann zur Anprobe, wenn sie für die Proben hier sind.“

Kostümabteilung Freilichtspiele Tecklenburg (Foto: Fabienne Ank)

Trotz der Herausforderungen, wie dem Umgang mit Pailletten und Strass oder der Reinigung der Kostüme während der Saison, begeistert sich Fabienne Ank vor allem für die Möglichkeit, durch Kostüme Geschichten erzählen und manchmal sogar Gesellschaftskritik üben zu können. „Wenn man ins Theater geht, ist das Kostümbild das Erste, was das Publikum sieht“, sagt sie. „Man erkennt sofort, aus welchem Stand die jeweilige Person kommt. Sieht sie ein bisschen heruntergerockt oder versoffen aus? Kommt sie gerade aus einem Kampf? Ist sie reich oder arm? Das alles kann man erkennen. Das finde ich spannend und reizvoll.“

Was ebenso zu ihrer Arbeit gehört, ist die Recherche von Firmen, die einzelne Kostümteile fertigen. „Ich habe damals viele Schuhfirmen abgeklappert, um eine zu finden, die uns Maßstiefel für die Musketiere anfertigt. Eine weitere Firma fertigte die Musketier-Hüte“, erinnert sie sich.

Während der laufenden Shows erhält die Kostümabteilung außerdem Unterstützung von fünf Dresserinnen. Sie richten die Kostüme vor der Vorstellung ein, sorgen dafür, dass alles am richtigen Platz ist, helfen den Mitwirkenden bei Umzügen, den so genannten Quick-Changes, sammeln die Kostüme nach der Vorstellung ein und sind dafür verantwortlich, dass sie zur nächsten Aufführung sauber und ordentlich aussehen.

Text: Dominik Lapp

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Dominik Lapp ist ausgebildeter Journalist und schreibt nicht nur für kulturfeder.de, sondern auch für andere Medien wie Lokalzeitungen und Magazine. Er führte Regie bei den Pop-Oratorien "Die 10 Gebote" und "Luther" sowie bei einer Workshop-Produktion des Musicals "Schimmelreiter". Darüber hinaus schuf er die Musical-Talk-Konzertreihe "Auf ein Wort" und Streaming-Konzerte wie "In Love with Musical", "Musical meets Christmas" und "Musical Songbook".