„Ghost“ auf Tour (Foto: Dominik Lapp)
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Grundlegend überarbeitet: „Ghost“ auf Tour

Showslot schickt das Musical „Ghost“ erneut auf Tour – und man ahnt schon nach wenigen Minuten: Diese Wiederaufnahme ist nicht die Rückkehr eines bekannten Hits, sondern seine eindrucksvolle Weiterentwicklung. Das teilweise neu besetzte Kreativteam hat die Produktion grundlegend überarbeitet, und was hier nun über die Bühne geht, wirkt frischer, moderner und in seiner emotionalen Wirkung tiefgreifender als die Version vor zwei Jahren.

Regisseur Manuel Schmitt formt seine Figuren mit sicherer Hand. Alles scheint genau am richtigen Ort, jeder Blick, jede Geste sitzt, ohne je konstruiert zu wirken. Schmitt erzählt die bekannte Geschichte um Liebe, Verlust und Unrecht mit einer Klarheit, die berührt, weil sie den Figuren Raum gibt, statt Effekte blind auszukosten. Dass die Inszenierung dennoch vor visueller Kraft nur so strotzt, verdankt sie neben der Regie auch dem kongenialen Zusammenspiel von Choreograf Timo Radünz und dem neuen Bühnen- und Videodesign von Sam Madwar.

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Madwar sorgt für den vielleicht spektakulärsten Sprung nach vorn. Seine Videowand verschmilzt nahezu nahtlos mit dem dreidimensionalen Bühnenbild. Räume öffnen und schließen sich vor den Augen des Publikums, New Yorker Straßenzüge ziehen von rechts nach links, Mollys Apartment gewinnt an Tiefe, Oda Mae Browns Spelunke an schummriger Glaubwürdigkeit. Ganz neu ist ein Kaffeeladen, der die urbane Hektik wunderbar einfängt. Die Effekte wirken so realistisch wie nie – besonders eindrucksvoll, wenn Sam durch verschlossene Türen geht, als wären sie Nebel. Und die U-Bahn-Szene darf ohne Übertreibung als Highlight bezeichnet werden: ein technisch wie atmosphärisch perfekter Moment, der die Grenzen zwischen Filmillusion und Live-Theater verschwimmen lässt.

„Ghost“ auf Tour (Foto: Dominik Lapp)

Auch das neue Lichtdesign von Michael Grundner tut sein Übriges. Es modelliert Räume, Gefühle, Spannungsmomente mit exzellenter Präzision und verleiht der gesamten Produktion etwas Einzigartiges. Die modernen, rollengerecht entworfenen Kostüme von Mara Lena Schönborn fügen sich harmonisch in das Gesamtkonzept ein und stärken den Realismus der Figuren.

Darstellerisch präsentiert sich die Produktion in Bestform. Robin Reitsma gibt Sam mit starker Präsenz und emotionaler Offenheit. Bianca Basler als Molly berührt mit warmem Timbre und glaubhaftem Schmerz. Lucas Baier setzt als Carl die nötigen Ambivalenzen, während Sandro Wenzing den zwielichtigen Willie treffsicher auslotet. Ulrich Talle begeistert als Krankenhausgeist mit pointiertem Spiel und Witz, während die neue weibliche Besetzung des U-Bahn-Geists durch Sophie Alter eine erfrischende Wendung bietet: Sie spielt die Szene nicht nur großartig, sondern verleiht ihr eine originelle neue Energie.

„Ghost“ auf Tour (Foto: Dominik Lapp)

Für die meisten Lacher und Ovationen sorgt jedoch UZOH als Oda Mae Brown. Mit großer Stimme, tadellosem Timing und einem Humor, der nie ins Alberne kippt, wird sie zum unangefochtenen Publikumsliebling des Abends. Ihre Szenen sind kleine Energiefelder, die das Tempo anziehen, ohne die emotionalen Linien der Geschichte aus den Augen zu verlieren. Auch Oda Maes Assistentinnen Clara und Louise, gespielt von Lina Kropf und Aminata Ndaw, setzen charmante Akzente und zeigen, wie sorgfältig das Casting bis in die kleinsten Rollen hinein gedacht ist. Das Ensemble insgesamt agiert homogen und kraftvoll.

Was bleibt, ist ein Abend, der beweist, wie lebendig das Musicalgenre sein kann, wenn es mutig modernisiert wird, ohne seine Seele zu verkaufen. Diese neue Tour von „Ghost“ hebt die Vorlage ästhetisch wie emotional auf ein neues Niveau. Ein Musical, das bewegt, fesselt und staunen lässt.

Text: Dominik Lapp

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Dominik Lapp ist ausgebildeter Journalist und schreibt nicht nur für kulturfeder.de, sondern auch für andere Medien wie Lokalzeitungen und Magazine. Er führte Regie bei den Pop-Oratorien "Die 10 Gebote" und "Luther" sowie bei einer Workshop-Produktion des Musicals "Schimmelreiter". Darüber hinaus schuf er die Musical-Talk-Konzertreihe "Auf ein Wort" und Streaming-Konzerte wie "In Love with Musical", "Musical meets Christmas" und "Musical Songbook".