UZOH (Foto: Dominik Lapp)
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Interview mit UZOH: „Musical kam eher zufällig in mein Leben“

UZOH gehört vielleicht zu den spannendsten Newcomerinnen der deutschen Musicalszene – obwohl sie eher zufällig in diesem Genre gelandet ist. Ihren Durchbruch feierte sie als Muse Klio in der Weltpremiere von Disneys „Hercules“ in Hamburg. Jetzt arbeitet sie weiter an ihrer Karriere, begeistert eine stetig wachsende Community auf TikTok und tourte bereits mit eigenen Songs durch Clubs. Im Interview erzählt sie, wie sie den Spagat zwischen Musical, eigener Musik und Social Media meistert, was sie aus ihrer Zeit bei „Hercules“ mitnimmt und warum sie am liebsten alles gleichzeitig macht.

Zum Musical bist du mehr oder weniger zufällig gekommen, oder?
Total. Musical kam eher zufällig in mein Leben. Ich habe vor Jahren einen Workshop gebucht, weil ich dachte, es sei ein Gesangs-, Tanz- oder Schauspiel-Workshop. Ich war früher vor allem Tänzerin und wollte eigentlich nur deswegen hin. Eine Woche vorher bekam ich das Material. Das waren alles Musicalsongs. Ich fand das erst furchtbar und habe nicht verstanden, warum die Leute mitten im Song plötzlich sprechen. Aber ich bin trotzdem hingegangen, und am Ende war ich total begeistert. Ab da habe ich mich viel mehr mit Musical beschäftigt. Das war der Moment, in dem ich merkte, dass ich das lernen will.

Du hast dein Musicalstudium in Osnabrück vorzeitig beendet, weil du die Rolle der Muse Klio in der Weltpremiere von „Hercules“ in Hamburg bekommen hast. Wie blickst du heute darauf zurück?
Ich bin unglaublich dankbar für diese Chance, denn es hat mir zu Beginn meiner Karriere eine große Plattform gegeben. Das war nicht nur meine erste große Produktion, sondern gleich eine Disney-Weltpremiere – und das in Deutschland, was wirklich selten vorkommt. Natürlich war da auch eine Menge Ehrfurcht im Spiel. Ich habe in dieser Zeit enorm viel gelernt: stimmlich, körperlich, und auch über mich selbst. Ich habe Seiten an mir entdeckt, die ich vorher nicht kannte, und einen intensiven Einblick in die Branche bekommen. Das war eine riesige Herausforderung, aber auch ein großes persönliches Learning.

UZOH (Foto: Dominik Lapp)

Bist du damals gezielt für die Rolle der Klio zur Audition gegangen oder wolltest du einfach mal sehen, was passiert?
Ehrlich gesagt beides. Ich wollte die Erfahrung machen, weil ich noch nicht so viele Auditions hatte, und dachte, das ist vielleicht eine gute Gelegenheit, um zu sehen, wie so was abläuft. Ich kannte „Hercules“ zu dem Zeitpunkt gar nicht wirklich. Ich habe mich dann für die Musen beworben, wurde aber zunächst auch für Meg eingeladen. Schon in der ersten Runde merkte das Team wohl, dass ich besser als Muse passe. Wir bekamen Material zu allen Musen, sollten uns aber auch überlegen, welche Rolle uns stimmlich am meisten liegt. Für mich war das immer Klio, und am Ende habe ich sie tatsächlich bekommen.

Weißt du noch, wie und wo du erfahren hast, dass du die Rolle bekommst?
Ja, das ging ziemlich schnell – zwei Tage nach dem Finale. Uns wurde am letzten Audition-Tag schon gesagt, dass die Entscheidung bald kommt. Ich war deshalb die ganze Zeit am Handy. Direkt nach dem Finale bin ich zurück nach Osnabrück gefahren. Ich war so im Kopfkino, dass ich mich einfach darauf konzentrierte, meine Wohnung zu putzen. Von Freunden wusste ich schon, dass an diesem Tag die Absagen rausgingen. Ich hatte aber nichts bekommen und dachte, dass ich vielleicht drin bin – aber in welcher Rolle? Am Ende saß ich tatsächlich einfach zu Hause, als ich die Zusage bekam, und bin einfach komplett ausgerastet.

Gab es in deiner Zeit bei „Hercules“ einen besonders schönen Moment?
Es gab viele. Einer der ersten war, als ich das Kostüm anprobierte. Da wurde mir bewusst, dass das wirklich passiert. Wir konnten sogar noch kleine Änderungen vorschlagen, was bei Disney normalerweise undenkbar ist. Das ist das Besondere an einer Weltpremiere. Ein anderer besonderer Moment war gleich zu Beginn: Für die TV-Show „Disney 100“ haben wir eine große Promo gemacht, unter anderem in Köln. Ich bekam eine komplette Rundum-Betreuung. Das war wie in einem Märchen, weil es dem Team wichtig war, dass es uns gut geht. Und dann stehst du auf einmal neben Leuten, die seit Jahren im Business sind, und denkst: „Was mache ich hier eigentlich?“ Die Anfangszeit war für mich ein einziger Rausch.

UZOH als Mrs. Lovett und Muse Klio. (Foto: Dominik Lapp)

Deinen Vertrag hast du nicht verlängert. Aber kürzlich bist du noch einmal bei „Hercules“ eingesprungen. Wie kam es dazu?
Eine Kollegin hatte sich verletzt. Das Theater hat dann versucht, die Lücken mit den Covers zu füllen, aber es war einfach zu viel auf einmal. Sie haben mich also angerufen und gefragt, ob ich für drei Wochen einspringen kann. Das hat perfekt gepasst, weil ich in dieser Zeit sowieso viel in Hamburg war. Eigentlich wollte ich da nur an meiner Bachelorarbeit schreiben. Am Ende habe ich tagsüber geschrieben und abends gespielt.

Du warst auch als Premierengast bei „Hercules“ in London. Wie war das für dich, die Show von der anderen Seite, mit einer anderen Cast und auf Englisch zu sehen?
Es war wie eine Parallelwelt. Auf der Bühne stand fast ein komplett anderes Ensemble, drei Leute aus Hamburg waren dabei. Es war vertraut und doch ganz anders. Spannend zu sehen, wie sich die Show weiterentwickelt hat. Besonders schön war, mit den Londoner Kolleginnen ins Gespräch zu kommen. Sie haben uns erzählt, dass sie während der Proben unsere Aufnahmen aus Hamburg gesehen haben. Viele meinten: „Schön, euch jetzt mal in echt zu treffen.“ Das war sehr herzlich. Und das Wiedersehen mit dem Kreativteam, mit dem wir so lange in Hamburg gearbeitet hatten, war für mich wie ein Familientreffen, weil uns die Probenzeit damals sehr zusammengeschweißt hat.

Du hast während deines Studiums schon in „Der kleine Horrorladen“ in Mainz gespielt. Das ging dann auch noch weiter, als du bei „Hercules“ unter Vertrag warst. Wie hast du das organisatorisch und mental geschafft?
Das war tatsächlich herausfordernd. Als ich das Angebot für „Hercules“ bekam, habe ich direkt gesagt, dass ich parallel noch in Mainz spiele. Wir haben das dann so abgestimmt, dass ich etwa die Hälfte meiner geplanten „Horrorladen“-Auftritte an einen Swing abgeben konnte. Die Probenzeit in Hamburg war extrem intensiv. Eine Weltpremiere bedeutet eben, dass ständig Dinge neu ausprobiert werden. Nach der Premiere war ich ziemlich erschöpft, aber bin an meinen freien Tagen nach Mainz gefahren. Wichtig war, gut auf meine Stimme zu achten und so viel Schlaf wie möglich zu bekommen.

UZOH (Foto: Dominik Lapp)

Deine Abschlussproduktion im Studium war „Sweeney Todd“, wo du Mrs. Lovett gespielt hast. Was hat dir diese Rolle über dich selbst gezeigt?
Dass ich mir tatsächlich so viel Text merken kann. (lacht) Mrs. Lovett redet und singt praktisch ohne Pause. Diese Rolle hat mir gezeigt, wie man einen Bogen von Anfang bis Ende zieht und eine Show trägt. Es war anstrengend, aber ich habe sie geliebt. Im Moment bin ich vielleicht noch etwas jung für den Part, aber in ein paar Jahren würde ich Mrs. Lovett sehr gerne noch einmal spielen.

Du machst neben dem Musical auch deine eigene Musik. Was kannst du dort ausdrücken, was im Musical nicht möglich ist?
In meinen eigenen Songs erzähle ich meine persönlichen Geschichten. Natürlich bringt man auch in eine Musicalrolle etwas von sich selbst ein, aber am Ende ist die Handlung vorgegeben. Meine Musik ist dagegen ein ganz freier Output. Ich habe genug erlebt, um daraus Songs zu machen, die vielleicht auch andere inspirieren. Auf der Bühne mit meinen eigenen Stücken bin ich einfach ich. Da gibt es keinen Regisseur, der mir sagt, wohin ich gehen soll und was ich machen muss. Ich bin die Chefin, ich entscheide, wie es aussieht und klingt. Genau deshalb ist meine Musik so wichtig für mich.

Du hast auch schon eine kleine Clubtour gespielt. Wie unterscheidet sich das Gefühl, auf einer Musicalbühne zu stehen, von einem eigenen Konzert?
Das ist ein ganz anderes Feeling. Im Musical bist du Teil eines Ensembles, gemeinsam in einer Geschichte. Das ist wunderschön. Aber bei einem Konzert mit meiner Band geht es nur um meine Story. Meine Musiker sind da, um mich zu unterstützen, damit meine Songs beim Publikum ankommen. Diese Freiheit, einfach ich zu sein, ist unbeschreiblich.

UZOH (Foto: Dominik Lapp)

Du bist auch auf TikTok erfolgreich, wo du eine deutlich größere Reichweite hast als auf Instagram. Wann hast du gemerkt, dass das richtig Fahrt aufnimmt?
Eigentlich habe ich das bis heute nicht so richtig realisiert. (lacht) TikTok war gar nicht geplant. Ich hatte die App nur runtergeladen und nie ernsthaft genutzt. Dann habe ich ein Video von der „Hercules“-Pressekonferenz gepostet, in dem ich einfach sagte: „Guess what happened – ich bin eine Muse!“ Das ging ein bisschen viral, und plötzlich wollten viele wissen, wie der Job als Musicaldarstellerin eigentlich aussieht. Ich habe dann angefangen, Fragen per Video zu beantworten, und das kam richtig gut an. Während der Proben habe ich einmal pro Woche ein kurzes Update gepostet. So hat sich das organisch entwickelt. Einige aus meiner Community, die vorher nichts mit Musical am Hut hatten, sind durch mich ins Theater gegangen. Ich glaube, das liegt daran, dass ich sehr offen bin. Ich spreche sowohl über die positiven als auch die schwierigen Seiten des Berufs.

Du hast während der intensiven Probenzeit trotzdem regelmäßig gepostet. Andere verschwinden in dieser Zeit monatelang aus Social Media. Wie hast du das geschafft?
Ich glaube, ich habe einfach eine Workaholic-Mentalität. Ich musste in meinem Leben immer hart arbeiten. Wenn ich etwas anfange, will ich es auch durchziehen. Bei „Hercules“ hatten wir Proben, PR-Termine, Medienauftritte – und trotzdem habe ich Content produziert. Für mich ist das Videoschneiden sogar eine Art Meditation. Im Zug oder abends vor dem Schlafengehen schneide ich Clips. Das entspannt mich. Natürlich gibt es auch Tage, an denen ich keine Lust habe, und das ist okay. Aber im Großen und Ganzen habe ich mich so sehr daran gewöhnt, dass es Teil meines Alltags ist.

Du trittst inzwischen auch im Musical – und nicht mehr nur bei deinen eigenen Musikprojekten – unter deinem Künstlernamen UZOH auf. Warum diese Entscheidung?
Früher habe ich meine Musikprojekte unter UZOH veröffentlicht und im Musical meinen bürgerlichen Namen benutzt. Irgendwann hat das für Verwirrung gesorgt. Denn manche kannten mich aus der Musik, andere vom Theater, und niemand wusste so richtig, dass es dieselbe Person ist. Für mich war klar: Alles, was Kunst ist, läuft jetzt unter UZOH – egal ob Musik, Musical oder etwas anderes. Das gibt mir auch mental eine klare Trennung zwischen meinem öffentlichen und meinem privaten Leben.

Was reizt dich aktuell mehr: Eine neue Musicalrolle, eigene Musikprojekte oder etwas ganz anderes?
Ich lasse alles auf mich zukommen. Was ich gelernt habe: Mit acht Shows pro Woche bleibt kaum Zeit für eigene Musik. Das war auch ein Grund, warum ich meinen Vertrag bei „Hercules“ nicht verlängert habe. Ich wollte Raum für eigene Songs schaffen. Die letzten Monate war ich deshalb fast nur im Studio, habe an meinem Sound gearbeitet und mit tollen Menschen Songs geschrieben. Mein Ziel ist, Musical und meine Musik so zu kombinieren, dass beides parallel möglich ist und ich nicht das eine für das andere aufgeben muss.

Interview: Dominik Lapp

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Dominik Lapp ist ausgebildeter Journalist und schreibt nicht nur für kulturfeder.de, sondern auch für andere Medien wie Lokalzeitungen und Magazine. Er führte Regie bei den Pop-Oratorien "Die 10 Gebote" und "Luther" sowie bei einer Workshop-Produktion des Musicals "Schimmelreiter". Darüber hinaus schuf er die Musical-Talk-Konzertreihe "Auf ein Wort" und Streaming-Konzerte wie "In Love with Musical", "Musical meets Christmas" und "Musical Songbook".