Gelungen: „Oh wie schön ist Panama“ in Mainz
Seit Juli 2025 ist aus dem ehemaligen Galli-Theater in Mainz das MUCK-Familientheater geworden. Anna Hinrichs und Kim Reuter wagten den Sprung in ein eigenes kleines Theater mit einem eigenen Konzept. Jetzt folgt mit „Oh wie schön ist Panama“ konsequenterweise das erste eigene Stück. Mit einer Adaption von Janoschs Kinderbuch-Klassiker liefern sie den Beweis, dass sie, obwohl es sich nur um ein kleines Ensemble handelt, ganz oben mitspielen können.
Das Bürgerhaus in Bodenheim ist ausverkauft, gespannt warten kleine und große Zuschauer darauf, ins Land ihrer Träume entführt zu werden. Auf der Bühne ist das Wohnräumchen von Tiger und Bär zu sehen. Die Wand zeigt eine freundliche, gelbe Tapete, einen Herd mit rotem Topf, ein bisschen Gemüse über dem Herd, ein Fenster, vor dem eine Socke hängt, und ein Porträt vom kleinen Tiger und dem kleinen Bären. Dieses Bild ist komplett handgemalt (Anna Hinrichs). Davor steht ein Tisch mit einer grün-weiß karierten Tischdecke, darauf ein Blumenstrauß und ein roter Topf. Rechts und links des Tisches haben zwei braune Hocker Platz gefunden. Am linken Bühnenrand ist Schilf aus bemaltem Holz zu sehen. Machen sich Tiger und Bär auf die Reise, dann wird das Wohnzimmerbild von einer – ebenfalls mit Liebe zu Farbe und Detail – selbstgemalten Landschaft mit großem Sonnenblumenfeld verdeckt. Wahlweise kann ein gemalter Busch, der umgedreht ein rotes Sofa zeigt (die Wohnung von Hase und Igel), eingeschoben werden.
Die Requisiten sind einfach, aber wirkungsvoll: Die braunen Hocker werden gedreht zu grünen Büschen, silbernen Tonnen oder dem roten Sofa. Der kleine Bär nimmt eine Angel mit, der kleine Tiger den roten Topf und natürlich eine überdimensionale Tigerente, sodass sie auch in der letzten Reihe gut zu sehen ist.
Ebenfalls mit viel Liebe zum Detail sind die Kostüme der Darstellenden entworfen (Beate Steinbronn). Der kleine Bär hat eine Kopfbedeckung mit großen Ohren aus Plüsch und einen Pullover aus demselben Stoff. Natürlich ist der Bauch wohlgenährt. Weiterhin trägt er eine braune Latzhose mit hellbrauner Tasche vorn. Der kleine Tiger hat ebenfalls eine Kopfbedeckung. Sie ist in den für diesen Charakter typischen Farben gelb und schwarz gestaltet. Kleine Ohren sind zu sehen und selbst der charakteristische Haarflaum der Buchvorlage hat in dieses Kostüm Einzug gehalten. Auch der kleine Tiger trägt eine Latzhose. Allerdings ist sie kürzer, so dass seine gelb-schwarz gestreiften Beine gut zur Geltung kommen. Die Kostüme der übrigen Tiere sind – die Kuh ausgenommen – etwas weniger detailliert, was das schnelle Umziehen erleichtert. Dennoch sind sie nicht minder liebevoll gestaltet und jedes Tier ist gut zu erkennen.
Anna Hinrichs hat den Text des 47 Jahre alten Kinderbuch-Klassikers sehr feinfühlig modernisiert, ohne die ursprüngliche Geschichte und deren Kern zu verfälschen. Kim Reuter hat dazu Lieder geschrieben, die sofort ins Ohr gehen, sei es fröhlich beschwingt („Komm, wir gehen nach Panama“) oder melancholisch-nachdenklich („Im Regen – Wenn du ’nen Freund hast“). Die fetzige Nummer des Igels („Das rote Sofa“) hätte ruhig etwas länger gehen können, denn es hat Ohrwurm-Potenzial.
Dass Hinrichs und Reuter schon lange ein eingespieltes Team sind, merkt man ihnen an. Sie übermitteln beide eine riesige Spielfreude, sind sprachlich und gesanglich hervorragend zu verstehen und beziehen in ihren Rollen die kleinsten Zuschauer immer mal durch geschickte Fragen mit ein. Sie haben nicht umsonst eine Kategorie des „Mitmuckens“ in ihr Theater integriert. Während ihrer Reise nach Panama finden Tiger und Bär auch immer mal wieder den Weg ins Publikum und lassen dadurch das Publikum zu Erlebenden werden. Insbesondere für Kinder ist es sehr aufregend, den kleinen Tiger und den kleinen Bären einmal ganz nah zu sehen.
Michaela Nelson ist ausgebildete Musicaldarstellerin, was man insbesondere bei ihrer singenden Krähe beeindruckend wahrnehmen kann – geht sie dort schon opernhaft, glockenklar in die Höhen. Außer der Gans, die durch eine Handpuppe mit großen Kulleraugen verkörpert und durch Anna Hinrichs vertont wird, spielt sie alle Tiere, die dem kleinen Tiger und dem kleinen Bären begegnen. Und dies sind einige: eine Maus, eine Kuh, ein Fuchs, ein Igel und eine Krähe. Dabei weiß sie die Tiere körpersprachlich und stimmlich gekonnt voneinander zu unterscheiden; während ihre piepsige, tanzende Maus die Kinder im Publikum herzlich zum Lachen bringt, jagt der fiese Fuchs einigen unter ihnen ein wenig Angst ein. Ihr cooler Igel liefert mit „Das rote Sofa“ den rockigsten Song des Stücks. Leider ist sie als Igel nicht so gut zu verstehen, da sie in der Rolle sehr verwaschen und schnell spricht und im Lied die Tonabmischung (Alicia Karatas) die Musik im Verhältnis zum Gesang zu laut eingestellt hat. Dennióch leistet Karatas in der Technik einen tollen Job, da sie nicht nur das Tonverhältnis, sondern auch das Licht zu steuern hat und hier immer auf dem Punkt ist.
Insgesamt kann man sich auch als Erwachsener mit „Oh wie schön ist Panama“ ins Land der Träume entführen lassen und vom Alltag abschalten, was in der heutigen Zeit sehr dankbar ist. Die Botschaft, dass Zuhause auch dort ist, wo Freunde sind, kommt klar heraus. Ein paar kleine Premieren-Ungereimtheiten machen die gesamte Darstellung nur umso sympathischer: Warum lässt der kleine Bär seine Angel beim Zelt zurück und vermisst sie gar nicht? Auch der rote Topf geht unterwegs unbemerkt verloren. Dennoch ist dem MUCK-Theater ein fulminanter, sehens- und hörenswerter Einstand gelungen. Das macht Lust auf mehr.
Text: Anna-Lena Noll

