Interview mit Niklas Roling: „Ich freue mich immer, wenn ich steppen darf“
Mit „Titanic“ und „Priscilla“ haben die Freilichtspiele Tecklenburg in der Saison 2025 zwei gegensätzliche Produktionen gezeigt – und Niklas Roling war in beiden zu sehen, ebenso im Familienmusical „Shrek“. Im Interview erzählt der gebürtige Nordhorner, was ihm von diesem Sommer in Erinnerung geblieben ist, was ihn an queeren Themen auf der Bühne bewegt, warum er lieber Bariton als Pop-Tenor ist und was Steppen für ihn bedeutet.
Die Freilichtspiele Tecklenburg haben in der Saison 2025 mit „Titanic“ und „Priscilla“ zwei sehr unterschiedliche Musicals gezeigt. Wie hast du als Darsteller den Kontrast erlebt?
Das war spannend. Allein körperlich war’s ein Unterschied – bei „Priscilla“ High Heels, bei „Titanic“ Anzugsschuhe. „Titanic“ war stärker auf Musik und Gesang ausgerichtet, „Priscilla“ dagegen ein Workout – rennen, tanzen, Treppen steigen. Ich fand es großartig, dass es so verschieden war: Einmal tiefste Trauer, einmal eine queere Party. Schade war, dass „Priscilla“ erst später richtig Publikum zog. Aber lieber spät als nie – es ist ein wichtiges Stück, das zeigt, dass Queerness viele Facetten abseits von den üblichen Klischees hat.
Welche Momente sind dir besonders in Erinnerung geblieben?
Definitiv die Taschentuch-Aktion bei „Titanic“, als das ganze Publikum mit Taschentüchern winkte. Und das Video, das wir mit dem „Priscilla“-Team nach dem homophoben Angriff in Schwäbisch Hall gemacht haben – das war uns allen wichtig.

Wie kam es zu diesem Video?
Ich hatte den Vorfall erst gar nicht richtig mitbekommen. Kolleginnen aus Klagenfurt erklärten mir, was in Schwäbisch Hall passiert war, und ich fand das heftig. Schwäbisch Hall ist ja wie Tecklenburg ein kleiner Ort – da fragt man sich schon: Kann uns das hier auch passieren? Ich war stolz, dass Tecklenburg so offen ist. Das Video sollte zeigen: Wir stehen zusammen. Die Resonanz war großartig. Ich hatte Glück, bereits als Kind meine Freizeit auf einer Freilichtbühne, einer für mich queerfreundlichen Umgebung, verbringen zu dürfen, weshalb Theater für mich immer ein Safe Space war – und genau den gilt es zu schützen.
Ihr macht viele Backstage-Videos und TikToks. Wie wichtig ist Social Media heute für euch?
Sehr wichtig – es ist die neue Premierenfeier. Ich mache das, wenn ich Lust habe. Andere sind da viel aktiver. TikTok habe ich nicht, aber auf Instagram bin ich recht präsent. Man vernetzt sich, sieht Ausschreibungen, bleibt im Gespräch. Ich habe ein Semester Kommunikationsmanagement studiert – da sage ich gern scherzhaft, ich wüsste genau, wie man Social Media macht. (lacht) Eigentlich interessiert mich aber einfach, was andere auf und hinter der Bühne tun.
Letztes Jahr war noch Radulf Beuleke Vorsitzender der Freilichtspiele Tecklenburg, seit diesem Jahr ist es Markus Söllner. Hat sich etwas verändert?
Eigentlich nicht. Uns wurde zu Beginn der Saison gesagt, es bleibe erst mal alles wie gewohnt. Für die Zukunft gibt’s Ideen, beispielsweise, um die Probenzeit zu erleichtern – drei Produktionen sind viel. Alle sind unglaublich engagiert, die Bühne ist in besten Händen. Ich war zehn Jahre bei den Freilichtspielen Bad Bentheim ehrenamtlich aktiv, wo ich mit neun Jahren angefangen habe. Tecklenburg fühlt sich für mich daher fast wie ein Zuhause an. Diese Mischung aus Professionalität und Ehrenamt macht den Ort so besonders.

Du hast in der Vergangenheit wiederholt mit der Regisseurin Andrea Schwalbach gearbeitet – in Heidelberg und in Klagenfurt. Was schätzt du an ihr?
Ich bin in Klagenfurt sechs Tage vor Probenbeginn eingesprungen, da ich Andrea ein paar Monate vorher bei einer Audition für eine andere Produktion kennen lernen durfte. Ich mag vor allem ihre kreative Art und die angenehme und stets gutgelaunte Probenatmosphäre. Man fühlt sich bei ihr wohl. Ich hoffe sehr, dass wir bald wieder zusammenarbeiten.
In ihrer Inszenierung von „Singin‘ in the Rain“ in Heidelberg stehst du aktuell wieder auf der Bühne. Magst du solche Stücke?
Ja, sehr. Denn es ist ein klassisches Musical und ich bin ein Bariton, auch wenn viele einen Tenor in mir hören. Meine Stimme ist trotz großer Range einfach fett – meine Professorin nannte sie „mein Monster“. (lacht) Pop-Tenor-Partien wie Robbie in „Soho Cinders“ machen mir auch sehr viel Spaß, und ich mag fürs Spiel die Sprachnähe in moderneren Musicals sehr. Aber in einer klassischen Bariton-Range fühle ich mich wohler. Ich liebe Herausforderungen, aber nicht jede Produktion soll sich anfühlen, als dürfte ich vor einer Show nichts Falsches essen oder atmen. Im klassischen Musical kann ich einfach ich selbst sein – und darf oft steppen.
Ist das Steppen so ein Faible von dir?
Total! Ich liebe es generell zu tanzen und zu choreografieren. In Nordhorn hatte ich schon Stepp-Unterricht als Jugendlicher. Später nach meinem Studium in Osnabrück war ich mit einem Stipendium am Broadway Dance Center in New York – da habe ich gemerkt, wie sehr mir das liegt. In Deutschland ist es nicht so üblich, dass Jungs früh tanzen oder steppen – da hinkt man oft hinterher. Umso schöner war es, mich da reinzufuchsen. Ich freue mich immer, wenn ich steppen darf – sonst muss man sich ja selbst motivieren und allein im Tanzsaal üben. (lacht)

Gibt es eine Rolle, die auf deiner Bucketlist steht?
Früher wollte ich Olaf in „Die Eiskönigin“ spielen. Heute ist es Leo Frank aus „Parade“. Die Musik ist klassisch, aber nicht altmodisch, voller Emotionen. Der Song „How can I call this Home“ begleitet mich seit meinem Studium – da wusste ich: Das möchte ich unbedingt mal singen und spielen dürfen.
Welche Erfahrungen aus deinem Studium begleiten dich heute?
Vor allem aus dem Sprechunterricht: deutlich, aber nicht überdeutlich sprechen. Meine Eltern sind da ehrliche Kritiker – einmal meinten sie, ich würde lispeln. Das lag allerdings am Ton. Seitdem nutze ich beim Soundcheck immer Wörter mit S. (lacht) Auch der vokalpädagogische Teil war wichtig. Das Wissen hilft mir heute enorm. Wenn die Stimme mal nicht funktioniert, weiß man meist, woran es liegt. Ich bin froh, dort studiert zu haben.
Zum Schluss noch mal zum Thema Queerness: Wie wichtig sind queere Stoffe auf Musicalbühnen?
Sehr wichtig. Aber sie sollten nicht immer als queer betitelt werden – sie sollten es einfach sein. Queere Figuren sollen selbstverständlich dazugehören. Mich hat früher gestört, dass queere Charaktere oft klischeehaft dargestellt wurden: der schrille beste Freund, alles bunt und feminin. Ich habe mich da selbst nie gesehen. Heute sehe ich das ganz anders, aber es gibt immer noch Menschen, die Queers ablehnen, weil sie ihnen zu laut sind. Es gibt zudem auch queere Menschen, die sich selbst gar nicht als queer bezeichnen würden, die nicht Teil einer Pride Parade sein wollen, da sie sich vielleicht von Extrovertiertheit überrannt fühlen und einen anderen Lebensstil bevorzugen. Ich bekomme das immer öfter bei Mitmenschen, die nichts mit dem Begriff „queer“ zu tun haben wollen, mit und finde es sehr schade, diesen Disput innerhalb der queeren Bubble zu erleben. Denn die queere Bewegung soll und muss in diesen Zeiten unbedingt laut sein, aber wir müssen auch die weniger lauten Stimmen, vor allem die aus unserer eigenen Bubble, zu Wort kommen lassen und zusammenhalten. Ich wünsche mir daher auf lange Sicht Musicals, in denen Queerness einfach mitläuft, ohne Erklärtext. Außerdem müssen wir zuhören und verstehen, warum Menschen Vorbehalte haben, und nicht einfach sagen, dass sie falsch liegen. Wir sind nicht nur bunt und laut und alle etwas anders – wir sind vor allem Menschen.
Interview: Dominik Lapp