„La Juive“ (Foto: Sandra Then)
  by

Große Oper mit großen Gefühlen: „La Juive“ in Hannover

Liebe, Eifersucht und Missverständnisse – das alles steckt in der großen Oper „La Juive“ von Fromental Halévy. Als gewaltige Reflexion über Judenhass hat Regisseurin Lydia Steier das Werk in der Spielzeit 2019/2020 auf die Bühne der Staatsoper Hannover gebracht. Aufgrund des großen Erfolgs erlebte die Produktion jetzt eine vom Publikum erneut umjubelte Wiederaufnahme.

Die Inszenierung von Steier unternimmt eine Reise rückwärts durch die Zeit. So beginnt die Handlung, die eigentlich vor dem Hintergrund des Konstanzer Kirchenkonzils im Jahr 1414 spielt, in den USA der Fünfzigerjahre. Später geht es nach Deutschland ins Jahr 1929, ins Stuttgart des Jahres 1738, auf die Iberische Halbinsel im Jahr 1492 und erst im letzten Akt nach Konstanz im Jahr 1414.

Das funktioniert sehr gut, denn die Zeitreise wirkt wie eine Art Zerrspiegel. Fünf Bilder betrachtet das Publikum wie durch einen Handyfilter. Dabei wirkt es, als würde die Handlung immer brutaler, je weiter es in der Geschichte zurückgeht. Letztendlich zeigt uns die Regisseurin aber lediglich, dass jedes dieser Bilder nur eine leicht veränderte Darstellung unserer eigenen Gesellschaft ist, dass man sich die Hände schmutzig macht, wenn Gewalt mit Gewalt bekämpft wird, dass das Gute relativ ist, weil es das Gute an sich gar nicht gibt.

„La Juive“ (Foto: Sandra Then)

Momme Hinrichs (Bühnenbild und Video) und Alfred Mayerhofer (Kostüme) haben die Story optisch wunderbar verpackt. Wir sehen farbenfrohe Barockkostüme, Puderlocken, Hochsteckfrisuren, einen Cadillac. Die Titelheldin stirbt später in einem Tank mit sprudelnd heißem Wasser, ihr vermeintlicher Vater sitzt in einem dunklen Kerker. Das alles hat einen enorm hohen Schauwert – hier wird groß aufgefahren, sowohl inszenatorisch als auch musikalisch, weshalb die knapp dreieinhalb Stunden wie im Flug vergehen.

Die Sopranistin Hailey Clark erweist sich hierbei als absolute Idealbesetzung für die Titelrolle. Mit großartiger Intensität singt sie Rachel, die Jüdin, liefert sich ganz dem dramatischen Augenblick aus und kann damit tief berühren. Mercedes Arcuri singt mit gleißendem Sopran und absolut höhensicher die Prinzessin Eudoxie. Sunnyboy Dladla begeistert als Léopold mit einem angenehmen tenoralen Wohllaut, als Kardinal Brogni orgelt Shavleg Armasi wuchtig und eindrucksvoll im Bassregister und Charles Workman beweist den nötigen selbstbewussten Habitus und die stimmliche Strahlkraft, um die vielschichtige Partie des Éléazar mit großer Risikobereitschaft zu singen. Als stimmstark erweist sich zudem der von Lorenzo Da Rio exzellent einstudierte Opernchor.

Doch nicht nur auf der Bühne wird ein musikalisches Feuerwerk gezündet, sondern auch im Orchestergraben. Generalmusikdirektor Stephan Zilias dirigiert das Niedersächsische Staatsorchester perfekt mit Esprit und Nachdruck. Die Musikerinnen und Musiker lassen Halévys farbenreiche, zauberhafte Musik erstrahlen und den Spannungsbogen nie abreißen. Ein wahrhaft großer Opernabend mit großen Gefühlen!

Text: Dominik Lapp

Dominik Lapp ist ausgebildeter Journalist und schreibt nicht nur für kulturfeder.de, sondern auch für andere Medien wie Lokalzeitungen und Magazine. Er führte Regie bei den Pop-Oratorien "Die 10 Gebote" und "Luther" sowie bei einer Workshop-Produktion des Musicals "Schimmelreiter". Darüber hinaus schuf er die Musical-Talk-Konzertreihe "Auf ein Wort" und Streaming-Konzerte wie "In Love with Musical", "Musical meets Christmas" und "Musical Songbook".