„La Bohème“ (Foto: Dominik Lapp)
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Voller Höhepunkte: „La Bohème“ in Dortmund

Es war schon lange ein Traum von Gil Mehmert, einmal die Oper „La Bohème“ von Giacomo Puccini und parallel das darauf basierende Musical „Rent“ von Jonathan Larson an einem Theater im selben Bühnenbild zu inszenieren. Wahr geworden ist dieser Traum jetzt an der Oper Dortmund. „La Bohème“ gehört nach wie vor zu den am häufigsten aufgeführten Opern weltweit – und Mehmert schafft es mit seiner Inszenierung, einerseits die Erwartungen des Publikums zu erfüllen und andererseits dem Stück frischen Schwung zu verleihen.

Da ist zunächst das sehenswerte Bühnenbild von Jens Kilian, das sowohl das Paris des 19. Jahrhunderts („La Bohème“) als auch das New York des 20. Jahrhunderts („Rent“) visualisiert. Lediglich die Stadt-Silhouette im Hintergrund ist bei Oper und Musical unterschiedlich. Im ersten und vierten Bild ist nicht das klassische Mansardenzimmer, sondern vielmehr eine Art Gewächshaus auf dem Falchdach eines Bürgerhauses zu sehen. Durch Hubpodien fährt im zweiten Bild dann das Café Momus aus dem Bühnenboden nach oben und lässt das Quartier Latin entstehen, das sich im dritten Bild zu einem Theater am Pariser Stadtrand verwandelt. Auch die Kostüme von Falk Bauer spiegeln Zeit, Ort und Charaktere wunderbar wider, zudem schafft das wunderbare Lichtdesign von Michael Grundner einer immerzu passende Atmosphäre, so dass das Publikum optisch in vielerlei Hinsicht sehr verwöhnt wird.

Doch nicht nur visuell überzeugt „La Bohème“, sondern auch musikalisch. Sergey Romanovsky begeistert als leidenschaftlicher und gefühlvoller Poet Rodolfo mit einem beeindruckenden stimmlichen Schmelz. Besonders in den Szenen, in denen Rodolfo Trauer und Verzweiflung ausdrückt, gelingt Romanovsky eine emotionale Darbietung. Anna Sohn verkörpert Mimi genauso zart wie eindrucksvoll und verzaubert mit ihrem glockenklaren Sopran. Ihre Entwicklung von der anfänglich schüchternen Mimi zur leidenden und von Krankheit gezeichneten Frau ist ergreifend. In den Duetten harmonieren Romanovsky und Sohn perfekt miteinander und liefern einige musikalische Höhepunkte.

Rinnat Moriah gelingt ein unvergesslicher Auftritt als hinreißende Musetta – sowohl optisch als auch stimmlich. Ihr Part wird vom Publikum mit Begeisterung aufgenommen. Mandla Mndebele verleiht dem Maler Marcello mit seiner kraftvollen Stimme Ausdruck, Morgan Moody zeichnet dem Musiker Schaunard ein starkes Profil und Denis Velev in der Rolle des Philosophen Colline überzeugt mit seinem tiefen Bass. Ebenfalls verdient Chorleiter Fabio Mancini Lob für die präzise Einstudierung von Chor und Kinderchor.

Ein weiteres Highlight von „La Bohème“ ist zweifelsohne die Musik von Giacomo Puccini. Die Dortmunder Philharmoniker, dirigiert von Gabriel Feltz, meistern den Spagat zwischen leisen Nuancen und großen, aufblühenden Melodien auf herausragende Weise. Feltz leitet seine Musikerinnen und Musiker leidenschaftlich an und versteht sich darauf, Puccinis Werk mal schmerzhaft-dramatisch und dann wieder sanft und zart, mal beseelt und schließlich tieftraurig klingen zu lassen.

All diese Stimmungen vermag auch Regisseur Gil Mehmert in seiner Inszenierung durchblitzen zu lassen. So orientiert er sich stark am Libretto von Luigi Illica und Giuseppe Giacosa, wenn er die Charaktere zwischen Streit und Depression, Komik und Pathos, Verspieltheit und Emotion wechseln lässt und einen Bogen spannt, der im großen Finale – der Sterbeszene Mimis – seinen emotionalen Höhepunkt findet.

Text: Dominik Lapp

Dominik Lapp ist ausgebildeter Journalist und schreibt nicht nur für kulturfeder.de, sondern auch für andere Medien wie Lokalzeitungen und Magazine. Er führte Regie bei den Pop-Oratorien "Die 10 Gebote" und "Luther" sowie bei einer Workshop-Produktion des Musicals "Schimmelreiter". Darüber hinaus schuf er die Musical-Talk-Konzertreihe "Auf ein Wort" und Streaming-Konzerte wie "In Love with Musical", "Musical meets Christmas" und "Musical Songbook".