Julie Sekinger (Foto: Dominik Lapp)
  by

Interview mit Julie Sekinger: „Jede Partie ist eine Herausforderung“

Julie Sekinger hat klassischen Gesang in Frankfurt am Main studiert, ist Finalistin des Bundeswettbewerbs Gesang 2020 und trat nach ihrem Studium direkt ein Festengagement im Opernensemble des Theaters Osnabrück an, wo sie von 2021 bis 2023 mehrere Partien sang. Jetzt wechselt sie an die Staatsoperette Dresden, lässt im Interview die zwei Jahre in Osnabrück Revue passieren und spricht außerdem über Rollenstudium, Social Media sowie Herausforderungen.

Wie ist der Wunsch in dir herangewachsen, Opernsängerin zu werden? Bist du mit klassischer Musik aufgewachsen?
Ich glaube, es gab nie einen Zeitpunkt, an dem ich nicht gesungen habe. Man hat es bei mir schon früh bemerkt, dass ich viel gesungen habe. Geprägt hat mich außerdem, dass ich in einer künstlerischen Familie aufgewachsen bin, auch wenn es keine Musikerfamilie ist. Mein Vater ist Maler und Bildhauer, weitere Künstler gibt es ebenfalls in der Familie. So bin ich also in einem Umfeld mit viel Kunst und Musik aufgewachsen. Mit etwa elf Jahren war ich das erste Mal in der Oper und habe „Hänsel und Gretel“ gesehen. Das war besonders, weil so viele Künste zusammengekommen sind: Bühnenbild, Musik, Gesang. Für mich war das ein Gesamtkunstwerk. Irgendwann habe ich dann im Kinderchor gesungen, mit 15 Jahren kam Gesangsunterricht dazu.

Am Theater Osnabrück hast du 2021 dein erstes Festengagement angetreten. Wie war das damals, als es für dich aus dem Studium direkt in ein festes Opernensemble ging?
Das war eine unglaubliche Zeit. Ich habe 2020 am Bundeswettbewerb Gesang teilgenommen. Dass dieser trotz der Corona-Pandemie überhaupt stattfinden konnte, war wirklich toll. Aber entsprechende Auflagen gab es natürlich auch. Man durfte zum Beispiel erst zehn Minuten vorher ins Gebäude, es gab keine Proben mit dem Pianisten und es wurde live im Internet übertragen. Das war wahnsinnig, doch es sind einige Leute auf mich aufmerksam geworden. Dadurch bin ich letztendlich auch zum Vorsingen fürs Theater Osnabrück gekommen. Als ich dann startete, war das natürlich ganz anders als im Studium. Ich hatte zuvor schon in Opernproduktionen gesungen, aber jetzt in diesem Opernalltag zu sein, war eine große Veränderung.

Viele Sängerinnen und Sänger arbeiten frei. War es rückblickend gut für dich, nach dem Studium erst einmal in der geschützten Atmosphäre eines Festengagements in den Berufsalltag zu starten?
Man kann definitiv sagen, dass es ein riesengroßes Glück war – aber auch harte Arbeit. Es gibt Menschen, die klassischen Gesang studieren und hinterher gar nicht in dem Beruf arbeiten. Ich bin also sehr dankbar, dass ich das machen kann. Manche gehen nach dem Studium erst einmal in ein Opernstudio, wo man auch noch einen Ausbildungsaspekt dabeihat und mit kleineren Partien beginnt. Direkt im Opernensemble anzufangen, war ein riesengroßer Sprung, da ich so nicht die Möglichkeit hatte, relativ ruhig zu beginnen. Meine erste Produktion in Osnabrück war zwar noch eine kleine Partie in „Fremde Erde“, aber danach kam gleich Adele in „Die Fledermaus“. Das war noch mal eine ganz andere Nummer, wenn man fast ununterbrochen auf der Bühne steht. Es war auch eine besondere Zeit. Vorher durfte ich bereits eine große Partie in einer Donizetti-Oper an der Hochschule singen, habe es sehr lange geprobt, aber es ist wegen Corona nicht zur Aufführung gekommen. Dieser Sprung aus dem Studium in den Job war somit noch größer, weil es aus der Pandemie heraus, wo alles ausgebremst war, plötzlich richtig losging.

Zwei Spielzeiten hast du in Osnabrück hinter dir: Was waren deine persönlichen Highlights in dieser Zeit?
Ein Highlight war auf jeden Fall mein Liederabend, weil ich da selbst ein Programm gestalten durfte. Ich habe Stücke ausgewählt, die vielleicht nicht bei jedem Liederabend dabei sind. Die positiven Rückmeldungen des Publikums zu der Auswahl haben mich wahnsinnig gefreut. Ein weiterer Höhepunkt war Adele in „Die Fledermaus“, weil ich viele Facetten und Stärken meiner Stimme zeigen konnte. Die C-Moll-Messe im Dom war ebenfalls ein wunderschönes Konzert, das mir gut in Erinnerung geblieben ist.

Gibt es Partien in den vergangenen zwei Jahren, die dich besonders herausgefordert haben?
Jede Partie ist eine Herausforderung, weil man immer wieder verschiedene Details aus sich herausholen muss und jede Partie ein neues Ich benötigt.

Operngala Osnabrück 2022, Julie Sekinger (Foto: Dominik Lapp)

Künftig bist du Ensemblemitglied der Staatsoperette Dresden. Auf Instagram hast du geschrieben, dass du dich auf die neuen Aufgaben dort freust, die perfekt für deine Stimme sind. Kannst du das näher erläutern?
Ich finde, für den Entwicklungsstand meiner Stimme sind die Partien, die ich in Dresden singen werde, genau richtig. Ich sehe also, dass es stimmlich in die richtige Richtung geht und vielleicht mal lyrischer wird. Auch wenn der Name der Staatsoperette etwas anderes verspricht, sind an dem Haus nicht nur Operetten zu sehen. Ich werde dort neben Operetten ebenso Opern singen.

Du bist recht aktiv auf Instagram. Wie wichtig sind soziale Medien heutzutage für Sängerinnen und Sänger?
Ich finde es zunächst mal sehr schön, wie einfach ich als Sängerin dank der sozialen Medien mit Menschen in Kontakt bleiben kann. Trotz vieler Wohnortwechsel kann man immer verfolgen, wo die Kolleginnen und Kollegen gerade sind. Das ist eine sehr schöne Seite der sozialen Medien. Ich habe außerdem das Gefühl, dass sie immer wichtiger werden. Man sieht, dass Agenturen und Theater in dem Bereich sehr aktiv sind. Eine gewisse Sichtbarkeit dort zu haben, ist also schon von Bedeutung. Außerdem finde ich es sehr schön, dadurch die Möglichkeit zu einem Austausch mit dem Publikum zu haben. Ich freue mich immer wahnsinnig, wenn mir Opernbesucher schreiben und ich ein Feedback bekomme.

Du singst deutsche und italienische Partien. Welche Texte lernen sich leichter?
Das ist ganz individuell. Es gibt Leute, die Texte in einer Sprache leichter lernen als in einer anderen. Aber ich spüre da keinen großen Unterschied. Ich mag es sehr gern, dass ich in verschiedenen Sprachen singen kann. Das gehört für mich zur Faszination an meinem Beruf.

Wie studierst du eigentlich eine neue Partie ein? Hast du da ein festest Vorgehen?
Das variiert von Stück zu Stück. Aber natürlich gehe ich erst mal die Noten durch und schaue, was ich zu singen habe. Anschließend bereite ich mein Notenmaterial vor, höre mir manchmal Aufnahmen an. Am wichtigsten empfinde ich allerdings die Zusammenarbeit mit einem Pianisten, wobei ich mich gern so gut wie möglich selbst vorbereite, bevor ich in den Probenprozess starte. Wenn es eine Partie auf Italienisch ist, erachte ich es außerdem als wichtig, alles Wort für Wort zu kennen und zu übersetzen. Und es reicht natürlich nicht, nur die eigenen Texte zu kennen. Ich lerne also nicht nur meine Rezitative für „Titus“, sondern muss auch wissen, was vorher und hinterher passiert. (lacht)

Vor ein paar Monaten hast du in Osnabrück die „Titus“-Premiere und einen Tag später eine Vorstellung in Dresden gesungen – eine Partie in „Die lustigen Weiber von Windsor“, die du zuletzt drei Monate vorher gespielt hast. Wie frischst du das auf?
Das war tatsächlich eine komplett neue Situation für mich und sehr speziell, weil ich die Partie in Dresden ohnehin in einem sehr kurzen Probenprozess erarbeitet habe. Ich war dort nur bei den Endproben, weil ich für jemanden eingesprungen bin. Es war somit generell eine große Herausforderung. Als es dann nach drei Monaten Pause wieder nach Dresden ging, habe ich schon ein paar Tage vorher alles aufgefrischt, mich an die Musik erinnert und die Videos noch mal angesehen.

Worauf freust du dich am meisten in Dresden?
Am meisten freue ich mich darauf, wieder in einer großen Stadt zu leben. Durch mein Gesangsstudium in Frankfurt bin ich die Großstadt einfach gewohnt und weiß die Möglichkeiten sehr zu schätzen. Außerdem liebe ich es, dass Dresden sehr kulturreich ist. Wenn ich nicht gerade an einem Abend selbst auf der Bühne stehe, werde ich sicherlich sehr oft in der Semperoper zu Gast sein. (lacht)

Interview: Dominik Lapp

Dominik Lapp ist ausgebildeter Journalist und schreibt nicht nur für kulturfeder.de, sondern auch für andere Medien wie Lokalzeitungen und Magazine. Er führte Regie bei den Pop-Oratorien "Die 10 Gebote" und "Luther" sowie bei einer Workshop-Produktion des Musicals "Schimmelreiter". Darüber hinaus schuf er die Musical-Talk-Konzertreihe "Auf ein Wort" und Streaming-Konzerte wie "In Love with Musical", "Musical meets Christmas" und "Musical Songbook".