
Karolin Konert im Porträt: „Ich bin nicht meine Leistung – ich bin so viel mehr.“
Als unsere Redaktion Ende des Jahres 2024 die Musicaldarstellerin Karolin Konert in ihrer Garderobe von „Ku’damm 59“ im Theater des Westens in Berlin zum Videointerview traf, wurde schnell deutlich, dass wir eine junge, ambitionierte Frau vor uns hatten, die weitaus mehr zu erzählen wusste, als es das Videosetting damals zuließ. Neugierig geworden reisten wir diesen Sommer nach Fulda – in die Stadt, die Konert ihren Lebensmittelpunkt nennt; wo sie, ihr Mann Maximilian Becker und ihre kleine Tochter zuhause sind. Wir verbrachten einen gemeinsamen Tag und hatten die Möglichkeit, hautnah hinter die Kulissen zu blicken.
Wer ist eigentlich diese talentierte, stimmstarke und authentische Künstlerin, die sowohl im Theater als auch im Tonstudio und auf den Konzertbühnen dieses Landes zuhause ist? Was bedeutet es für sie, ihren Beruf, den sie liebt, und gleichzeitig ihre verantwortungsvolle Rolle als Mutter unter einen Hut zu bringen? Was hat sie bewegt, ihre Gefühle und Gedanken in Geschichten und Melodien umzuwandeln und somit ihre eigene Musik zu kreieren? Doch vor allem: Wer ist die inspirierende, lebensbejahende und äußerst warmherzige Frau hinter alldem wirklich?
Kindheit und erste musikalische Prägungen
„Ich bin sehr behütet groß geworden“, beginnt Karolin Konert das Gespräch auf die Frage nach ihrer Kindheit. „Mein Papa war in der Wirtschaft tätig und ist daher oft beruflich unterwegs gewesen, aber meine Mama hat zuhause alles zusammengehalten und auf uns aufgepasst. Von ihr habe ich diese unfassbare Verlässlichkeit und einen starken moralischen Kompass mitbekommen.“
Aufgrund der beruflichen Verpflichtungen des Vaters zog die Familie mehrmals um, aufgewachsen ist Konert in Ganderkesee bei Bremen. Doch anders, als man vielleicht bei ihrem Werdegang vermuten möge, entstammt sie keinem typisch musikalischen Elternhaus. „Sie waren beide von Grund auf Betriebswirte, absolut nicht musikalisch. Mein Papa und ich hatten lediglich einen ähnlichen Musikgeschmack. Wir standen damals schon auf diese krassen Balladen von Whitney Houston oder Celine Dion. Einmal sind wir extra eine weitere Runde um den Block gefahren, damit wir ‚My Heart will go on‘ noch mal im Auto hören konnten“, schmunzelt die heutige Sängerin bei der Erinnerung. „Meine Eltern waren zudem riesige Udo-Jürgens-Fans, was tatsächlich auf mich als kleines Kind abfärbte. Und ich wollte unbedingt Klavier spielen. Mein Bruder lernte es und da musste die jüngere Schwester natürlich mitziehen!“
Das Klavier wurde ihr ein treuer Begleiter, und auch die Welt des Musicals fand damals bereits leise, aber bestimmt ihren Platz im Leben der heutigen Darstellerin. „‚Sunset Boulevard‘ hat mich als Kind am allermeisten fasziniert – bis ‚Jekyll & Hyde‘ nach Bremen kam. Da war ich nun aber auch schon älter und rückblickend kann ich wirklich sagen: Es hat so unendlich viel mit mir gemacht. Immer, wenn ich heute Ethan Freeman begegne, denke ich: ‚Du bist mit der Grund, warum ich diese Leidenschaft entwickelt habe!‘“
„Jekyll & Hyde“ führte das damals junge Mädchen in eine völlig neue Welt. Anders als die ihr bereits bekannten Musicals, die immer eine gewisse Klassik innehatten, stellte Frank Wildhorn in seinen musikalischen Elementen Verbindungen her, die der Teenagerin so noch nie begegnet waren. „Lyn Liechty hat damals die Rolle der Lucy verkörpert“, erinnert sie sich. „Ich wünschte mir so sehr eine Karaoke-CD, denn ich habe es geliebt, im Booklet den Text zu lesen und alles von ihr mitzusingen – allerdings nur, wenn meine Eltern nicht zuhause waren. Sie hatte diese fantastische, klare Beltstimme, die ich vorher nicht kannte und die ich zum ersten Mal in meinem Leben mit Musical in Verbindung brachte. ‚Jekyll & Hyde‘ ist eine der Produktionen, die heute auf meiner Bucket-List stehen, und Lucy eine meiner Traumrollen. Hier stimmte schon damals für mich das Gesamtpaket, mit all diesen wahnsinnigen Emotionen!“
Vom Handball zur Musicalklasse
Zu diesem Zeitpunkt hatte Karolin Konert längst bemerkt, dass sie eine gute, klare Stimmführung besaß, was bereits im Chor in der Grundschule und später im Musikunterricht auffiel. Vor allem aber fand sie heraus, wie Musik und Stimme miteinander wirkten. „Durch das Klavier hatte ich bereits eine Tonvorstellung, war in der Intonation sicher und später sogar Teil einer semi-guten Band!“ Sie lacht bei dem Gedanken daran.
Und obwohl sie insgeheim von einer Karriere als Popsängerin träumte, verfolgte die ambitionierte Schülerin damals einen komplett anderen Plan: „Ich habe ganz lange Handball gespielt und hatte den Traum, es bis in die Nationalmannschaft zu schaffen“, erzählt sie. „Mit 15 Jahren riss ich mir tragischerweise mehrmals das Kreuzband und musste letztendlich den Sport aufgeben. Das war richtig schlimm für mich, ich war wahnsinnig unglücklich – mein ganzer Lebensinhalt wurde mir genommen.“
Eher zufällig kam Konert in dieser schwierigen Phase mit der Musicalklasse der Musikschule Delmenhorst in Verbindung. Dort erhielt sie erstmals die Möglichkeit, ihre Stimme mithilfe von Playbacks bewusst zu entfalten und intensiv kennenzulernen. „Endlich hatte ich eine instrumentale Begleitung, die wirklich zu meiner Stimme passte“, erinnert sie sich. „Ich bekam tolles Feedback und das Ganze nahm wahnsinnig schnell Fahrt für mich auf. Es wurde neben dem Abitur zum wichtigsten Bestandteil meines Lebens.“
Erste Schritte Richtung Musical
Parallel rückte auch der Wunsch nach einer Ausbildung zur Musicaldarstellerin zunehmend in den Fokus der Abiturientin. Dabei entschied sie sich zunächst für den vermeintlich sicheren Weg und begann, angelehnt an den Werdegang ihrer Eltern, ein Studium der Wirtschaftswissenschaften. Doch sie verließ die Uni bereits nach wenigen Wochen, um ihren Traum zu verfolgen. „Ich wollte es wenigstens versuchen und bewarb mich an den Hochschulen in Essen und München“, erzählt sie rückblickend.

Bei den Erinnerungen an ihre ersten Bewerbungsanfänge muss Karolin Konert heute herzlich lachen. „Lieder vorzubereiten war kein Problem, aber mit den Monologen tat ich mich schwer. Zu diesem Zeitpunkt hatte ich noch keinerlei Schauspielerfahrung. Ich entschied mich für ‚Maria Stuart‘, das kannte ich aus der Schule und lernte es auswendig. Am Tag der Aufnahmeprüfung in Essen war ich so aufgeregt. Beim Singen kam ich direkt weiter, aber beim Tanzen wusste ich nicht, wo rechts und links ist. Dabei hatte ich extra mein schönes Ballettdress angezogen und vor kurzem angefangen, Ballettstunden zu nehmen.“
Lächelnd fährt sie fort: „Aber sie waren ehrlich, als sie meinten: ‚Du singst fantastisch, hast tolle Anlagen – doch dein Schauspiel ist leider noch nicht weit genug, um das Tanzen zu kompensieren.‘“ Somit scheiterten die ersten Versuche, die Musicalliebe zum Beruf zu machen. Der Traum war vorerst ausgeträumt.
Der Weg nach Wien
„Ehrlich gesagt, haben sie bei der Audition nur den Finger in die Wunde gelegt, denn jetzt wusste ich, woran ich arbeiten muss“, schmunzelt die heutige Darstellerin. Doch bis zu ihrem Musical-Studium, das sie letztendlich am Konservatorium in Wien aufnahm, sollte es noch ein langer Weg sein. Immer an ihrer Seite als große Unterstützung: ihre Mutter.
„Meine Mama sagte, trotz aller Zweifel, die sie für diesen Berufsweg hatte, damals etwas ganz Wichtiges zu mir: ‚Ich verstehe, dass du den Wunsch noch in dir trägst, und wenn du jetzt das Gefühl hast, nicht alles dafür getan zu haben, dann wird es dir wahrscheinlich dein Leben lang schwerfallen, dich davon zu verabschieden.‘ Mein Papa hingegen tat sich mit dem Gedanken schwerer, als ich letztendlich sowohl in München als auch in Wien angenommen wurde. Ich erinnere mich daran, wie er meinte: ‚So, dann haben sie sich in München also nicht geirrt?‘“ Konert lacht. „Nein, hatten sie scheinbar nicht. Aber ich verstehe ihn. Es war alles auch aus einer Sorge heraus, dass ich im Leben nicht klarkomme und meinen Platz in der Arbeitswelt nicht finde. Er hätte mir mit seinem Werdegang meinen Weg gerne erleichtert, und das konnte er im Theater eben nicht. Aber ja – mein Herz entschied sich für Wien. Ich liebte die Stadt, den großartigen Kaffee überall, die Donauinsel, die Museen und – ganz wichtig – die VBW! Dort begann, nach langen Irrungen und mehreren Umwegen, meine Reise. Am Konservatorium. Richtig krass. Ich hab alles versucht, mich nicht für diesen Traum zu entscheiden, aber er hat immer wieder den Weg in mein Herz gefunden.“
Studienzeit und Leistungsdruck
Vier Jahre studierte Karolin Konert am Konservatorium in Wien Musikalisches Unterhaltungstheater. Auf die Frage, ob sie früh mit Druck und Konkurrenz in Verbindung kam, wird sie nachdenklich und nickt. „Wir waren neun im Jahrgang und ich war ein Ehrgeizling. Ich mochte es nicht, wenn jemand bevorzugt wurde, obwohl ich mindestens genauso hart gearbeitet hatte. Man muss aber verstehen, dass das meine ganz eigene, persönliche Geschichte ist: Mein ganzes Leben arbeitete ich, um etwas zu erreichen. Dadurch verschob ich mein Glück auf den Punkt, sobald ich etwas erreicht habe. Getreu dem Motto: ‚Wenn ich das schaffe, dann bin ich glücklich.‘ Und Spoiler: Es war nicht so. Auch an der Uni nicht, das vermeintlich große Ziel. Das Glück ist ausgeblieben, es war viel Frust, noch mehr Stress, und als ich nicht mehr konnte, half mir tatsächlich nur ein professionelles Coaching. Eine tolle Psychologin hat mit mir angefangen, aufzuarbeiten, was passiert ist.“
Sie wird still, überlegt eine Weile und fährt fort: „Die Scheidung meiner Eltern. Die Art, wie ich aufgewachsen bin: sehr leistungsorientiert – ich leiste, also bin ich. Ein Familiensystem, in dem ich mich immer angepasst habe. Wo es eben nicht so ist, dass man sich krankmeldet, wenn es einem schlecht geht, sondern dass man alles für seinen Job macht – und wenn die ganze Familie umzieht. Daraus resultierten für mich die Gedanken: Ich bin nur liebenswert und Glücklichsein wert, wenn ich etwas erreicht habe. Und das brach mir komplett das Genick.“

Im Nachhinein ist Karolin Konert sehr froh, diese Erfahrung durchlebt zu haben. „Für mich hing mein Selbstwert von externen Faktoren, insbesondere meiner Leistung, ab. Und auf einmal hieß es: ‚Du bist nicht deine Leistung, du bist so viel mehr!‘ Ich habe gelernt, den Prozess zu leben und mich mit meinen Unvollkommenheiten zu akzeptieren. Denn die hat man ja nun mal – Gott sei Dank!“ Etwas, das die junge Studentin lange nicht kannte und wodurch sie eine völlig neue Lebensqualität für sich entdeckte.
Offen und ehrlich spricht die heutige Musicaldarstellerin darüber, dass sie den Konkurrenz-Gedanken früh ablegte und auch mit sich selbst viel sanfter umgehen kann. „Es ist essenziell, dass man sich annimmt und nicht degradiert, denn es geht nicht nur um das Ziel, sondern doch auch um den Weg dahin. Um das Miteinander, Teamwork, Zusammenhalt und die Wertschätzung füreinander. Das ist mir auch heute in einer Cast wirklich sehr wichtig.“
Authentizität statt Anpassung
Im heutigen Berufsleben als Künstlerin hat Authentizität für Konert den größten Stellenwert. „Ich habe mich für Authentizität und gegen Anpassung entschieden“, sagt sie. „Anpassung wäre gewesen, dass ich etwas Gesellschaftskonformes studiere, weil es leichter in das Weltbild meiner Eltern gepasst hätte. Aber es entsprang meinem inneren Wunsch, Darstellerin zu werden!
Das Spannende ist: Es entspricht eigentlich nicht meinem geordneten Naturell, Künstlerin zu sein. Ich sehne mich nach Struktur, einem gefüllten Kalender, nach finanzieller Sicherheit. Und jetzt habe ich seit mittlerweile zehn Jahren die Möglichkeit, meine Musik zu machen, mich als Theaterperson kennenzulernen und davon meinen Lebensunterhalt zu bestreiten. Das hätte ich nie gedacht.“
Nachdenklich blickt die Künstlerin zurück auf ihre Anfänge, denn die waren trotz erster Erfolge nicht durchgehend rosarot. „Nach dem Studium habe ich erst einmal toll begonnen“, erzählt sie. „Bereits parallel zur Uni war ich Teil des Ensembles beim Musicalsommer Fulda. Hier lernte ich auch Max, meinen Mann, kennen, der damals bei spotlight musicals arbeitete. Als erste Engagements folgten ‚Sound of Music‘, ‚Mozart!‘ und ‚Tanz der Vampire‘, doch dann geriet meine Karriere ins Stocken, obwohl ich mich intensiv bemühte und tolles Feedback bekam. Aber es reichte selten für einen Job.
In dieser Zeit heirateten wir, und es fühlte sich so an, als würden alle bereits auf meinen Bauch schielen und sich fragen, ob ich bald schwanger werde. Ganz krasses Thema für darstellende Frauen! Zudem befand ich mich in einer blöden Zwischensituation. Vom Gesicht her war ich sehr jung, meine Körpergröße suggerierte aber etwas anderes. Diese Diskrepanz ließ sich schwer besetzen, was mir auch immer häufiger gesagt wurde. Und den Komplex trug ich in mir: Ich bin eigentlich zu groß für den Job, zu groß für die Welt. Man ist zu viel von etwas.
Die Struktur-Karo in mir war vollkommen fertig. Ich machte mir ernsthaft Sorgen um meine berufliche Zukunft und begann sogar parallel ein Fernstudium der Psychologie. Aber ich hielt durch, das Blatt wendete sich zum Guten, und somit habe ich mir das, was ich heute leben darf, hart erarbeitet.“
Auf die Frage, was sie trotz allem stets weiter antrieb, lächelt sie. „Ich hatte immer das Gefühl, dass ich auf der Bühne noch nicht das dagelassen habe, was ich eigentlich dalassen kann.“
Familie, Beruf und selbstgewählte Auszeiten
Mittlerweile ist Karolin Konerts Kalender gut gefüllt, so dass sie heute mehr von selbstgewählten Auszeiten als von Durststrecken spricht. Anfragen zu Engagements und Rollen ehren sie, denn oftmals hat die Künstlerin das große Glück, direkt kontaktiert oder zum Vorsingen eingeladen zu werden. „Eine wahnsinnig schöne Entwicklung“, gibt sie zu. „Aber es ist auch okay, wenn es sich erneut verändert und ich wieder mehr zu Auditions gehe. Doch dadurch, dass ich Mama bin, kommt nicht alles für mich infrage. Denn das ist meine Verpflichtung: Ich habe mich ernsthaft für diese Menschen entschieden, für meine Tochter in ganz besonderem Maße, und ich möchte sie nicht mitziehen wie auf dem Abstellgleis.“

Ihre kleine Familie rund um ihre viereinhalbjährige Tochter bedeutet Karolin Konert alles; die Augen leuchten, als sie beginnt zu erzählen. „Sie ist gerade an einem Punkt, wo sie wirklich alles begreifen will und sich auch bereits mit ihren Fragen versucht, Zusammenhänge und Konsequenzen abzuleiten. Das bedeutet natürlich auch, dass sie es mittlerweile richtig mitbekommt und versteht, wenn ich oft unterwegs bin. Ich ermutige sie, ihre Gefühle zuzulassen, aber sage ihr auch, dass ich mit gutem Gewissen fahren kann, weil ich weiß, dass sicher auf sie aufgepasst wird.“
Ein gemeinsamer Kalender oder ein runder Tisch in der Familie, so dass jeder über Kita-Abholzeiten oder wichtige Termine informiert ist, sind somit keine Seltenheit. „Der Elternteil vor Ort ist immer in der primären Verantwortung, aber auch die Großeltern und meine Mama sind eine riesige Stütze. Somit kann Max, der mittlerweile selbstständig tätig ist, seine Aufträge als freischaffender Musiker und Musikproduzent annehmen. Diese Flexibilität zu wissen, ist für uns ein sehr großer Gewinn. Es bedarf einfach ganz viel Liebe, Willen, Anstrengung und Hilfe.“
Aufwachsen mit Musik
Im Gegensatz zu Konert selbst ist ihre Tochter ein Kind, das von Musik umgeben aufwächst. „Sehr häufig bekommen wir zu hören: ‚Mama, Papa, nicht singen!‘ Bei uns wird alles zum Lied, sie lebt in einem Musical. Fehlt nur noch, dass sie morgens von kleinen Vögelchen angezogen wird!“ Sie lacht und fährt fort: „Bei einem Konzert von mir war sie einmal dabei, aber das war noch nichts für sie, da hatte ich am Ende ein tränenüberströmtes Kind auf dem Arm, weil sie das Ganze überhaupt noch nicht einordnen konnte. Schöner ist es, wenn sie zum Beispiel im Theater mit in die Maske darf oder zum Warm-up. Das findet sie großartig, da kann sie tanzen und sein, wie sie möchte. Am spannendsten sind für sie aber zuhause die Percussion-Tasche von Papa, in der alles rasselt und klappert, oder seine analogen Geräte zum Mastern. Hier darf sie dann Kabel stecken und mastert mit ihm zusammen. Das ist richtig süß.“
Spagat zwischen Familie und Beruf
Doch die Doppelfunktion als Mutter und freischaffende Künstlerin sowie der Spagat zwischen Familie und Berufsleben fallen der jungen Frau nicht immer leicht. Die Sorge, dem Ganzen nicht gerecht zu werden, schwingt stets mit. „Aber ich kann nichts ändern“, sagt sie leise und zuckt mit den Schultern. „Ich versuche wirklich mein Bestmögliches und habe schon Entscheidungen zugunsten meiner Familie getroffen, die für mich extrem unkomfortabel waren.“
Denn trotz etwaiger Gewissensbisse sieht die Musicaldarstellerin das Ganze auch als große Chance für ihr Familienleben an. „Die Abschiede sind das Schwerste, aber ich komme so oft erfüllt zurück nach Hause, weil ich die Möglichkeit habe, das zu tun, was ich liebe. Und das sage ich auch ganz offen, damit meine Kleine ein gutes Bild vom Beruf bekommt und nicht nur denkt, der Job verhindert jetzt, dass wir Zeit miteinander verbringen. Das Gleiche gilt für unsere Ehe: Keiner bleibt auf der Strecke, wir leben wirklich fast maximale Selbstverwirklichung. Wir sind überwiegend sehr glückliche, lebensbejahende Menschen, trotz der Schicksalsschläge, die uns schon ereilt haben. Nicht krampfhaft positiv, aber sehr positiv gelebt.“
Fokus, Anspruch und Auszeichnungen
Einen hohen Anspruch an sich selbst, aber auch den Mut, nicht immer perfekt sein zu müssen, prägen heute Karolin Konerts beruflichen Alltag. Vor allem ist es ihr wichtig, den Fokus zu setzen, um nicht desillusioniert unerreichbaren Zielen hinterherzujagen. „Ein Lehrer in der Uni hat es mir mit auf den Weg gegeben, und das trage ich stets bei mir – egal, ob ich einen Schlüsselsong wie ‚Never Enough‘ einstudiere oder mich in der Rollenarbeit einem Charakter und der dazugehörigen Intention widme.“
Als Nominierungen und Preise zur Sprache kommen, wird die Musicaldarstellerin ein wenig verlegen, zeigt sich zugleich aber auch sehr stolz. „Aber nicht wegen der Auszeichnung an sich, sondern weil es mit meiner Arbeit zu tun hat“, erzählt sie. „2015, kurz nach meinem Uni-Abschluss, gewann ich den MUT-Wettbewerb – in einer Phase, in der ich mir vieles noch nicht zutraute, aber durch den spürbaren Austausch mit dem Publikum erstmals merkte, dass ich scheinbar doch etwas Relevantes zu geben habe! Auch der Musical-Theaterpreis als beste Darstellerin in einer Hauptrolle für Anna in ‚Swing Street‘ kam für mich genau im richtigen Moment.“

Konerts Stimme wird leiser, als sie fortfährt zu erzählen: „Es war die Zeit, als wir mitten in den Corona-Lockdowns steckten und ich zudem gerade mein unendlich schweres Schicksal mit meinem Sohn erfahren musste, den ich sehr spät in der Schwangerschaft verlor. Ich habe mich von tief unten wieder aufgebaut, als mir plötzlich diese Produktion geschenkt wurde, in der ich auf einmal eine Hauptrolle spielen durfte und die zugleich von allen Beteiligten so fantastisch geformt und getragen wurde.
Der schönste Prozess bei der Erarbeitung einer Rolle beginnt bei mir, wenn ich den Text parat genug habe, um mich auf den Moment einzulassen. Wenn ich merke, hier beginnt etwas, sich stimmig anzufühlen. Mir ist wichtig zu verstehen, welche Motivation die Rolle hat, in welchem Zustand sie ist und vor allem, was mir mein Umfeld gibt und was das mit mir macht. Bei ‚Swing Street‘ war ich sehr frei im Prozess mit meinem Spielpartner Friedrich Rau, konnte unglaublich viel in Anna geben und hatte gar nicht auf dem Schirm, dass ich irgendwie nominiert werde. Ich habe für niemanden gespielt, nur für mich und die Geschichte in dem Moment. Das bleibt unvergesslich.“
Die besondere Verbindung zu den Fans
Auch dass Fans speziell für sie eine Show oder ein Konzert besuchen, ist für die bescheidene Künstlerin manchmal schwer greifbar. „Ich bin immer überrascht, wenn Leute sagen, sie haben meinetwegen Tickets gekauft – eine wahnsinnige Ehre“, sagt sie. „Ich übe diesen Beruf nicht aus, um eine gewisse Fanbase zu erlangen, sondern, weil ich ihn liebe. Ich möchte das, was mich selbst berührt, vermitteln und weitertragen, und es ist so schön zu sehen, wenn mir das gelingt. Was meine eigene Musik anbelangt, finde ich es noch viel krasser, denn hier bin ich nicht die Interpretin, sondern stehe als Schöpfungskraft dahinter. Ich bekomme unglaubliches Feedback von Leuten, die mir tolle Begegnungen bescheren und die von meiner eigenen Kunst berührt wurden; von meiner Melodie und dem Arrangement, das mein Mann und ich geschrieben haben. Das kann ich manchmal wirklich nicht glauben.“
Eigene Musik und kreativer Prozess mit Max
Mit ihrer eigenen Musik erfüllte sich die junge Künstlerin vor ein paar Jahren einen Traum und lebt diesen mit großer Leidenschaft. „Ich habe schon immer mal Texte verfasst und hatte dennoch über viele Jahre das Gefühl, als Interpretin noch wachsen zu müssen. Aber jetzt habe ich mit Max jemanden an meiner Seite, der meine Ideen in Musik übersetzen kann. Er versteht, was ich sagen möchte, und drückt dazu die richtigen Akkorde, weil er sich so unfassbar gut mit Musiktheorie auskennt und genau weiß, was der Song braucht.“
Sie schmunzelt, als sie weitererzählt: „Sehr praktisch, das wusste ich am Anfang auch nicht, als ich ihn kennen lernte. Denn sich in das Talent von jemandem zu verlieben ist leicht, aber nicht so langlebig. Deswegen war es uns immer wichtig, dass wir uns füreinander wahrnehmen und nicht zu sehr in unseren Funktionen sehen.“

Während der Corona-Pandemie entstand Karolin Konerts erstes Album „Unlocked!“ und hätte ohne den Lockdown in seiner Art wahrscheinlich niemals das Licht der Welt erblickt. „Max und ich sahen uns eines Abends ‚Joker‘ an. Als beim Abspann ‚Send in the Clowns‘ lief, setzte Max sich plötzlich ans Klavier, spielte ein bisschen, und ich sang spontan mit. Wir improvisierten weiter, und auf einmal merkten wir, dass sich etwas ganz Eigenes entwickelte – ein eigener Song! Es hat einfach Spaß gemacht, daher dachten wir zunächst gar nicht an Vermarktung und arbeiteten erst später gezielt daraufhin, als wir uns um ein Stipendium bewarben.“
Den kreativen Prozess auf Augenhöhe mit ihrem Mann sieht die Künstlerin als wertvollen Schatz. „Wir haben beide extrem Bock auf das, was der andere macht, und über allem steht eine riesige Wertschätzung und gegenseitiger Respekt. Aber wir sind auch sehr anspruchsvoll, und es gibt Phasen, wo wir uns beide gerne durchsetzen wollen – das funktioniert dann eher nicht so gut, gerade, wenn wir Auftragswerke haben!“
Die junge Frau lacht und fährt fort: „Ich sammle für meine Texte Inspirationen und lege sie in eine gedankliche Kiste. Mein Notizbuch ist hierbei mein engster Begleiter. Es sind die Geschichten von anderen, manchmal ein Bild, manchmal eine Gedichtzeile. Auch bin ich sehr genau mit Sprache und daher immer fasziniert von Wortspielen, Gegensätzen, Fragen und Antworten. Worte können so unfassbar viel. Ja, und am Ende des Tages, wenn andere sich auf die Couch legen, gibt es bei uns Momente, in denen wir in unser Studio gehen und die gemeinsame Zeit nutzen, um miteinander Musik zu machen.“
Das Release-Konzert von „Unlocked!“ und die persönliche Bedeutung
Der Rückblick auf ihr Release-Konzert im Jahr 2021 von „Unlocked!“ im Museumshof Fulda zaubert Karolin Konert ein Lächeln ins Gesicht. „Ich hatte wirklich extreme Angst davor“, erzählt sie. „Bei mir war zu diesem Zeitpunkt so viel passiert, und meine Tochter war gerade einmal ein paar Monate alt. Wenn man ein Kind bekommt, fühlt man sich überhaupt nicht wie man selbst; ich wusste nicht einmal, ob ich in der Lage bin, mir auch nur eine Songzeile zu merken. Aber alle Sorgen waren unbegründet – es kamen so viele liebe Menschen, die mich kannten und meine Cheerleader sein wollten. Bei ‚You‘, dem dritten Song auf der CD und dem ersten Song, den Max und ich überhaupt geschrieben haben, gab es sogar Standing Ovation.“
Sie hält für einen kurzen Moment inne, bevor sie leise, aber mit fester Stimme weiterspricht: „Dazu muss man wissen, dass diese Nummer aus einer tiefen Sehnsucht heraus entstanden ist, weil es um unseren Sohn geht, der nicht bei uns sein kann. Wir sind offen mit unserem späten Verlust umgegangen, weil wir es teilen wollten. Aus Selbstschutz, aber auch aus einer gewissen Notwendigkeit heraus, um anderen Leuten zu zeigen: ‚Du bist nicht allein.‘ Denn ich habe mich erst mal gefühlt wie ein Alien – wem passiert denn so etwas? So ganz kurz vor Ende der Schwangerschaft so ein Schicksal zu erleiden?“

„‚Es sollte doch still sein‘ ist der einzige deutsche Song auf der CD und blickt zurück auf eine dunkle Zeit im Leben der jungen Künstlerin und Mutter. Doch das Schreiben und die Musik halfen ihr im Nachhinein, das Licht Stück für Stück zurückzuholen. ‚Ich habe dieses Lied verfasst, weil ich wirklich so fühlte. Ich habe es nicht verstanden. Ich weiß noch, wie ich hier durch die Stadt lief und dachte: ‚Das kann nicht sein, ihr seid alle so normal, ihr habt einfach keine Ahnung!‘ Ich wollte die ganze Welt anschreien, aber ich konnte nicht. Ich konnte nicht schreien. Weil es so tief in mir war. Der, der nicht still sein soll, ist still. Das habe ich für mich nicht zusammenbekommen, und so entstand der Text. Ich kann gar nichts dazu sagen, weil er sich einfach ergeben hat.‘“
Während sie erzählt, beginnen Tränen in ihren Augen zu verschwimmen. „Man nennt so eine Geburt auch stille Geburt. Denn wenn das Kind auf die Welt kommt, erlebst du kein Schreien. Und diesen Song bei meinem Release-Konzert zu performen, war heftig – ich wusste nicht, ob ich ihn singen kann, ohne zu weinen.“
Unterstützung und Halt in schweren Stunden
Heute ist die Künstlerin dankbar, wenn sie daran denkt. „Es ist natürlich so, dass man als Eltern niemals damit abschließen kann und auch nicht möchte, um die Erinnerung am Leben zu halten. Und ich bin so froh, dass unsere kleine Maus da ist, sie holt einen so herrlich ins Leben zurück.“ Bei dem Gedanken an ihre Tochter lächelt Konert.
Auch das Chormusical „Martin Luther King“ war der Darstellerin damals eine große, liebevolle Stütze. „Musik ist ein unfassbar schönes Ventil, um sich zu verbinden. Gemeinsam eine Geschichte zu erzählen, das hat eine riesige Kraft! Die Chöre, die sich dort anmelden, schaffen eine ganz besondere, wohlwollende Energie, die dich trägt, wenn du das Herz aufmachst. Einige von ihnen hatten mich hochschwanger mit meinem Sohn auf der Bühne erlebt, so dass sie zu mir kamen und sich nach meinem Kind erkundigten. Das war ohne Umschweife sehr hart. Und so habe ich die Rolle der Heiligen Geistin unter den Umständen für mich auch völlig neu erfunden. Wenn man den Mut hat, sich zu öffnen und auf offener Bühne einfach zu weinen, weil es okay ist. Ich wusste auch, im Zweifelsfall, wenn ich nicht weitersingen kann, singt der ganze Chor mit mir.“

Musik als Verarbeitung und neue Perspektive
Durch das Schaffen ihrer eigenen Musik fand die Singer-Songwriterin einen Weg, ihre Geschichte zu verarbeiten, neu zu erzählen und mit anderen zu teilen. Mittlerweile schreibt und singt sie bewusst auf Deutsch. „Ich liebe die englische Sprache und bin hier im kreativen Prozess freier gestartet. Aber mir ist auch aufgefallen, dass ich mit den Leuten keine Verbindung eingehen kann, wenn sie meine Texte nicht so ganz verstehen. Und wenn es mir wirklich darum geht, meine Geschichte zu teilen, sollte ich lernen, auf Deutsch zu schreiben.“
Die Musik-Maschinerie mit all ihren Hürden macht es ihr dabei nicht immer leicht, und doch ist sie unheimlich stolz, wenn sie CDs verkauft, ihre Songs Klicks generieren und sie weiß, dass ihre Lieder gerne gestreamt werden. „Meine eigene Musik zu machen hat mich verändert, aber nicht im Kern. Es hat mir eine tolle, neue Perspektive aufgezeigt, wie ich als Künstlerin mit dem, was ich schaffe, denke, fühle und singe, auch andere Menschen berühren und erreichen kann. Auch die einzelnen Momente sind unbezahlbar – wenn ich schreibe oder bei Max im Studio bin und wir zum ersten Mal die Musik durchhören und für uns wahrnehmen. Dazu dieses unfassbare Feedback. Da wird mir immer wieder bewusst: Das hast du geschaffen. Das war vorher nicht da, und jetzt ist es da. Und warum? Weil es dir entsprungen ist.“
Balance und Selbstfürsorge
Während sie spricht, wird deutlich, wie glücklich und erfüllt Konert von ihrem bunten Leben ist. Auch kann sie mittlerweile gut und liebevoll zu sich selbst sein. „Ich weiß immer, ich habe das Beste für mich in dem Moment gegeben – auch an Tagen, an denen mal nicht alles klappt. Ich merke nur, ich komme aus meiner Ruhe und meiner Balance, wenn mein Gefäß leer ist. Wenn ich selbst nicht mehr auf mich aufpassen kann und meine Tage fremdbestimmt sind – was natürlich nicht immer leicht ist, gerade, wenn man ein kleines Kind hat. Hier kann es sein, dass ich dann auch mal um Hilfe bitten muss oder mich aus der Situation nehme, wenn es nicht mehr geht. Und Kaffee und atmen, ganz wichtig!“ Sie lacht.
„Auch bin ich sehr achtsam beim Singen. Ich wache auf und weiß, ob meine Stimme funktioniert oder nicht. Mein Werkzeugkoffer ist stets bei mir, und ich bin mit der Art, wie meine Stimme funktioniert, sehr glücklich und für mich im Einklang. Ich habe über all die Jahre gelernt, in wie viele Richtungen ich sie drehen und wenden kann. Aber das Wichtigste ist zu schauen: Wie klinge ich? Und da hilft mir enorm das Schauspiel. Schauspiel, die innere Einstellung, die Gefühlslage – alles formt den Ton mit.“
Dankbarkeit und Ausblick
Abschließend zeigt Karolin Konert sich bewusst sehr dankbar. „Ich hinterfrage häufig unsere Lebenssituation hier in Westeuropa, denn ich kann diesen Zufall nicht einordnen, dass es uns gut geht, nur weil wir hier geboren wurden. Dazu habe ich auch einen Beruf, der meinen Neigungen entspricht und mir mein Leben finanziert – das ist für mich wirklich nicht selbstverständlich. Mein Weg war nicht immer leicht und zwischendurch sehr traurig, aber ich erfahre wahnsinnig viel Unterstützung, und genauso wichtig ist es mir in meinem engsten Kreis, dass sich meine lieben Menschen auf mich verlassen können.
Aber ich würde mir wünschen, dass wir in unserer Gesellschaft wieder mehr ins Miteinander gehen und uns das auch gegenseitig vorleben. Wir haben keine Garantie in unserem Leben auf irgendwas – nur auf das Ableben. Und all das, was dazwischen ist, kann ein großes Geschenk sein. Wenn man es annehmen kann.“
Text: Katharina Karsunke
