„Geisterritter“ (Foto: Matthias Jung)
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Vom Roman auf die Bühne: „Geisterritter“ in Essen

Mit der Aufführung der Oper „Geisterritter“ betritt das Aalto-Musiktheater in Essen die Bühne als neuer Partner der Kooperation „Junge Opern Rhein-Ruhr“ und präsentiert eine gelungene Adaption des gleichnamigen Bestseller-Romans von Cornelia Funke. Nachdem die Inszenierung von Erik Petersen in der Spielzeit 2017/2018 in Bonn uraufgeführt und 2019/2020 nach Düsseldorf/Duisburg transferiert wurde, ist sie jetzt in Essen zu sehen.

Seit der Spielzeit 2013/14 arbeiten die Deutsche Oper am Rhein, die Oper Dortmund und das Theater Bonn zusammen, um Kinder und Jugendliche für Musiktheater zu begeistern. Das Aalto-Musiktheater schloss sich dem Projekt mit Beginn der Spielzeit 2023/2024 an. Das Ziel der Kooperation ist es, speziell für Kinder komponierte Werke aufzuführen und somit junge Zuschauerinnen und Zuschauer für das Musiktheater zu gewinnen. Kompositionsaufträge für Familienopern werden an die beteiligten Opernhäuser vergeben, die Uraufführungen sind nacheinander in den Städten Düsseldorf, Duisburg, Dortmund, Bonn und nun neuerdings in Essen zu sehen.

Für die Adaption von Cornelia Funkes „Geisterritter“ wurden James Reynolds (Musik) und Christoph Klimke (Libretto) verpflichtet. Reynolds schafft eine faszinierende Fusion verschiedener musikalischer Einflüsse, angefangen bei der mittelalterlichen Gregorianik über geisterhafte Gruselklänge mit viel Schlagwerk bis hin zur modernen Welt von Pop, Rock’n‘Roll und Hip-Hop, weshalb diese Oper gar nicht unbedingt wie eine Oper, sondern stellenweise nach Musical und Filmmusik klingt. Die Essener Philharmoniker unter der Leitung von Wolfram-Maria Märtig präsentieren diese abwechslungsreiche Partitur in all ihren Facetten großartig.

Regisseur Erik Petersen versteht es, trotz des etwas holprigen Buches von Christoph Klimke, mit seiner Inszenierung (szenische Einstudierung: Yara Hassan) Brücken zu bauen. Einerseits schlägt er eine Brücke zwischen Generationen und erzählt eine Geschichte, die sowohl Kinder und Jugendliche als auch Erwachsene gleichermaßen begeistert. Anderseits erschafft er eine Brücke über Genregrenzen hinweg und präsentiert in Zusammenarbeit mit fettFilm ein multimediales Erlebnis. Durch die Verknüpfung von Bühnenbild und Video in Kombination mit Nebel und den passenden Soundeffekten entsteht ein Gesamtkunstwerk, das sich nicht in einem bloßen Nebeneinander oder der Dekoration von Bühnenräumen erschöpft, sondern mehrere künstlerische Ebenen miteinander vereint.

„Geisterritter“ (Foto: Matthias Jung)

Animationsfilme stellen unter anderem eine Zugfahrt dar, durch Strichzeichnungen entstehen immer neue Szenerien, beeindruckende Kulissen lassen unter anderem einen Bahnhof, Klassen- und Internatszimmer, einen Schulhof, eine Kathedrale und einen Friedhof entstehen. Abgerundet wird das alles von Kristopher Kempfs opulenten Kostümen, die zum visuellen Spektakel beitragen und die Charaktere lebendig werden lassen. So sehen beispielsweise der Ritter William Longspee und einige Choristen wirklich wie aus Sandstein gehauen aus.

Starke Emotionen wie Schrecken und Angst, also die dunkleren Seiten der Geschichte, sind familienfreundlich gestaltet. Bösewichte treten eher als Karikaturen böser Charaktere auf. So sind groteske Überzeichnungen im Stil von „Fluch der Karibik“ oder „Addams Family“ entstanden. Mit einem Opernklischee wird zudem gebrochen, indem Lord Stourton als Schurke nicht mit einem Bass, sondern mit einem Countertenor besetzt wurde, so dass die Klangfarbe die Skurrilität des Charakters unterstreicht.

Dennoch verleiht Bernhard Landauer seinem Lord Stourton eine durchaus schaurig-dämonische Kontur und fesselt mit seinen langgedehnten hellen Tönen. Aljoscha Lennert gibt den Internatsschüler Jon mit jugendlich-klarer und nuancierter Tenorstimme, während Lisa Wittig mit selbstbewusstem Spiel und leuchtendem Sopran die Rolle der Ella singt. Marie-Helen Joël verleiht ihrer Zelda einen ausdrucksstarken Mezzosopran, Uta Schwarzkopf glänzt als Ela Longspee mit feinem Sopran und Karel Martin Ludvik ist als William Longspee ein Ritter mit wohltönendem Bariton. Darüber hinaus wurden Jons Mitbewohner Angus und Stu mit Yancheng Chen und Ju Hyeok Lee hervorragend besetzt.

Die ausverkaufte Vorstellung am Aalto-Musiktheater geht verdientermaßen unter dem Jubel der anwesenden Kinder und dem langanhaltenden Applaus der Erwachsenen zu Ende. Dieser „Geisterritter“ ist eine gelungene Mischung aus gruseliger Story, beeindruckender Musik und visuellem Spektakel.

Text: Dominik Lapp

Dominik Lapp ist ausgebildeter Journalist und schreibt nicht nur für kulturfeder.de, sondern auch für andere Medien wie Lokalzeitungen und Magazine. Er führte Regie bei den Pop-Oratorien "Die 10 Gebote" und "Luther" sowie bei einer Workshop-Produktion des Musicals "Schimmelreiter". Darüber hinaus schuf er die Musical-Talk-Konzertreihe "Auf ein Wort" und Streaming-Konzerte wie "In Love with Musical", "Musical meets Christmas" und "Musical Songbook".