Interview mit Erik Petersen: „Das Buch hatte ich immer im Hinterkopf“
Er ist ein echter Shootingstar unter jungen Musical-Regisseuren: Erik Petersen. Nach vielen Musicalproduktionen wie „Footloose“, „Jesus Christ Superstar“, „West Side Story“ oder „Victor/Victoria“, hat er zuletzt „Rebecca“ auf dem Magdeburger Domplatz inszeniert. Im Interview spricht er über diese große Herausforderung, sein Regiekonzept und das Stück.
Mit zweijähriger Corona-Verspätung konnten Sie das Musical „Rebecca“ nun endlich in Magdeburg auf die Bühne bringen. Wie groß ist die Freude?
Sehr groß. Da sind viele Zufälle aufeinandergetroffen. Die Absage 2020 erreichte mich an meinem Geburtstag. Dann sollte es ein Jahr später kommen, wo ich aber wegen einer anderen Produktion keine Zeit gehabt hätte. Also haben wir es um zwei Jahre auf 2022 verschoben. Wir wollten es unbedingt auf die Bühne bringen, weil man die Chance so schnell nicht bekommt, das Stück aufführen zu dürfen. Außerdem war das Bühnenbild bereits fertig, was auch mit Kosten verbunden ist. Es wäre zu schade gewesen, wenn wir „Rebecca“ nicht mehr hätten zeigen können.
Ist Ihr Regiekonzept 2022 dasselbe wie 2020 oder haben Sie es noch mal in die Hand genommen?
Ich habe es noch mal angefasst, weil sich so was in zwei Jahren weiterentwickelt. Es ist ein Stück, das mich bisher am längsten begleitet hat. Normalerweise habe ich etwa zwei Jahre Vorlauf. Wenn daraus drei Jahre werden, muss es einfach irgendwann mal raus. Unsere Gesellschaft hat sich in den letzten Jahren entwickelt – positiv wie negativ. Also entwickelt sich in dieser Zeit auch ein Regiekonzept. Insbesondere die Rolle „Ich“ ist für mich noch entscheidender geworden im Hinblick auf Emanzipation, Frauenquote und dergleichen. Selbst in der Mystik hat es sich in zwei Jahren verändert, weil sich mein Blick in der Zeit verändert hat.
Warum spielen Sie in Ihrer Inszenierung mit den Elementen Feuer und Wasser?
Das Element Wasser ist für mich in diesem Stück gegeben. Alles spielt am Wasser, selbst die Szenen in Monte Carlo. Wenn man die Möglichkeit hat, mit Wasser zu arbeiten, sollte man es tun. Im Theater habe ich diese Möglichkeit häufig nicht, weil Wasser viel beschädigen kann, was wir ja nur allzu gut wissen durch diverse defekte Sprinkleranlagen in verschiedenen Häusern. Das Thema Feuer erklärt sich von selbst, denn das Buch gibt vor, dass Manderley am Ende brennt. Hier haben wir viel investiert, damit am Ende der ganze Domplatz in Flammen steht.
Haben Sie sich durch den Roman, die Verfilmungen oder andere Inszenierungen inspirieren lassen?
Den Film kannte ich, das habe ich ausgeblendet. Aber das Buch hatte ich immer im Hinterkopf. In dem Roman sehe ich Parallelen zwischen dem „Ich“ und der Autorin Daphne du Maurier, weil Letztere unglaublich viel von ihrer Biografie darin verarbeitet hat. Sie war leidenschaftliche Seglerin, genauso wie Rebecca. Sie hatte versteckte homosexuelle Züge, was sich in dem Verhältnis zwischen Rebecca und Mrs. Danvers widerspiegelt. Es war mir sehr wichtig, dies nicht zu vergessen und mich hier und da auf die Romanvorlage zu fokussieren.
Was war die größte Herausforderung an diesem Stück?
Sicherlich der Open-Air-Charakter, weil ich das Stück zunächst nicht wirklich für eine Freilichtbühne geeignet hielt. Die Psychologie des Stücks findet nämlich zwischen den drei Hauptpersonen und der vierten, die man nie sieht, statt. Bei einem Krimi wie „Rebecca“ haben wir im Theater wesentlich bessere Mittel. Beim Open Air fliegt mal eine Taube über die Bühne, schon ist man abgelenkt. Das ist auf jeden Fall eine Herausforderung. Außerdem muss man Rollen wie Maxim de Winter viel stärker zeichnen, um auch die Leute in der letzten Reihe zu erreichen. Es macht psychologisch viel Spaß, so ein Stück kleiner und filigraner zu machen. Aber mittlerweile bin ich überzeugt, dass es sich auch für draußen eignet. Ich bin wirklich überrascht darüber, was das große Ensemble aus diesem Stück herausholt.
Die Rolle der Mrs. van Hopper wurde mit der großartigen Amani Robinson besetzt. War es eine bewusste Entscheidung, diese Rolle mit einer Person of Color zu besetzen, weil sich in dem Bereich, Stücke colourblind zu besetzen, endlich etwas tut?
Ich gehöre zu einer Generation, in der uns eine Hautfarbe egal sein muss. Ich habe mit Amani Robinson schon mal gearbeitet und finde, dass sie perfekt in die Rolle passt. Mrs. van Hopper muss eine Ausstrahlung und Spielästhetik haben, um beim Open Air die riesige Bühne zu bespielen – und da Amani die beste war bei den Castings, hat sie die Rolle bekommen. Offensichtlich sieht man das bei den Vereinigten Bühnen Wien als Lizenzgeberin auch so, denn in Wien wird mit Ana Milva Gomes ebenfalls eine PoC als Mrs. van Hopper zu sehen sein. Das macht mich natürlich stolz, weil wir garantiert diesen Denkanstoß gegeben haben. Wären in den Castings für die Rolle des „Ich“ und Maxim auch PoC-Kandidatinnen oder -Kandidaten gewesen, hätte das für mich genau den gleichen Ansatz bedeutet. Wir müssen hier endlich mit den verstaubten Rollenmustern aufhören, was auch für mich ein großer Ansatz meiner Inszenierungen ist.
Sie sind bekannt dafür, Musicals gern mal in einer modernen Lesart zu inszenieren. Warum lassen Sie „Rebecca“ trotzdem in den 1920er Jahren spielen und nicht beispielsweise in der Gegenwart?
Wir mussten unsere Konzepte bei den Vereinigten Bühnen Wien abgeben. Wenn denen etwas gegen den Strich gegangen wäre, hätten wir das nicht durchbekommen. Andererseits hatte ich aber auch nie den Gedanken, es nicht in der ursprünglichen Zeit spielen zu lassen. Bei einem Psychothriller wie „Rebecca“ hat man gar keine Ästhetik mehr, wenn man es nicht in der damaligen Zeit spielen lässt. Psychologische und kriminalistische Stücke sind durch die Möglichkeiten der Internetkommunikation gar nicht mehr aufführungswürdig, wenn man sie ins Heute transferiert. Ich glaube, man könnte „Rebecca“ in der heutigen Zeit verpacken. Aber dann ginge die Mystik verloren.
Wie eng war eigentlich die Zusammenarbeit zwischen Ihnen als Regisseur und dem Musikalischen Leiter David Levi?
Sie ist entscheidend, weil das Stück größtenteils durchkomponiert ist und wir von der Grundthematik der Musik abhängig sind. Es gibt in „Rebecca“ so viel Beiwerk und Underscores sowie einige atmosphärische Dinge, weshalb die Zusammenarbeit zwischen David und mir nicht nur wichtig, sondern ganz hervorragend war.
Interview: Dominik Lapp