
Schrill und überbordend: „La Cage aux Folles“ in Nürnberg
Es glitzert, es steppt, es fliegt – und es gibt Regenbogenflaggen. Das Staatstheater Nürnberg zeigt mit „La Cage aux Folles“ von Jerry Herman (Musik und Songtexte) und Harvey Fierstein (Buch) eine ebenso überzeichnete wie berührende Inszenierung des Musical-Klassikers, in der Klamauk und Tiefgang nicht nur koexistieren, sondern sich gegenseitig antreiben. Regisseurin und Choreografin Melissa King verbindet große Geste mit feinem Gefühl und schafft eine Inszenierung, die nicht nur laut ist, sondern auch klar: Die Botschaft von Liebe, Akzeptanz und Vielfalt trifft mitten ins Herz.
King setzt auf ein deutliches visuelles Konzept: schrill, überbordend, verspielt – jedoch nie inhaltsleer. Ihre Regie überzeugt durch kluge Personenführung, ihre Choreografie ist stimmig und präzise. Besonders in Erinnerung bleiben die Steppnummer und irrwitzige Trampolinszene, die Energie und Witz bündelt. In einer Pride-Einlage wird die Bühne zum Christopher Street Day. Es ist der vielleicht plakativste Moment des Abends.
Diese visuelle Opulenz spiegelt sich im Bühnenbild von Stephan Prattes wider: Phallus- und Vagina-Tapeten, wilde Siebzigerjahre-Muster, alles ist bunt und knallig – manchmal fast zu viel, aber immer stimmig im Kontext dieser Inszenierung.
Judith Peter greift die Musterwelt in den Kostümen auf und treibt sie weiter: große Prints, bunte Stoffe, federleichter Kitsch mit klarem Konzept. Unvergessen bleibt Albins rotes Plüschkleid, über und über besetzt mit Herzen in allen Formen und Größen – ein Kostüm gewordener Liebesschrei. Ebenso gelingt Michael Grunder mit seiner Lichtgestaltung ein sensibles Mitzeichnen der emotionalen Bögen.
Musikalisch ist der Abend ohnehin ein Hochgenuss: Jürgen Grimm und die Staatsphilharmonie Nürnberg liefern eine mitreißende Interpretation von Hermans Partitur – mit Drive, Gefühl und technischer Finesse. Und auch die Besetzung ist exzellent geführt und glänzt durchweg. Martin Berger als Georges ist ein echtes Pfund – stimmlich souverän und schauspielerisch voller Wärme. Gaines Hall als Albin steht ihm in nichts nach, ist verletzlich, witzig, voller Grandezza. Terry Alfaro sorgt als Diener Jacob für perfektes Timing und komödiantische Leichtigkeit.
Fabio Kopf als Jean-Michel und Anna Hirzberger als Anne überzeugen als junges Paar, wobei Annes Gothic-Look für einen hübsch-ironischen Kontrast zu ihren erzkonservativen Eltern sorgt. Diese wiederum – Thorsten Tinney und Kira Primke als Familie Dindon im AfD-Look – liefern ein herrlich karikiertes, aber exzellent getimtes Zusammenspiel.
So ist „La Cage aux Folles“ in Nürnberg schrill, überbordend und manchmal fast zu viel – aber immer mit Herz. Melissa King gelingt eine Inszenierung, die den Spagat zwischen Unterhaltung und politischer Aussage gut beherrscht.
Text: Patricia Messmer