„Zorro“ in Sondershausen (Foto: Marco Kneise)
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Zwischen Flamenco-Feuer und Textwüste: „Zorro“ in Sondershausen

Der maskierte Rächer ist zurück – mit wehenden Capes, Flamenco-Rhythmen und flammenden Degen: Das Musical „Zorro“ verwandelt im Rahmen der Schlossfestspiele Sondershausen den barocken Schlosshof in eine Bühne voller südspanischer Dramatik. Doch so berauschend die Optik und musikalische Kraft ist – so zäh zieht sich das Narrativ durch den lauen Sommerabend.

Das Musical, das 2008 im Londoner West End uraufgeführt wurde und auf Isabel Allendes Roman basiert, bringt die Musik der Gipsy Kings auf die Bühne. Ihre weltbekannten Songs wie „Bamboléo“, „Baila me“ oder „Djobi Djoba“ unter der Musikalischen Leitung von Svetlomir Zlatkov, der das Loh-Orchester Sondershausen mit Drive dirigiert, sorgen für leidenschaftlichen Schwung und geben der Inszenierung ihr unverkennbares, rhythmisch-pulsierendes Herz.

Doch das schlägt nicht durchgängig kraftvoll. Das Buch von Stephen Clark und Helen Edmundson (Übersetzung: Jürgen Hartmann) ist ein dramaturgisches Sorgenkind: Mit drei Stunden Laufzeit wirkt das Musical überladen, unentschlossen und zerrissen zwischen Romanze, Drama und Slapstick-Komödie. Die Musik (Übersetzung der Songtexte: Holger Hauer) macht leider nur einen Bruchteil des Abends aus – stattdessen dominieren langatmige Dialoge, die Tempo und Spannung immer wieder ausbremsen.

Regisseurin und Choreografin Sabine-Pascale Chevroton, die im Sommer 2024 „Liebe stirbt nie“ auf dem Magdeburger Domplatz inszeniert hat, gelingt es nur stellenweise, dem schwachen Buch entgegenzusteuern. Ihre Handschrift zeigt sich in liebevoll entwickelten Bildern, präziser Personenführung und einer packenden Choreografie. Unterstützt von der temperamentvollen Flamenco-Arbeit von Irene López Ros und den dynamischen Fechtszenen von Jean Loup Fourure, entfaltet sich vor allem tänzerisch ein kraftvoller Ausdruck, der das Publikum mitreißt.

Das Bühnenbild von Wolfgang Kurima Rauschning, eine mehrstöckige Holzkonstruktion, fügt sich stimmig in den barocken Hof ein und erzeugt mit Anja Schulz-Hentrichs farbenprächtigen Kostümen und Martin Wiegnerns atmosphärischem Lichtdesign ein eindrucksvolles Gesamtbild. Besonders spektakulär ist der gezielte Einsatz von Pyrotechnik, der immer wieder für Wow-Momente sorgt.

Die Darstellerinnen und Darsteller bringen Leben in die archetypischen Figuren: Samuel Franco überzeugt in der Titelrolle als emotional vielschichtiger Diego/Zorro – charismatisch, verletzlich und glaubwürdig. Marian Kalus gibt einen kantigen, düsteren Ramon und damit einen überzeugend brutalen Antagonisten. Yuval Oren als Luisa überzeugt ebenfalls, während Vasiliki Roussi als Inez mit Temperament und Bühnenpräsenz glänzt. Florian Tavic liefert als Sergeant Garcia charmante Lacher, Jean Loup Fourure als Alejandro und Manuel Macías Benavides als Joaquin runden das Ensemble solide ab.

Trotz dramaturgischer Längen und erzählerischer Unschärfen ist das Publikum am Ende begeistert – der kräftige Applaus gilt dem leidenschaftlichen Spiel, der mitreißenden Musik und der opulenten Inszenierung unter freiem Himmel. „Zorro“ in Sondershausen ist buchbedingt sicher nicht perfekt, aber ein visuell und musikalisch berauschendes Sommerereignis.

Text: Christoph Doerner

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Nach seinem Studium der Musiktheaterwissenschaft, einem Volontariat sowie mehreren journalistischen Stationen im In- und Ausland, ist Christoph Doerner seit einigen Jahren als freier Journalist, Texter und Berater tätig.