Dennis Schulze von der Stage School Hamburg (Foto: Dennis Mundkowski)
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Interview mit Dennis Schulze: „Viele Türen öffnen sich, manchmal muss man durchgehen“

Im Alter von 32 Jahren hat der ausgebildete Musicaldarsteller Dennis Schulze im August 2022 die Geschäftsführung der Stage School Hamburg übernommen. Doch leitet er nicht nur die bekannte Nachwuchsschmiede, sondern auch das First Stage Theater. Nach etwas mehr als einem halben Jahr spricht Schulze im Interview nun über die zurückliegenden Monate, Veränderungen sowie Visionen und erklärt, warum die Ausbildung an der Stage School so gut ist.

Etwas mehr als ein halbes Jahr bist du mittlerweile Geschäftsführer der Stage School. Worauf blickst du in dieser Zeit zurück?
Zunächst mal war es intern ein riesiger Wechsel, weil Thomas Gehle (der bisherige Geschäftsführer, Anm. d. Redaktion) rund 30 Jahre hier involviert war und die letzten zehn Jahre das Schiff allein gesteuert hat. Das war eine Umstellung für die Schule und mich. Allerdings war es ein absehbarer Schritt, der schneller erfolgte als ursprünglich geplant. Ich stehe nicht nur in der Verantwortung, den Betrieb weiterlaufen zu lassen, sondern auch neu zu gestalten und neue Impulse zu geben. Ich möchte eine neue Motivation und einen anderen Führungsstil ins Unternehmen einbringen. Das hat mir in den letzten Monaten viel abverlangt, aber rückblickend kann ich sagen, dass es mir bereits gelungen ist, diesen Wechsel zu gestalten. Mein Team hat mich wunderbar aufgenommen und zieht mit mir an einem Strang. Von den ganzen Themen, Visionen und Aspekten, die ich für die Stage School – nicht nur im kurzfristigen Stadium, sondern auch in der mittel- und langfristigen Planung – aufgestellt habe, konnten wir die ersten bereits umsetzen. Meine erste Amtshandlung war die Einführung des Fachs „Mental Care“, denn die solide mentale Verfassung ist wie ein Nährboden, auf dem sich Talent erst entwickeln kann. Des Weiteren werden wir schon ab dem Schuljahr 2023 als einzige Performing-Arts-Schule Deutschlands eine Fachspezialisierung für das letzte Ausbildungsjahr anbieten, die neben der Allround-Ausbildung einen Schwerpunkt in Tanz, Gesang oder Schauspiel ermöglicht. So können wir die individuellen Potenziale noch besser ausbilden, darauf bin ich sehr stolz.

Dennis Schulze von der Stage School Hamburg (Foto: Dennis Mundkowski)

Ist es ein Vorteil, dass du selbst eine Ausbildung zum Musicaldarsteller an der Stage School absolviert hast und die Schule von Grund auf kennst?
Meine Zeit an der Schule hat vor zehn Jahren begonnen und ich kenne das Unternehmen tatsächlich von Grund auf – das bringt nur Vorteile mit sich. Ich weiß, wo es schon jahrelang ein wenig gehakt hat. Darauf kann ich jetzt den Fokus legen, kann schauen, dass ich die verschiedenen Interessensgruppen anders abhole. Man kennt es aus dem Theaterbetrieb, dass die künstlerischen und betriebswirtschaftlichen Visionen nicht immer übereinstimmend sind. Aber mein künstlerischer Background hat mich immer sehr gestützt. Gleichzeitig konnte ich während der Corona-Pandemie ein BWL-Studium absolvieren, um mir den betriebswirtschaftlichen Background anzueignen. Darüber hinaus hat mich aber auch Thomas Gehle jahrelang als Mentor begleitet. Ich wurde somit nicht ins kalte Wasser geschmissen. Vielmehr hat mich Thomas schon frühzeitig in viele Themen mit einbezogen und mir einen Einblick verschafft, wie die Schule finanziell aufgestellt ist und wie das Budget für ein Jahr aussieht.

Der Wechsel in der Geschäftsführung, das hattest du erwähnt, wurde dann sogar schon früher als geplant vollzogen?
Genau. Es war geplant, dass ich die Schule übernehme. Da Thomas Gehle aber gesundheitlich ein wenig eingeschränkt war, wurde die Übernahme um ein Jahr vorgezogen. Das war in diesem Umbruch nach der Pandemie auch völlig okay. Man sagt ja, dass nach einer Krise der Aufschwung kommt. So war es auch in diesem Fall. Ich hatte die Möglichkeit, ganz vorn mitzuziehen und meine ganze Energie in die neue Aufgabe zu investieren. Das war eine Lebensentscheidung und definitiv der richtige Zeitpunkt dafür.

Wie kommt man eigentlich auf die Idee, in so einem jungen Alter eine Musicalschule zu kaufen?
Natürlich hätte ich nach dem Abitur nie gedacht, dass ich das mal machen würde. Aber ich sage immer: Viele Türen öffnen sich im Leben, manchmal muss man einfach durchgehen. Das ist etwas, das ich auch meinen Schülern immer zu vermitteln versuche. Wenn sich so eine Tür öffnet, muss man erkennen können, dass sich hier gerade eine Chance bietet, die man ergreifen sollte. Ich war immer jemand, der diesen Schritt gegangen ist – mein Leben lang. So kam jetzt eben die Übernahme der Stage School. Ich war schon einige Zeit im Schulmanagement tätig und als Corona-Beauftragter dafür zuständig, mit Unterstützung der Abteilungsleitungen neue Stundenpläne mit kleineren Klassen zu erstellen. Das ganze Konzept für die Ausbildung während der Pandemie habe ich entwickelt und umgesetzt. Da bekommt man natürlich einen Vorgeschmack, wie es ist, Verantwortung zu übernehmen. Aufgrund dieser Erfahrungen habe ich immer mal wieder mit dem Gedanken gespielt, was ich alles machen könnte, wenn es meine Schule wäre. Als sich die Tür dann für mich öffnete, habe ich die Entscheidung getroffen: Das mache ich jetzt und stelle mich dieser Aufgabe.

Dennis Schulze von der Stage School Hamburg (Foto: Dennis Mundkowski)

Und wie finanziert man so etwas?
Ich komme aus einer bodenständigen Familie, meine Mutter ist Verkäuferin, mein Vater ist Taxifahrer. Ich musste immer sehen, wie ich mein Leben finanziere, auch während der Ausbildung. Aber der Kauf der Schule lief ganz klassisch ab: Das war verbunden mit einen Businessplan und Bankgesprächen, einem Eigenanteil für die Finanzierung und einem Bankdarlehen mit einer unfassbar langen Laufzeit, was mir aufgrund meines jungen Alters genehmigt wurde. Außerdem hat mich Thomas Gehle unterstützt.

Wie hat sich dein Tagesablauf seitdem verändert?
Auf jeden Fall kommuniziere ich viel mehr. Als Geschäftsführer ist man gefühlt zu 90 Prozent damit beschäftigt, mit unterschiedlichen Interessensgruppen zu kommunizieren. Das sind viele Gespräche, Telefonate und E-Mails. Es sind für mich also viel mehr Meetings und Abendveranstaltungen geworden. Ich bin Teil der Wirtschaftsjunioren, bilde mich weiter, besuche Vorträge, tausche mich mit anderen Musicalschulen – zum Beispiel in Finnland und den Niederlanden – aus. Aber vor allem habe ich jetzt die Möglichkeit, jeden Tag etwas zu bewegen und neue Kontakte zu knüpfen.

Warst du schon immer der geborene Netzwerker oder musstest du das lernen?
Ich bin schon immer ein offener Typ gewesen, der ungern um den heißen Brei herumredet.

Dennis Schulze von der Stage School Hamburg (Foto: Dennis Mundkowski)

Die Qualität der Ausbildung an der Stage School scheint sich über die letzten Jahre beständig gesteigert zu haben. Immer mehr Namen eurer Absolventinnen und Absolventen liest man auf den Besetzungslisten von Musicals, man sieht sie im Fernsehen und so weiter.
Das stimmt. Gerade waren einige unserer Absolventen mit „Flashdance“ auf Tour, bei der Uraufführung von „Romeo und Julia“ in Berlin sind wir vertreten, in der Cast von „Hamilton“, zuletzt auch bei „Aladdin“ in Stuttgart. Wir bilden in Gesang, Schauspiel und Tanz aus, weshalb die Möglichkeiten natürlich breit gefächert sind. Man ist nicht auf den Musicalbereich beschränkt. Außerdem sammeln unsere Schüler bereits während der Ausbildung Bühnenerfahrung im First Stage Theater. Auch deshalb werden sie besser ausgebildet als an anderen Schulen. Und das spiegelt sich später auch in den Engagements wider. Ein aktuelles und prominentes Beispiel: Joy Ewulu hat vor einem Jahr ihren Abschluss bei uns gemacht und spielt aktuell eine Hauptrolle in der neuen ZDF-Serie „Hotel Mondial“. Das zeigt, dass wir im Schauspiel sehr gut ausbilden. Selbst in der neuen Cast von „Harry Potter und das verwunschene Kind“ sind sechs Leute von uns. Darüber hinaus gehen unsere Absolventen in den Modelbereich, aufs Schiff, zu Film und Fernsehen, zum Tanz, manche haben sich einen Namen im Bereich Regie und Choreografie gemacht. Die Möglichkeiten sind unbegrenzt, wenn man an der Stage School ausgebildet wurde.

Wie stolz macht es dich, wenn du überall auf deine ehemaligen Schülerinnen und Schüler triffst?
Sehr stolz! Es gibt aktuell keine Ausbildungsstätte, die erfolgreichere Absolventen ins Berufsleben entlässt. Ich will aber gar nicht verheimlichen, dass es eine Zeit gab, in der die Stage School nicht den besten Ruf hatte. Aber davon sind wir seit Jahren weg, und ich habe es mir auf die Fahne geschrieben, dass das so bleibt. Wir können als Schule nur so gut sein wie unsere Absolventen. Deshalb ist es uns wichtig, dass wir sie nach der Ausbildung in Produktionen unterbringen können. Zum Teil kommen Produktionsfirmen direkt zu uns ins Haus, um sich unsere Leute anzuschauen und im besten Fall zu engagieren.

Dennis Schulze von der Stage School Hamburg (Foto: Dennis Mundkowski)

Letztendlich ist die Stage School ein Wirtschaftsunternehmen, das sich selbst tragen muss. Dazu ist es unerlässlich, dass ihr jedes Jahr eine gewisse Anzahl neuer Schülerinnen und Schüler aufnehmt. Denn die bezahlen schließlich Schulgebühren und finanzieren damit den Schulbetrieb. Ist das nicht ein zweischneidiges Schwert? Einerseits sollte doch das Talent ausschlaggebend für die Ausbildung sein, andererseits ist es aber der Umstand, wie zahlungskräftig jemand ist, oder? Im Grunde bleiben so doch vielleicht Talente unentdeckt, weil sie sich die Ausbildung an der Stage School nicht leisten können.
Ja, das ist wirklich gut zusammengefasst und entspricht dem, was ich Führungskräften von großen Unternehmen erzähle. Denn ein Teil meiner Vision ist, einen Förderverein oder langfristig vielleicht sogar eine Stiftung aufzubauen, die natürlich zahlungskräftige Geldgeber benötigen. So soll es ermöglicht werden, Stipendien zu vergeben. Das müssen gar nicht unbedingt Vollstipendien sein. Es hilft unter Umständen bereits, wenn jemand mit einem Teilstipendium 20 oder 50 Prozent weniger bezahlen muss. Vielleicht gelangen wir durch ein großes Unternehmenssponsoring sogar eines Tages an den Punkt, an dem wir die Ausbildungskosten für alle senken können. In diesem Zuge haben wir bereits einen Förderverein gegründet, der im Rahmen unserer Weihnachtsshows beim Publikum Spenden gesammelt hat. Auch werden wir eine Spendengala zugunsten des Vereins veranstalten.

Du hast selbst die Ausbildung zum Musicaldarsteller absolviert. Fehlt dir die aktive Tätigkeit auf der Bühne oder hast du damit komplett abgeschlossen?
Ich glaube, komplett abgeschlossen hat man damit nie. Es steckt schließlich in einem. Allerdings habe ich nicht den Drang, mich auf einer Bühne darzustellen. Ich liebe es dagegen total, hier in Kontakt mit den Schülern zu sein und beispielsweise mit ihnen eine Gala zu inszenieren, weil ich denke, dass sie von meiner Erfahrung profitieren können.

Du hospitierst auch, besuchst also den Unterricht, richtig?
Ja, zweimal im Jahr besuche ich jede Klasse und bin aber auch sonst immer ansprechbar für die Schülerschaft. Das war früher anders, ist mir aber sehr wichtig, weil ich den künstlerischen Background mitbringe. Ich möchte sehen, wie ein Dozent mit einer Klasse arbeitet, wie die Inhalte sind und was es braucht, um uns noch besser zu machen.

Interview: Dominik Lapp

Dominik Lapp ist ausgebildeter Journalist und schreibt nicht nur für kulturfeder.de, sondern auch für andere Medien wie Lokalzeitungen und Magazine. Er führte Regie bei den Pop-Oratorien "Die 10 Gebote" und "Luther" sowie bei einer Workshop-Produktion des Musicals "Schimmelreiter". Darüber hinaus schuf er die Musical-Talk-Konzertreihe "Auf ein Wort" und Streaming-Konzerte wie "In Love with Musical", "Musical meets Christmas" und "Musical Songbook".