
Update überwiegend erfolgreich: „We Will Rock You“ in Stuttgart
Stuttgart will wieder rocken. Nach 15 Jahren kehrt „We Will Rock You“, das weltweit bekannte Musical mit den Hits von Queen und dem Buch von Ben Elton, in die Schwabenmetropole zurück und wird dieses Mal nicht im Apollo Theater, sondern im Palladium Theater aufgeführt. Für die Rückkehr des Stücks wurde eine „spektakuläre Neuinszenierung“ mit neuen Kostümen, Choreografien und einem in die Moderne gebrachten Textbuch angekündigt. Kann das Update des Stücks, das vor knapp einem Vierteljahrhundert seine Uraufführung im Londoner West End feierte, überzeugen?
Die Rockband Queen spielt im Musical eine große Rolle, jedoch ausschließlich in Form der 21 verwendeten Songs, die nun alle im englischen Original gesungen werden, während sie in der alten Inszenierung auf Englisch und Deutsch zu Gehör kamen. Die Handlung des Stücks ist keine Autobiografie der Band, sondern erzählt von einer dystopischen Zukunftsvision: Auf dem iPlanet sind Individualität und künstlerisches Schaffen wie das Musizieren verboten. Diese Welt wird von einem Computersystem beherrscht, an dessen Spitze die erbarmungslose Killerqueen steht.
Das aktualisierte Textbuch entfaltet seine volle Wirkung: Die beiden Hauptcharaktere, Galileo und Scaramouche, beiden finden allerlei Dinge „cringe“, und Scaramouches Outfit erhält nach einem überfälligen „Makeover“ das Prädikat „stabil“. Die „freshen“ Dialoge wirken keineswegs aufgesetzt, sondern setzen die Authentizität der Jugendsprache gekonnt ein und sorgen – gemeinsam mit zahlreichen Zitaten aus nationalen und internationalen Songtiteln – für einige Lacher.
Den größten Text- und Gesangsanteil haben Kasper Nilsson als Galileo und Isabel Waltsgott in der Rolle der Scaramouche zu bewältigen. Nilssons Stimme verbindet Gefühl und Rock auf eindrucksvolle Weise. Er überzeugt ebenso im Zusammenspiel mit Waltsgott, die ihre Scaramouche herrlich rotzig und selbstbewusst spielt und mit ihrem Stimmvolumen überrascht.
Insgesamt ist die Besetzung der Hauptrollen ausnahmslos hervorragend und sehr vielversprechend gelungen. Reinwald Kranner verkörpert den Hippie-Anführer Pop der Bohemians mit spürbarer Freude, schrullig und liebenswert zugleich. Aisata Blackmann gibt eine kraftvolle Killerqueen und kommandiert herrisch ihren Gefolgsmann, der sich nicht mehr Khashoggi, sondern nun Zuckermusk nennt – eine Wortschöpfung aus den Namen der beiden Tech-Giganten Mark Zuckerberg und Elon Musk. Als dieser Handlanger bewegt sich Christian Schöne schauspielerisch glänzend zwischen Angst, Wahn und Schmierigkeit.

Im Laufe der Jahre wurden die Rollennamen des Stücks immer wieder angepasst, um sie an bekannte Künstlerinnen und Künstler anzulehnen. So finden sich inzwischen auch Lady Gaga und Avicii unter den rebellischen Bohemians. Die weibliche Hauptrolle aus dem Rebellenlager heißt in Stuttgart nun Meat – eine Hommage an Meat Loaf – und wird von Helena Lenn gespielt, die mit enormer Stimmgewalt überzeugt. Ihr zur Seite steht Nicolas Christahl, der als Tazer das Alter Ego von Taylor Swift darstellt und schließlich die entscheidende Entdeckung macht, dass Galileo der Retter der verlorenen Musik ist.
Neben den Hauptrollen füllt ein im Vergleich zur Originalversion um sechs Personen verkleinertes Ensemble die Bühne. Dies gelingt mal mehr, mal weniger gut, da das Bühnenbild im Wesentlichen aus einem Aufbau an der Rückwand besteht, in dem sich auch die Band befindet und auf dem Videoprojektionen gezeigt werden. Nur für die Darstellung des Rebellenlagers im „Heartbreak Hotel“ werden zwei Flügel ausgeklappt – hier entsteht eine heimelige Atmosphäre und so etwas wie ein echtes Bühnenbild.
Die übrigen Szenen werden durch Videoprojektionen und wenige größere Requisiten wie einen Van, den Thron der Killerqueen oder das Tor zum Wembley-Stadium gestaltet. In der Bühnenmitte befindet sich zudem ein Podest, das hochgefahren oder abgesenkt werden kann, aber nach mehrmaligem Einsatz kaum noch Überraschung bietet. Für eine Neuinszenierung als En-suite-Produktion mit den Möglichkeiten eines großen Theaters und bei Ticketpreisen von durchschnittlich deutlich über 100 Euro darf man an der einen oder anderen Stelle durchaus mehr erwarten.
Auch die Choreografie von Fabian Aloise kann die Leere nur bedingt füllen. Aloise bevorzugt Aufstellungen in Reihen – horizontal wie vertikal – und setzt stark auf den Einsatz der Hände. Die Schrittabfolgen wirken von Hip-Hop und Contemporary Dance inspiriert und passen zu den futuristischen Kostümen der Gaga-Kids.
Das Musical „We Will Rock You“ ist seit über zwei Jahrzehnten ein Dauerbrenner – vor allem dank der zeitlosen Musik von Queen, die in den letzten Szenen regelmäßig für Konzertatmosphäre im Zuschauerraum sorgt. Auch in Stuttgart beweist das Publikum bei den Zugaben Textsicherheit und feiert den exklusiven Auftritt von Brian May mit seiner Gitarre bei der Premiere frenetisch.
Das Update der Inszenierung bemüht sich, mit zeitgemäßen Texten eine Handlung zu vermitteln, die vor allem im zweiten Akt Längen und Vorhersehbarkeit zeigt. Eine geglückte Besetzungswahl kann jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass in puncto Bühnen- und Personalausstattung kontinuierlich abgebaut wird.
Text: Nathalie Kroj