„Sister Act“ (Foto: Katharina Karsunke)
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Einfach fabelhaft: „Sister Act“ in Hamburg

Das Musical „Sister Act“ (Buch: Cheri und Bill Steinkellner, Texte: Glenn Slater) nach dem gleichnamigen Film mit Whoopi Goldberg in der Hauptrolle, ist definitiv keine Seltenheit auf den diesjährigen Spielplänen der deutschlandweiten Theater und Open-Air-Bühnen. Langweilig und unkreativ? Bestimmt nicht, ist es doch ein Stück, das vor allem durch seine lebensbejahende, extra für die Bühnenversion geschriebene Musik (Alan Menken) einfach immer wieder große Freude bereitet. Sicher auch ein Grund, warum das First Stage Theater in Hamburg gerade diese Show unter der Regie von Jens Daryousch Ravari spielt und allabendlich die Liebe hereinlässt.

Wer kennt die weltberühmte Story nicht: Die arbeitslose Nachtclubsängerin Deloris van Cartier wird Zeugin eines Mordes und muss sich in einem Kloster verstecken. Ein kurioses Bild, der schillernde Nachtvogel unter all den frommen, streng gekleideten Ordensschwestern, die im Inneren gar nicht so linientreu sind wie sie es selbst gerne wären. Doch ob gläubig oder nicht, letztendlich verbindet sie alle eines: Das Vertrauen in die Liebe und die unbändige Freude an der Musik.

In der besuchten Show wird Protagonistin Deloris dargestellt von Stage-School-Studentin Lina Kropf. Es ist mehr als bewundernswert, wie sie in ihrem jungen Alter mit äußerst viel Talent, Freude und Bühnenpräsenz spielerisch leicht überzeugen kann. Sie nimmt die Herausforderung an, eine Rolle zu stemmen, die wahrlich als „Rampensau“ durch den Abend führt, sich selbst gerne feiern lässt, durchgängig im Mittelpunkt stehen möchte und letzten Endes auch zwischen den Schwestern eine vertrauensvolle Leitfigur einnimmt. Kropf muss sich hinter ihren Profi-Kolleginnen auf den deutschlandweiten Bühnen in keinem Fall verstecken, als sie vor allem mit ihrer wunderbar starken, überraschend souligen Stimme und „Zeig mir den Himmel“ glitzernd und funkelnd die Show eröffnet. Im Laufe des Abends steigert sich Kropf spürbar in ihren Gesangsnummern und harmoniert wundervoll im Zusammenspiel mit Jonas Kuczera als Ganove Curtis, Femke Soetenga als Mutter Oberin oder dem Ensemble.

Femke Soetenga, stets ein prominenter und beliebter Gast am First Stage Theater, ist als strenges, frommes Ordensoberhaupt wahrlich ein Geschenk des Himmels. Ihre noch recht junge Mutter Oberin wirkt verhärmt, verbissen und kontrolliert und ist doch stets auf der Suche nach Antworten in ihrem Glauben, die sie selbst nicht immer finden mag. Soetenga kreiert authentisch einen Charakter, der einerseits mitfühlen, aber auch zugleich herrlich schmunzeln lässt, wenn ihr die heilige Ordnung zu entgleiten droht. „Hier an diesem Ort“, versucht sie alles, was ihr wichtig ist, im Namen des Herrn aufrechtzuerhalten und muss sich am Ende mit ihren eigenen Prinzipien geschlagen geben und, ja, der Liebe den Sieg überlassen.

„Sister Act“ (Foto: Dennis Mundkowski)

Für den Polizisten Eddie Fritzinger, hämisch Schwitze-Fritze genannt, wurde Aliosha Jorge Ungur verpflichtet. Wie schon bei „Footloose“ in den vergangenen Jahren, lässt er mit viel Talent einen schüchternen, leicht nerdigen Protagonisten entstehen, der das Herz am rechten Fleck hat und letztendlich mit seiner liebevollen Art, stetigen Verlässlichkeit und auch ein wenig Beharrlichkeit überzeugen kann. Einerseits beim Publikum, welches sein Spiel mit vielen Lachern und Applaus quittiert, aber auch bei Deloris selbst, als Eddie letztendlich ihr Herz erobert. Mit dem richtigen Gespür für Witz und Komik und einem Hauch Verletzlichkeit in der Stimme ist Ungurs Schwitze-Fritze äußerst gelungen und charmant, so dass man ihn zeitweise am liebsten selbst in den Arm nehmen möchte.

Jonas Kuczera überzeugt als schmieriger, unangenehmer, selbstverliebter Ganove Curtis und hat ebenfalls wie Lina Kropf die dankbare Aufgabe, sich in der Protagonistenriege einzureihen und zu entfalten. Dies gelingt ihm wunderbar authentisch und man erlebt als Publikum großes Potential, welches auf jeden Fall bereit ist, weiterhin entdeckt und noch mehr ausgeschöpft zu werden. Auf keinen Fall unerwähnt bleiben darf Dejan Brkic, welcher einen sympathischen und herrlich amüsanten, liebevoll väterlichen Monsignore Howard gibt und somit das doch etwas leichtere Gegenstück zur strengen Mutter Oberin darstellt. Auch sorgen Peter Lehmann (TJ), Florian Karnatz (Joey) und Beneon Stevenson (großartig als stets Spanisch sprechender Pablo) als verplante, dusselige Ganoven-Compagnons mit viel Talent für äußerst gute Unterhaltung und haben die Lacher mehr als einmal auf ihrer Seite.

Doch was wäre „Sister Act“ ohne seine beeindruckenden, swingenden Klosterschwestern? Fakt ist, nach spürbar anfänglichen Startschwierigkeiten entdecken die Nonnen die Freude und ihr Talent am Gesang und schmettern im wahrsten Sinne des Wortes, dass die Klostermauern beben. Die Nummern „Sonntagmorgenfieber“ oder „Zeig mir den Himmel“ sind ohne Zweifel die absoluten Ohrwürmer und Höhepunkte des Stücks. Jens Daryousch Ravari und seinem Team ist es hervorragend geglückt, unter den zahlreichen Studentinnen der Stage School kreativ die Charaktere der einzelnen Nonnen herauszuarbeiten, zu formen und mit Leben zu füllen. Sei es die schüchterne und zugleich sehr charakterstarke Mary Robert (Sarah Hannuschka), die mit ihrer wunderbar leichten, klangvollen Stimme aufhorchen lässt, die herrlich komische Mary Lazarus (Sina Dieterle) oder die energiegeladene Schwester Mary Patrick (Imke Wynants), mit dem wahrscheinlich größten Herzen von allen. Gerade wenn einem äußerlich nicht mehr als eine Nonnenkluft bleibt, bedeutet dies, umso mehr in Mimik, Ausdruck, Gesang und Spiel zu überzeugen und das Publikum letztendlich mitzunehmen.

Mit Doris Marlis wurde eine fantastische Choreografin engagiert, der es mit dem richtigen Blick und Gespür erfolgreich gelungen ist, all die Bewegungsabläufe und Tanznummern miteinander zu verweben und in einen guten Fluss zu bringen. Die Kostüme (Sybille Gänsslen-Zeit) sind authentisch an das Leben im Orden angepasst und stehen im perfekten Kontrast zum schillernden Siebzigerjahre-Style von Deloris und ihren Nachtclub-Kolleginnen. Ganz auf die Klostermauern ausgelegt, ist das Bühnendesign (First Stage Theater Team) schlicht, etwas karg und dennoch passend sowie greifbar. Geschickt werden hierbei wenige Accessoires oder Raumandeutungen mit einzelnen drehbaren Kulissenteilen wie zum Beispiel die Polizeistation, eine Kneipe oder auch die Kirchbänke, eingesetzt. Licht und Ton vervollständigen dies gekonnt. Auch fühlt man sich bereits wie auf dem Weg zum Beichtstuhl, sobald man den Saal betritt. Die liebevolle Gestaltung des First Stage Theaters ist auch in diesem Jahr wieder ein absoluter Hingucker und schafft es mit den ersten Sekunden, das Publikum in die richtige Stimmung zu versetzen.

„Sister Act“ lebt weniger von einem detailreichen Buch und tiefgründigen Dialogen, sondern eindeutig durch die Musik und den Gesang. Sei es Gospel, sei es Swing oder poppig-soulig, wenn Deloris wie Donna Summer die Töne zum Himmel schmettert – all dies wird ganz wunderbar begleitet durch die Band unter der dynamischen Leitung von Tjaard Kirsch, der es schafft, dass es am Ende im Zuschauerraum niemand mehr auf seinen Sitzen hält. Somit kann man ganz klar sagen: Auch in diesem Sommer lohnt sich ein Besuch im First Stage Theater Hamburg. „Einfach fabelhaft, Baby!“

Text: Katharina Karsunke

Katharina Karsunke ist Sozial- und Theaterpädagogin, hat jahrelang Theater gespielt, aber auch Kindertheaterstücke geschrieben und inszeniert. Ihre Liebe fürs Theater und ihre Leidenschaft fürs Schreiben kombiniert sie bei kulturfeder.de als Autorin.