„Pinocchios Abenteuer“ (Foto: Stephan Glagla)
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Bunt und anspruchsvoll: „Pinocchios Abenteuer“ in Osnabrück

Jedes Kind kennt wohl Carlo Collodis Geschichte von dem aus Holz geschnitzten Pinocchio, der sich nichts sehnlicher wünscht, als ein echter Junge zu sein. Zunächst angekündigt als Familienoper, geeignet für Kinder ab 8 Jahre, dann korrigiert auf 10 Jahre, zeigt das Theater Osnabrück mit „Pinocchios Abenteuer“ eine Oper von Jonathan Dove, die von Christian von Götz fantasievoll inszeniert wurde und – besonders musikalisch – anspruchsvoller ist, als man es erwarten könnte.

Im Grunde ist das Werk lediglich ein kurzfristig realisierter Ersatz für die Uraufführung der Oper „Der Schatten“ von Jüri Reinvere, die das Theater im Einvernehmen mit dem Komponisten abgesagt hat – weil künstlerische Fragen aufgeworfen wurden, die eine grundsätzliche Neukonzeption des Stücks ratsam erscheinen ließen. Dem Publikum wird nun also eine bekannte Kindergeschichte statt eines düsteren Kunstmärchens präsentiert.

Doch als düster erweist sich ebenso die Partitur von Jonathan Dove, die er für „Pinocchios Abenteuer“ komponiert hat. Dabei fehlt es besonders an großen Melodien mit Wiedererkennungswert und musikalischen Motiven für die einzelnen Charaktere, was insbesondere für die Kinder im Publikum wichtig wäre.

Das Klangangebot erstreckt sich über Komponisten des 19. und 20. Jahrhunderts, an denen sich Dove offensichtlich bedient hat. Mal dröhnt die Musik wie bei Wagner, mal klingt sie abstrakt wie bei Glass, dann blitzen märchenhaft-fantastische Funken wie bei Humperdinck oder Strawinsky auf – insgesamt ein sehr lauter und farbiger Mix, den das Osnabrücker Symphonieorchester unter dem leidenschaftlichen Dirigat von Daniel Inbal spielt.

So schwer und wenig zugänglich der Abend musikalisch ist, so abwechslungsreich und fantasievoll ist dagegen die Inszenierung von Christian von Götz, der in Osnabrück schon das Musical „Chaplin“ inszenierte. Mit „Pinocchios Abenteuer“ ist von Götz eine Produktion voller Bühnenzauber gelungen, in der er mit exzellenter Personenführung den Spannungsbogen durchgängig halten kann und die bereits vor der Ouvertüre beginnt, wenn die Blaue Fee (Susann Vent-Wunderlich) links am Bühnenportal ein altes Märchenbuch in die Hand nimmt, von dem sie eine dicke Staubschicht herunterbläst.

Sehenswert ist zudem die Ausstattung von Lukas Noll, der nicht nur farbenfrohe Kostüme, sondern ein vielseitiges Bühnenbild geschaffen hat, das er durch den Einsatz von Videos großartig ergänzt. So entsteht ein wilder Ritt in 15 Bildern, in denen sich Regisseur und Ausstatter geradezu austoben – zum Beispiel mit Fackelfeuer, gefolgt von einem fliegenden Pinocchio und einem großen Seesturm. Und selbstverständlich wächst auch die Holznase der Titelfigur mit jeder Lüge.

Der Star des Abends ist Olga Privalova als Pinocchio, die eine faszinierende Leistung bietet. Nahezu ununterbrochen auf der Bühne, begeistert sie mit hölzernen Gesten und klarem Gesang. Mit seinem volltönenden Bariton erweckt Jan Friedrich Eggers seinen Gepetto eindrucksvoll zum Leben und überzeugt ebenso als Ausrufer und Richter. Susann Vent-Wunderlich schafft es als Blaue Fee wortwörtlich, das Publikum zu verzaubern, während Marianna Herzig als Grille, Papagei und Rosaura sehr gut gefällt.

Dem Feuerschlucker, Zirkusdirektor und Bauern verleiht Erik Rousi mit seinem profunden Bass ein stattliches Profil und Mark Hamman sowie Kathrin Brauer sind als Katze und Fuchs nicht nur gesanglich, sondern vor allem optisch durch ihre aufwändigen Kostüme sowie Masken weitere Highlights dieser Produktion. Darüber hinaus sind selbst die kleinsten der zahlreichen Rollen glänzend besetzt, als herausragend erweist sich zudem wieder einmal der stimmstarke Chor (Einstudierung: Sierd Quarré) des Theaters Osnabrück.

Text: Dominik Lapp

Dominik Lapp ist ausgebildeter Journalist und schreibt nicht nur für kulturfeder.de, sondern auch für andere Medien wie Lokalzeitungen und Magazine. Er führte Regie bei den Pop-Oratorien "Die 10 Gebote" und "Luther" sowie bei einer Workshop-Produktion des Musicals "Schimmelreiter". Darüber hinaus schuf er die Musical-Talk-Konzertreihe "Auf ein Wort" und Streaming-Konzerte wie "In Love with Musical", "Musical meets Christmas" und "Musical Songbook".