„Chaplin“ Foto: Jörg Landsberg
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Kein großer Wurf: „Chaplin“ in Osnabrück

Es hätte wirklich ein großer Abend werden können, wenn ein Musiktheaterstück die Stummfilm-Ikone Charlie Chaplin in den Fokus stellt. Doch das Musical „Chaplin“ am Theater Osnabrück erweist sich als Rohrkrepierer – und das liegt keinesfalls am Kreativteam oder den Künstlern. Vielmehr stinkt der Fisch vom Kopf: „Chaplin“ krankt am schwachen Buch von Thomas Meehan und der seicht vor sich hinplätschernden Musik von Christopher Curtis.

In einer recht oberflächlich gehaltenen, nummernartigen Aufzählung werden die wichtigsten Höhe- und Wendepunkte im Leben des Hauptprotagonisten angerissen. Neben der verarmten Jugend in London und dem Aufstieg in der Filmbranche, werden ebenso Chaplins tiefer Fall, die spätere Rehabilitation und seine Vorliebe zu jüngeren Frauen thematisiert. Und obwohl das Buch von Thomas Meehan durchaus dramaturgische Lichtblicke aufweist, bietet es doch zu wenig Gehalt und kann keinerlei Sympathien für Charlie Chaplin wecken.

Darüber hinaus kann es nicht einmal die Musik von Christopher Curtis herausreißen. Zwar machen An-Hoong Song und seine Orchestermusiker ihre Sache sehr gut, aber auch ein gutes Orchester kann mitunter in einer langweiligen Partitur gefangen sein. Die Songs von Curtis – eine Mischung aus Swing, Charleston und Balladen – klingen auf charmante Weise altbacken wie eine Hommage an die großen Broadway-Klassiker. Doch keine Melodie bleibt letztlich hängen, so dass man beim Verlassen des Theaters die Musik schon wieder vergessen hat.

Wo die Broadway-Inszenierung wie ein alter Stummfilm ganz streng in Schwarz-Weiß-Grau daherkam, hat sich Regisseur Christian von Götz, der auch für das Bühnenbild verantwortlich zeichnet, in Osnabrück ordentlich am Farbkasten bedient. Lediglich die Szenen in London sind sehr dunkel gehalten, während in Hollywood grelle Farben dominieren. Exzellent in das Geschehen integriert wurde fernerhin eine Leinwand, über die immer wieder Szenen in Schwarzweiß flimmern, während sich im Vordergrund das Leben Hollywoods in strahlendem Technicolor abspielt.

Als geradezu genial erweist sich zudem der Kniff, Charlie Chaplin privat im knallgelben Anzug zu zeigen (Kostüme: Sarah Mittenbühler) und ihn immerzu von der durch ihn geschaffenen Kunstfigur, den kleinen Tramp als Alter Ego begleiten zu lassen. Mit Verena Hierholzer wurde die stumme Rolle des Tramps geradezu herausragend besetzt, wirkt sie doch wie eine exzellente Kopie, wenn sie die Schultern hebt oder über die Bühne dackelt.

Das schwerste Päckchen zu tragen hat aber Mark Hamman in der Titelrolle – und er legt sich dabei ordentlich ins Zeug. Überzeugend spielt er die Manierismen Chaplins aus und singt seine Soli mit klangschöner Stimme. Der Höhepunkt seiner Darstellung gelingt ihm am Ende des ersten Akts, wenn Charlie Chaplin um den kurz nach der Geburt gestorbenen Sohn trauert.

Tobias Rusnak spielt Charlies untalentierten Bruder Sydney, ist allerdings viel zu jung, um den älteren Bruder zu mimen. Die fehlenden Jahre macht er aber durch sein sympathisches Schauspiel wieder wett. Susann Vent-Wunderlich verleiht Charlies psychisch kranker Mutter Hannah Chaplin eine starke Kontur, während Erika Simons als Oona O’Neill brilliert, wenngleich ihre Rolle nicht sehr groß ausgefallen ist, obwohl Oona 30 Jahre lang die Frau an Charlies Seite war. Die Lacher auf ihrer Seite haben Katarina Morfa als Klatschreporterin Hedda Hopper und Heike Hollenberg als deren Sekretärin.

In kleineren Rollen sind die fantastischen Studenten des Instituts für Musik (IfM) der Hochschule Osnabrück zu sehen. Leider sind sie in diesem Stück gnadenlos unterfordert, weil sie ganz einfach mehr können, als sie bei „Chaplin“ zeigen dürfen. Insbesondere Annina Hempel, Marlene Jubelius, Celena Pieper, Lennart Christian, Aniello Saggiomo und Tobias Georg Biermann müssen hier stellvertretend genannt werden, weil gerade sie zuletzt noch am Theater Hagen in dem großartigen Einwanderer-Drama „In the Heights“ ihr wahres Können bewiesen haben.

So bleiben bei „Chaplin“ letzten Endes zwar eine durchaus gelungene Inszenierung von Christian von Götz, die stimmige Choreografie von Kerstin Ried, ein solide aufspielendes Orchester und eine starke Besetzung. Doch den Abend rettet das nicht. Zu langatmig ist das Buch, zu langweilig die Musik. Dass dieses Musical schon am Broadway kein großer Wurf war, ist nur allzu verständlich. Dort bemängelten Kritiker bereits die Punkte, an denen das Stück auch in Osnabrück krankt. Aber dennoch: Lautstarker Schlussapplaus vom Osnabrücker Publikum.

Text: Dominik Lapp

Dominik Lapp ist ausgebildeter Journalist und schreibt nicht nur für kulturfeder.de, sondern auch für andere Medien wie Lokalzeitungen und Magazine. Er führte Regie bei den Pop-Oratorien "Die 10 Gebote" und "Luther" sowie bei einer Workshop-Produktion des Musicals "Schimmelreiter". Darüber hinaus schuf er die Musical-Talk-Konzertreihe "Auf ein Wort" und Streaming-Konzerte wie "In Love with Musical", "Musical meets Christmas" und "Musical Songbook".