„3 Musketiere“ (Foto: Nilz Böhme)
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Äußerst gelungen: „3 Musketiere“ in Magdeburg

Heldenhafte Soldaten, klirrende Degenkämpfe, anmutige Frauen und eine packende, historische Geschichte: Der junge D’Artagnan reist im Frankreich des frühen 17. Jahrhunderts nach Paris, um in die Fußstapfen seines Vaters zu treten und bei der Leibgarde des Königs Louis XIII. ein Musketier zu werden. Der Inhalt beruht auf dem berühmten gleichnamigen Roman von Alexandre Dumas aus dem Jahr 1844, der zu den großen Klassikern der Literaturgeschichte gehört. Nun findet die Geschichte als Musical „3 Musketiere“ von Rob und Ferdi Bolland (Musik und Liedtexte) und André Breedland (Buch) ihren Weg auf die Bühne des Magdeburger Opernhauses – in einer sehr detailgetreuen, liebevoll arrangierten und zugleich mitreißenden und imposanten Inszenierung von Ulrich Wiggers.

Die Gestaltung dieses historischen Stoffes beeindruckt bereits, als die ersten Töne der Ouvertüre erklingen. Die Magdeburgische Philharmonie unter der Leitung von Damian Omansen zieht den Zuschauer ohne Umschweife in ihren Bann und in das Innere der Handlung von „3 Musketiere“. Als sich der Vorhang erhebt, beginnt der Conférencier (Christoph Bangerter), ein Gefangenenwärter im Gefängnis der Unterdrückten, seinen Zellengenossen eine abenteuerliche Geschichte zu erzählen, in der ein junger, mutiger Mann die Hauptrolle spielt: D’Artagnan.

„Heut‘ ist der Tag“, bedeutet es für D’Artagnan, als er sein Elternhaus verlässt und aufbricht, um Musketier zu werden. Florian Peters gibt den kühnen, jungen Mann mit Leidenschaft, voller Entschlossenheit, Antrieb und Tatendrang, bereit, die Welt zu erobern und sich heldenhaft für seine Mitmenschen einzusetzen. Geschickt gelingt es ihm, den ungestümen, etwas naiven jungen Burschen hinter sich zu lassen, der sehr schnell versteht, wofür er kämpfen muss, um die Welt zu einem Besseren zu wenden. Zu Beginn zeigt er noch etwas Mühe, mit dem schnell und sehr kräftig untermalenden Orchester stimmlich mitzuhalten, wohingegen er im Laufe des Stückes immer sicherer und – wie seine Rollenfigur – immer mutiger und stärker wird. Am Ende erreicht er zu Recht sein großes Ziel: Als Musketier aufgenommen zu werden.

Wie das Schicksal spielt, ist der Beginn in Paris alles andere als einfach für D‘Artagnan und er tritt von einem Fettnäpfchen ins nächste, so dass er sich bereits für den zweiten Tag drei Duelle einhandelt – ohne zu wissen, dass es sich bei seinen Gegnern um Musketiere handelt. Athos, Porthos und Aramis gehören zur Leibgarde des Königs, und sie alle haben D‘Artagnans Vater gekannt. Ein wirklich gelungener Schachzug ist hier die detailgetreue Zeichnung der einzelnen Charaktere: Athos (Lucius Wolter) wirkt als der klassische Musketier, stark, männlich, souverän, aber dennoch reserviert und kühl und zusätzlich sehr verletzt. Die Vergangenheit ließ ihn verbittern, die früheren Jahre haben ihm sämtlichen Glauben an die wahre Liebe genommen. Seinen „Engel aus Kristall“ (Milady de Winter) kann er allerdings nicht vergessen.

„3 Musketiere“ (Foto: Nilz Böhme)

An seiner Seite stehen Porthos (Benjamin Eberling), der ewig Baguette futternde, liebevolle, etwas tollpatschige und gemütliche Part der Truppe, sowie Aramis (Dániel Rákász), der mit Sexappeal und Kampfgeist beeindruckt, und dem die Frauen aus Paris reihenweise zu Füßen liegen. Die Gefechte der drei Männer – sei es mit Worten oder Degen – sind gespickt mit Humor und einer gewissen Prise Selbstironie. Sie sind sich für nichts zu schade, nehmen sich gerne selbst ein wenig aufs Kreuz, aber zeigen absolute Disziplin und Zuverlässigkeit, wenn es darum geht, sich gegen die durchtriebene Leibgarde des Kardinals Richelieu und dessen Spion Rochefort (Johannes Wollrab) durchzusetzen.

Patrick Stanke gibt, fast 15 Jahre nachdem er selbst D’Artagnan in der deutschsprachigen Erstaufführung der „3 Musketiere“ in Berlin verkörperte, nun den intriganten, wenn auch nicht gleich unverletzlichen Kardinal Richelieu, der als Untergebener, fast schon Geisel Gottes, die Macht über Frankreich im Sinne hat. Für dieses Ziel geht er über Leichen und räumt geschickt und rücksichtlos alle aus dem Weg, die sich seinem Aufstieg zur Herrschaft entgegenstellen.

Patrick Stanke ist für diese Rolle die perfekte Besetzung. Groß, stark, machtgierig, beinahe einschüchternd, mit sehr ausdrucksstarker Stimme, die gekonnt die zum Teil rockigen Nummern des Kardinals interpretiert und untermalt. Doch es wäre ja zu einfach, wenn Richelieu nicht auch einen Widersacher hätte, beziehungsweise eine Widersacherin: Milady de Winter. Obwohl er gegen sie sämtliche Druckmittel ausübt, da sie immer noch in seiner Schuld steht und nur durch ihn von ihrem Brandmal, dem Brandmal einer Hure, freigesprochen werden kann, zögert sie nicht, sämtliche Krallen auszufahren, um ihr großes Ziel zu erreichen – die Wiederherstellung ihrer Ehre. Für diesen Weg scheut sie nicht vor Intrigen und ist zähneknirschend bereit, Richelieu zu dienen und dafür andere auszuspionieren, zu demütigen und zuletzt, ja, zu ermorden. Zudem ist sie die einzige Frau, die mit den Waffen der Männer – mit dem Degen – kämpft.

Innerlich ist Milady verzweifelt und zutiefst verletzt und sieht zum Schluss nur den Ausweg in den Freitod, als sie nach Jahren des Schmerzes und der Verbannung ihre einstige große Liebe Athos trifft und ihr Flehen nach Vergebung nicht erhört wird. Das tragische Ende eines Mädchens, das wie alle anderen nur das wahre Glück suchte. Katja Berg tritt mit ihrer Rollenbesetzung in große Fußstapfen (Uraufführung und deutschsprachige Erstaufführung: Pia Douwes) und meistert es mit Bravour. Sie besticht durch eine volle, sehr wirksame Stimme und erfüllt den Saal mit dem nötigen Klang, so dass sie mühelos bei ihrer Rückkehr nach Paris („Milady ist zurück“) die Bühne für sich erobert und das Publikum in ihren Bann zieht. Ihr Schauspiel demonstriert, dass Milady viel erlebt hat – viel mehr, als man jemandem wünschen möchte – und dass ihre Ankunft einen wichtigen Grund mit sich bringt. Der unwissende Zuschauer kann bereits hier erahnen, dass er es noch ausführlich mit ihr zu tun haben wird.

Milady de Winter wird umrahmt von zwei weiteren, starken Frauencharakteren: Königin Anna, die sich strauchelnd im Zwiespalt befindet zwischen der Treue zu ihrem Mann, König Louis XIII. (Andreas C. Meyer) und dem Land, welches sie regieren, sowie ihrem Heimatland Spanien und ihrer einstigen großen Liebe, dem Herzog von Buckingham aus England (ebenfalls Andreas C. Meyer). Jeanett Neumeister, Mitglied des Magdeburger Opernchores, gibt Anna groß und stolz und in der glaubhaften Auseinandersetzung mit sich und ihrer Loyalität, als England kurz davorsteht, einen Krieg mit Frankreich zu beginnen.

„3 Musketiere“ (Foto: Nilz Böhme)

Als Dritte im Bunde trifft der Zuschauer auf Constance, Zofe der Königin und das Mädchen, in das sich D’Artagnan unsterblich auf den ersten Blick in Paris verliebt. Im großen Trio „Wer kann schon ohne Liebe sein“ erzählen die drei Damen völlig unterschiedlicher Herkunft ihre Geschichten – und letztendlich träumen sie doch alle nur eines: die große Liebe (wieder-) zu finden. Katia Bischoff, welche erst in diesem Jahr ihre Ausbildung an der Universität der Künste in Berlin abschloss, ist durch und durch eine äußerst gelungene Hauptbesetzung. Grazil, schön, beinahe schon filigran, interpretiert sie die junge, unschuldige, aber gewiss auch sehr starke Constance, die von Beginn an D’Artagnan vertraut und in ihm eines sieht: Einen mutigen, verlässlichen, für Gerechtigkeit brennenden Soldaten.

Fast drei Stunden zieht „3 Musketiere“ den Zuschauer in seinen Bann. Dennoch gelingt es Ulrich Wiggers, in seiner Inszenierung mit keiner Sekunde Langeweile aufkommen zu lassen. Dazu tragen insgesamt 26 Bilder und viele schnelle, flüssige Szenenwechsel bei. All das hat Leif-Erik Heine (Bühne und Kostüme) vor Herausforderungen gestellt, so dass sechs große, mit dem Bühnenbild bestückte Wagen, in den unterschiedlichsten Konstellationen zusammengeschoben werden. Auch Pommes de Terre, D’Artagnans Pferd, darf in der Kulisse nicht fehlen und sorgt für Lacher auf Seiten des Publikums. Der Regie war es ein Anliegen, die Geschichte als historisches Abenteuer erzählerisch auf die Bühne zu bringen.

Ein passender Schachzug sind bei „3 Musketiere“ zudem die ausgetragenen Fechtkämpfe. Klaus Figge (Kampfchoreografie) ist es hervorragend gelungen, die Fechtszenen als Tanzchoreografie zu erarbeiten, sie aber wie Kämpfe aussehen zu lassen. Schnell, windig und geschmeidig – passend für eine echte Abenteuergeschichte – sind diese Momente ohne Zweifel die Höhepunkte der Inszenierung. All das wird zusätzlich verwoben mit der Arbeit von Kati Heidebrecht (Choreografie), der es bemerkenswert gelingt, Ensemble, Mitglieder des Magdeburger Opernchores, der Statisterie und des Balletts miteinander zu verknüpfen und dem Zuschauer in Ensembleszenen wie „Paris“ einen Genuss fürs Auge zu bescheren.

„3 Musketiere“ am Magdeburger Opernhaus ist äußerst sehenswert und wurde in seiner Premierenvorstellung zu Recht begleitet von Szenenjubel und Standing Ovations. An einigen wenigen Stellen bringt es Entwicklungspotezial mit sich, denn es ist ein herausforderndes Stück, welches mit vielen kleinen, aber feinen, ineinander übergehenden Geschichten, den unterschiedlichsten, miteinander verwobenen Charakteren, einer fantastischen musikalischen Untermalung, einer ausdrucksstarken Unterstützung durch Ballett, Statisterie und Chor, hervorragender (Fecht-) Choreografien und einem aufwändigen Bühnenbild aufwarten lässt. Es galt, all diese Feinheiten bei „3 Musketiere“ unter einen Hut zu bringen, ohne etwas davon zu vernachlässigen. Und dies ist in hohem Maße sehr erfolgreich gelungen. „Einer für alle, und alle für einen!“

Text: Katharina Karsunke

Katharina Karsunke ist Sozial- und Theaterpädagogin, hat jahrelang Theater gespielt, aber auch Kindertheaterstücke geschrieben und inszeniert. Ihre Liebe fürs Theater und ihre Leidenschaft fürs Schreiben kombiniert sie bei kulturfeder.de als Autorin.