„Lizard Boy“ in Hamburg (Foto: Stefan Kock)
  by

Eine wahre Perle: „Lizard Boy“ in Hamburg

Oft verstecken sich wahre Perlen des Musicalgenres unter den kleinen unscheinbaren Stücken, die niemand so wirklich auf dem Schirm hat. Zwischen solch grandiosen kleinen Musicals wie „tick, tick… BOOM!“, „The Last Five Years“, „Thrill me“, „Flames“ oder „Once“ reiht sich definitiv auch „Lizard Boy“ ein, das jetzt seine kontinentaleuropäische und deutsche Erstaufführung am English Theatre Hamburg gefeiert hat.

Entstanden ist das Werk mehr oder weniger zufällig. Der Theaterregisseur Jerry Manning hatte Justin Huertas beauftragt, eine One-Man-Show zu schreiben – der bis zu diesem Zeitpunkt allerdings noch nie ein Stück geschrieben hatte und sich von seinen liebsten Comic-Helden wie „X-Men“ und „Spider-Man“ sowie vom Musical „Spring Awakening“ inspirieren ließ. Dabei herausgekommen ist mit „Lizard Boy“ ein Drei-Personen-Musical, das die Geschichte von Trevor erzählt. Dieser ist ein Lizard Boy, ein Echsenmensch mit grünen glitzernden Schuppen, der in unserer Welt nicht akzeptiert wird und es deshalb schwer hat, offen zu leben.

Justin Huertas als Komponist und Librettist des Stücks hat bislang in allen Inszenierungen weltweit die Rolle des Trevor gespielt: In Seattle (2015), San Diego (2016), Silicon Valley (2021) sowie in Manchester und Edinburgh (beide 2022), beim Sprung an den Off-Broadway (2023) und in Oregon (2024). In Hamburg ist die erste Inszenierung zu sehen, in der Huertas seine Rolle, die er sich selbst auf den Leib geschrieben hat, abgegeben hat.

„Lizard Boy“ in Hamburg (Foto: Dominik Lapp)

In der Hansestadt wird Trevor von Peter Tabornal gespielt, der mit Sophie Earl als Siren und Jacob Bedford als Cary ein herausragendes Trio bildet, das nicht nur fantastisch singt und überzeugend spielt, sondern auch noch phänomenal alle Instrumente, die in der Show zu hören sind, selbst spielt – das erinnert an „Once“ und funktioniert auch bei „Lizard Boy“ ganz hervorragend, wenn die drei Multi-Instrumentalisten Cello, Gitarre, Ukulele, Klavier, Melodica, Glockenspiel und Cajon spielen. Allein aus diesem Grund muss man dieses Stück unbedingt gesehen haben. Fans von Musicals in Originalsprache kommen zusätzlich auf ihre Kosten, denn wie im English Theatre üblich, ist die komplette Show selbstverständlich auf Englisch.

Die Fantasy-Story rund um Drachen und Superkräfte ist zwar etwas wirr, rückt aber aktuelle Themen wie Selbstfindung, Selbstakzeptanz, Toleranz, Anderssein und Homosexualität in ein unterhaltsames Licht und verzichtet so auf den erhobenen Zeigefinger. Regisseur Paul Glaser hat das sehr stimmig und temporeich in Szene gesetzt, so dass die rund zweistündige Show wie im Flug vergeht.

Das sparsame Bühnenbild (Mathias Wardeck) erweckt den Anschein eines abgerockten Musikschuppens, was durch Videoprojektionen (Paul Glaser) im Comic-Stil eine zusätzliche Aufwertung erfährt und bestens zu der Comic-Helden-Story passt. Die Kostüme (Patricia Royo) unterstreichen zudem gut die jeweiligen Charaktere.

Musikalisch bietet „Lizard Boy“ gut ins Ohr gehende Soli und Duette verschiedener Genres, die die Gefühlswelt der Charaktere gut widerspiegeln. Klassische Musical-Balladen wechseln sich hier mit eingängigen Popsongs und rhythmischen Soft-Rocknummern ab, was für Abwechslung sorgt. Definitiv eines der besten Small-Cast-Musicals der letzten Jahre und ein echter Geheimtipp für einen Theaterbesuch in Hamburg!

Text: Dominik Lapp

Avatar-Foto

Dominik Lapp ist ausgebildeter Journalist und schreibt nicht nur für kulturfeder.de, sondern auch für andere Medien wie Lokalzeitungen und Magazine. Er führte Regie bei den Pop-Oratorien "Die 10 Gebote" und "Luther" sowie bei einer Workshop-Produktion des Musicals "Schimmelreiter". Darüber hinaus schuf er die Musical-Talk-Konzertreihe "Auf ein Wort" und Streaming-Konzerte wie "In Love with Musical", "Musical meets Christmas" und "Musical Songbook".