„Der kleine Horrorladen“ (Foto: Dennis Mundkowski)
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Beste Unterhaltung: „Der kleine Horrorladen“ in Hamburg

Hamburg sieht wieder grün, denn die außerirdische Pflanze Audrey II hat erneut die Kontrolle über das First Stage Theater in Altona erlangt und greift nach der Weltherrschaft. Auch im zweiten Jahr verspricht das Musical „Der kleine Horrorladen“ in der stimmigen Inszenierung von Felix Löwy mit der dynamischen Choreografie von Phil Kempster beste Unterhaltung. Neue Gesichter im Ensemble verleihen der Show dabei frischen Wind. 

Wie man es von dem kleinen Privattheater nicht anders gewohnt ist, macht die Bühne schon optisch etwas her. Beim Betreten des Saals hat das Publikum direkt freien Blick auf die Fassaden der abgeranzten Skid Row. Regisseur Löwy, der auch für das Bühnenbild verantwortlich zeichnet, hat einen authentischen Straßenzug entworfen mit Postkasten und Mülltonne, verschiebbaren Wänden, die uns in Mushniks heruntergekommenen Blumenladen schauen lassen, während Orin Scrivellos museale Zahnarztpraxis von der Seite hereinfährt. Die Kostüme von Judith Schnittcher und das Lichtdesign tun ihr Übriges, um die Zuschauerinnen und Zuschauer in das New York der Sechziger mitzunehmen. 

Wir erleben eine skurrile Geschichte (Übersetzung: Michael Kunze), die 1960 als B-Movie das Licht der Welt erblickte, bevor Alan Menken (Musik) und Howard Ashman (Buch und Songtexte) 1982 daraus ein Musical machten, das mit Rick Moranis 1986 verfilmt wurde. In der Inszenierung von Felix Löwy sind keine großen Überraschungen auszumachen, doch versteht es der Regisseur, den schwarzen Humor und das Groteske aus dem Stück herauszukitzeln, die Figuren wunderbar zu überzeichnen und zu überspitzen sowie die Klischeekiste zu bedienen. Dabei entsteht eine genauso sehenswerte wie kurzweilige Horror-Musical-Sitcom, die auf ganzer Linie überzeugen kann. 

Gesegnet ist diese Produktion zudem mit Darstellerinnen und Darstellern, die Mut zur Dämlichkeit mitbringen und ihre Figuren vollkommen verinnerlicht haben. Angeführt wird die Truppe von dem kongenialen Joshua Hien als Seymour, der im Kostüm mit Brille und struwweligen Haaren dem jungen Rick Moranis wie aus dem Gesicht geschnitten ist. Hien gibt einen höchst tollpatschigen, aber absolut liebenswerten Blumenladenverkäufer, der im Verlauf der Handlung immer weiter über sich hinauswächst. Diese Wandlung gelingt ihm schauspielerisch glaubwürdig, während er gesanglich ebenfalls Pluspunkte sammelt. 

Nicht weniger genial ist Franziska Schuster, die als Audrey herrlich exaltiert durch die Skid Row stöckelt und damit wiederholt für herzhafte Lacher sorgt. Sie zeichnet einerseits das Bild eines naiven Blondchens und andererseits eine von häuslicher Gewalt gezeichnete Frau, die sich doch einfach nur nach einem Häuschen „im Grünen irgendwo” sehnt. Mit einer herrlich hohen Sprechstimme piepst sie sich durch die Story, in ihrem Solo oder dem witzig-ironisch inszenierten Duett „Jetzt hast du Seymour” bringt sie aber auch ihren wohlklingenden Mezzosopran zum Strahlen. 

Andreas Zaron gibt als Mr. Mushnik zunächst einen muffeligen, resignierenden Blumenladenbesitzer, der durch den plötzlich einsetzten Geschäftserfolg wieder neuen Mut schöpft. Bas Timmers ist als Orin Scrivello eine Wucht, so wie er den sadistischen Zahnarzt spielt und singt. Stimmstark erweckt Carl van Wegberg Audrey II zum Leben (Puppenspiel: Johannes Kiesler), während Alexander Ruttig Wandlungsfähigkeit in verschiedenen Rollen zeigt. Als kommentierende Soulgirls begeistern Olivia Kate Ward (Chiffon), Finn Samira Präffcke-Schips (Crystyl) und Daniela Tweesmann (Ronnette), die tänzerisch und gesanglich aus dem Vollen schöpfen, wobei vor allem Tweesmann mit ihrer markanten Soulstimme aufhorchen lässt. 

Last but not least ist es die fünfköpfige Band, die einen fantastischen Job macht, wenn sie Alan Menkens stilistisch breit gefächerte Partitur zum Klingen bringt und die Cast mit einem Mix aus Pop-Balladen, Motown, Rock und Soul durch den Abend trägt. 

Text: Dominik Lapp 

Dominik Lapp ist ausgebildeter Journalist und schreibt nicht nur für kulturfeder.de, sondern auch für andere Medien wie Lokalzeitungen und Magazine. Er führte Regie bei den Pop-Oratorien "Die 10 Gebote" und "Luther" sowie bei einer Workshop-Produktion des Musicals "Schimmelreiter". Darüber hinaus schuf er die Musical-Talk-Konzertreihe "Auf ein Wort" und Streaming-Konzerte wie "In Love with Musical", "Musical meets Christmas" und "Musical Songbook".