Witzigkeit kennt keine Grenzen: „Kein Pardon“ auf Tour
Hape Kerkelings 1993 erschienene Fernsehsatire „Kein Pardon“ fand 2011 als Musicaladaption ihren Weg auf die Bühne des Düsseldorfer Capitol Theaters und wurde 2017 an der Musikalischen Komödie Leipzig wiederbelebt. Jetzt schickt Produzent Frank Serr eine von Hakan T. Aslan wunderbar inszenierte und choreografierte Neuproduktion von „Kein Pardon“ auf Tour – und die kann sich durchaus sehen lassen.
Man wird zunächst sicher enttäuscht sein, wenn man das mickrige Bühnenbild sieht, das nur aus einem Portal mit einer Videowand und einer seitlichen Tür besteht. Doch durch verschiedene Möbelstücke und Requisiten und die passenden Einblendungen auf der Videowand sowie durch die gelungene Beleuchtung sowie die zeit- und rollengemäßen Kostüme von Claudia Nitzsche macht die Produktion dann doch noch einen guten Eindruck.
Insbesondere aber lebt die Produktion von einem spielfreudigen Ensemble, das über die spartanische Ausstattung und die Schwächen von Thomas Hermanns‘ Buch hinwegtröstet. Fans des Films kommen auf jeden Fall auf ihre Kosten, denn viele Dialoge sind eins zu eins aus dem Filmdrehbuch von Hape Kerkeling, Achim Hagemann und Angelo Colagrossi übernommen worden – und die aus dem Film bekannten Gags und Pointen sind es auch, die im Musical am besten funktionieren.
Das Publikum feiert den Apparat für die persönliche Glücksmelodie, das Hundefutter „Batzen“ und die Nachwuchssängerin Bettina genauso wie die aus dem Film bekannten Songs „Witzigkeit kennt keine Grenzen“ und „Das ganze Leben ist ein Quiz“.
Vor allem im ersten Akt kommt die Show in Fahrt, die Songs (Musikalische Leitung: Philipp Polzin) von Thomas Zaufke, Achim Hagemann und Heribert Feckler, die mal nach Pop, mal nach Rock und mal nach Revue klingen, treiben die Handlung gut voran. Ein Wermutstropfen dabei: Die Musik kommt aus der Konserve.
Mit umwerfender Spielfreude agieren die Darstellerinnen und Darsteller auf der Bühne und sind damit der größte Pluspunkt der Produktion. Allen voran ist es Tim Reichwein, der als liebenswerter Antiheld Peter Schlönzke zwar ein ganz anderer Typ als Hape Kerkeling im Film oder Enrico De Pieri bei der Uraufführung in Düsseldorf ist, aber mit seiner geschmeidigen Stimme genauso überzeugt wie mit seinem komödiantischen Schauspiel. Den Wandel vom schüchternen Fernsehsuchti zum unsympathischen TV-Moderator vollzieht er mit Bravour.
Herrlich anzusehen ist auch Bas Timmers als Showmaster Heinz Wäscher, der nicht mit hessischem Dialekt, sondern mit niederländischem Akzent spricht, was eigentlich nicht zur Rolle passt, aber dennoch nicht weniger lustig ist. Wahre Lachsalven entlockt Timmers dem Publikum, wenn Wäscher ausrastet, weil ihn „der lustige Glückshase so blöd anstiert“. Mit seinem Song „Lass Heinz ran“ überzeugt er außerdem gesanglich, ebenso in der Rolle von Wäschers Cousine Uschi Blum.
Rahel Fuhrimann hat als Tontechnikerin Ulla wohl die undankbarste Rolle im Stück. Während sie im Film noch Peters Freundin war, ist sie im Musical nur irgendeine Freundin. Thomas Hermanns‘ Buch vernachlässigt Ulla sträflich und degradiert sie zu einer Nebenrolle ohne Charakterentwicklung. Ihre wenigen Auftritte nutzt Rahel Fuhrimann aber trotzdem exzellent, so dass man ihr die Rolle schauspielerisch jederzeit abnimmt. Gesanglich lässt sie zudem in den rockigen Nummern „Klingelsturm“ und „Wild und frei“ aufhorchen.
Maico Claßen nörgelt sich als Opa Schlönzke großartig durch den Abend und begeistert mit der Ruhrpott-Hymne „Dat wär doch gelacht“, Katrin Claßen überzeugt als Mutter Schlönzke mit Stimme, Komik und Ruhrpottschnauze, Pauline Schubert kann als Karin mit ihrem Song „Käffchen“ gesanglich glänzen und Pascal Jounais gibt als Bertram einen herrlich speichelleckenden TV-Regisseur.
Im Grunde ist „Kein Pardon“ 15 Jahre zu spät auf die Musicalbühne gekommen. Der Stoff ist einerseits altbacken, die Gags ausgelutscht. Aber andererseits hat der Film solch einen Kult-Charakter, dass das cinephile Publikum einfach seinen Spaß daran hat, die Dialoge, Gags und Melodien aus dem Film wiederzuerkennen. Weil auch noch die Mitwirkenden auf der Bühne überzeugen und die Shownummern durch die mitreißende Choreografie von Hakan T. Aslan aufgewertet werden, macht diese Tourproduktion von „Kein Pardon“ wirklich Spaß.
Text: Dominik Lapp