„Die Zauberflöte“ in Dresden (Foto: Dominik Lapp)
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Abenteuertraum eines Kindes: „Die Zauberflöte“ in Dresden

Mozarts „Zauberflöte“, ohnehin das meistgespielte Werk der Opernliteratur, kehrt in Dresden mit einer Inszenierung zurück, die gleichermaßen vertraut und überraschend wirkt. Viele Jahre lang prägte die Fantasiewelt Achim Freyers die Semperoper, inzwischen bestimmt Josef E. Köpplingers Deutung das Bild. Seine Produktion feierte am 1. November 2020 mitten in der Corona-Pandemie Premiere, um gleich am Folgetag dem Lockdown zu erliegen – mittlerweile entfaltet sie endlich ihre volle Kraft vor Publikum und ist in jeder Spielzeit 20- bis 30-mal zu sehen.

Köpplinger, Intendant des Münchner Gärtnerplatztheaters und ausgewiesener Freund großer Musiktheaterbilder, setzt auf die Perspektive des Kindes: Die ganze Geschichte erscheint als Abenteuergeschichte eines jungen Tamino, der sich mit Jeans, Holzfällerhemd und Jeansjacke in eine fantastische Welt träumt. Dass der erwachsene Held in derselben Kleidung auftritt, bewahrt die Produktion vor bloßer Märchenhaftigkeit und verleiht ihr einen liebevoll-ironischen Blick, der auch erwachsene Zuschauer in den Bann zieht. Humor ist dank Papageno reichlich vorhanden, doch die ernsten Linien von Mozarts Freimaurersymbolik bleiben klar sichtbar.

Walter Vogelweiders Bühnenbild und Videos bringen große Bilder in die Oper: Papageno fliegt auf einem riesigen Vogel ein, der gleich noch überdimensionale Eier legt, Sarastros Tempel erhebt sich majestätisch, Sonne und Mond markieren die Reiche von Licht und Nacht. Für die Prüfungen in Feuer und Wasser zeigen die Videoeinspielungen Flammen und Fluten. Dagmar Morells Kostüme tragen viel zum Zauber bei: fantasievoll, leuchtend, zwischen Ironie und Würde austariert. Die Königin der Nacht erscheint in schwarzem Glitzern, stets begleitet von Blitz und Donner, Nebel und silbernem Flitter. Sarastro und seine Priester zeigen sich in nobler Strenge, Papageno hingegen in bunter Weste mit frechen Federn. Fabio Antoci steuert das passende Licht für die Szenerie bei.

Den musikalischen Atem dieses Abends gibt Killian Farrell mit der Sächsischen Staatskapelle Dresden vor. Der Dirigent entfaltet die Partitur mit klarem Zugriff, federnder Leichtigkeit und immer wieder schimmernder Wärme. Die Streicher fließen in zartem Glanz, die Bläser strahlen mit lupenreiner Präzision, das Blech glänzt in den großen Kulminationen. Farrell hält Mozarts Musik in ständiger Balance zwischen Witz und Weihe, beschwingter Opernbühne und sakralem Unterton – alles klingt geschlossen und so selbstverständlich. Der von Jan Hoffmann einstudierte Chor singt zudem mit ausgezeichneter Homogenität und Präsenz.

Das Ensemble zeigt sich in bestechender Form. Mario Lerchenberger gibt als Tamino eine geradezu ideale Verkörperung: Natürliches Spiel, ein sicher geführter Tenor, strahlende Höhen – seine Bildnis-Arie löst lautstarken Applaus und Bravorufe aus. Victoria Randem rührt als Pamina mit warmem Timbre und innigem Spiel. Ihre Verzweiflung wie auch ihr Glück wirken vollkommen glaubwürdig. Joshua Hopkins begeistert als Papageno mit exzellentem Gesang, ironischer Leichtigkeit und liebenswürdiger Tollpatschigkeit, während Magdalena Lucjan als Papagena den Charme ihres kurzen Auftritts voll auskostet.

Maria Perlt-Gärtner lässt die Königin der Nacht mit glasklaren Koloraturen wie eine Naturgewalt auftreten – eine echte Erscheinung, verstärkt durch die theatralische Wucht der Inszenierung. Tilmann Rönnebeck verleiht Sarastro darstellerisch Autorität, gesanglich bleibt er allerdings etwas hinter den hohen Ansprüchen des Abends zurück, ohne dass die Würde der Figur Schaden nähme. Jongwoo Hong erfüllt als Monostatos alle Erwartungen, Ute Selbig, Sabine Brohm und Christa Mayer harmonieren als die drei Damen vortrefflich, und die drei Knaben aus dem Dresdner Kreuzchor – Fritz Hedrich, Simeon Anwand und Hans Leuschner – überzeugen durch stimmliche Reinheit. Eindrucksvoll geraten auch die beiden Geharnischten (Jürgen Müller, Oleksandr Pushniak), die nicht nur würdevoll singen, sondern effektvoll aus überdimensionalen Holzpuppen hervortreten.

So wird diese „Zauberflöte“ zu einem Fest für Augen und Ohren: bunt, verspielt, klug durchdacht, mitreißend musiziert. Josef E. Köpplinger zeigt, wie sich der kindliche Traum von Abenteuer mit der Ernsthaftigkeit von Mozarts Meisterwerk verbinden lässt. Dresden hat mit dieser Produktion ein Pfund im Repertoire, das sicher noch viele Spielzeiten glänzen wird.

Text: Dominik Lapp

„Die Zauberflöte“ in Dresden (Foto: Dominik Lapp)
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Dominik Lapp ist ausgebildeter Journalist und schreibt nicht nur für kulturfeder.de, sondern auch für andere Medien wie Lokalzeitungen und Magazine. Er führte Regie bei den Pop-Oratorien "Die 10 Gebote" und "Luther" sowie bei einer Workshop-Produktion des Musicals "Schimmelreiter". Darüber hinaus schuf er die Musical-Talk-Konzertreihe "Auf ein Wort" und Streaming-Konzerte wie "In Love with Musical", "Musical meets Christmas" und "Musical Songbook".