„Turandot“ (Foto: Andreas Lander)
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Eindrucksvoll: „Turandot“ in Magdeburg

Am Theater Magdeburg war Giacomo Puccinis Oper „Turandot“ zuletzt nur ein kurzes Bühnenleben vergönnt: Im Januar 2020 zur Premiere gekommen, konnten lediglich vier Vorstellungen gespielt werden, bevor es zur coronabedingten Zwangspause kam. Umso erfreulicher, dass die eindrucksvolle und schon vor drei Jahren gefeierte Inszenierung von Michiel Dijkema inzwischen wiederaufgenommen wurde und das Publikum erneut zu Begeisterungsstürmen hinreißt.

Es ist kein Wunder, dass die Zuschauerinnen und Zuschauer diese Produktion feiern, denn sie verspricht einen musikalischen Hochgenuss mit einer bombastischen Ausstattung. Was auf der Bühne und im Orchestergraben geschieht, ist wirklich erstklassig. Wenn sich der Vorhang hebt, gibt er den Blick frei auf einen felsigen und geradezu wimmelbildartigen Bambuswald (Bühnenbild: Michiel Dijkema) in einer Welt der Märchen und Legenden, in der sich massenweise aufwändig bemalte Urwaldbewohner in fantasievollen Kostümen von Jula Reindell tummeln.

Spannend: Was sich Dijkema in Personalunion als Regisseur und Bühnenbildner ausgedacht hat, diese opulente Optik, bricht er am Ende des dritten Akts komplett auf. Denn Puccini starb, bevor er den Schluss von „Turandot“ komponieren konnte. Das von Franco Alfano geschriebene Finale wird in Magdeburg ganz unspektakulär gezeigt. Gleich nach Liùs Selbstmord verschwinden die Bäume im Schnürboden, die Felsen fahren auf die Hinterbühne, die ausladenden Kostüme und Perücken werden durch graue Bademäntel ersetzt, in denen Trine Møller (Turandot) und Aldo Di Toro (Calaf) mit dem Chor das Stück konzertant zum emotionalen Abschluss bringen.

„Turandot“ (Foto: Andreas Lander)

Svetoslav Borisov am Pult der Magdeburgischen Philharmonie zündet ein musikalisches Feuerwerk, lässt mit ruhiger Hand und scharfsinnigem Geist Puccinis exotische Musik mit ihren fernöstlichen Mixturen schillern, ohne dabei das martialisch Monumentale der Partitur unter den Teppich zu kehren. Ebenso stark zeigt sich der Opern- und Kinderchor (Einstudierung: Martin Wagner) mit lupenreinem Gesang und einer atemberaubend dynamischen Wirkung.

Gleichermaßen überzeugt die Riege der Solistinnen und Solisten auf der Bühne. Trine Møller ist als Turandot eine mitreißende, ausdrucksstarke und furiose Titelheldin. Gesanglich liefert sie die notwendige Dramatik, feuert mit unermüdlicher Kraft Spitzentöne ab und meistert die Höhen wie die Mittellage. In der Rolle des Calaf singt Aldo Di Toro mit Leidenschaft und fesselt besonders in den dramatischen Passagen. Sein „Non piangere, Liù“ singt er sehr feinfühlig, in der Hit-Arie „Nessun dorma“ läuft er zur Höchstform auf und lässt seinen Heldentenor über alles strahlen.

Als Liù brilliert Anna Malesza-Kutny, wenn sie mit feinem Piano ihre Spitzentöne angeht, um sie dann zu einem starken Forte weiterzuentwickeln. Johannes Stermann verleiht seinem Timur einen voluminösen Bass, Manfred Wulfert stattet Altoum mit tenoraler Kraft aus und qualitativ gut besetzt wurden darüber hinaus die Nebenrollen mit Marko Pantelić, Adrian Domarecki und Benjamin Lee als Minister Ping, Pang und Pong sowie Paul Sketris als Mandarin.

Diese „Turandot“ ist letztendlich in vielerlei Hinsicht anders, aber durchweg spannend und eindrucksvoll. Das innovative wie stimmige Regiekonzept in Verbindung mit der großartigen Ausstattung und den musikalischen Höchstleistungen lassen die zweieinhalbstündige Aufführung der Puccini-Oper wie im Flug vergehen. Am Ende gibt es stehende Ovationen, lautstarken Jubel und nicht enden wollenden Applaus von einem vollkommen überwältigten Publikum.

Text: Dominik Lapp

Dominik Lapp ist ausgebildeter Journalist und schreibt nicht nur für kulturfeder.de, sondern auch für andere Medien wie Lokalzeitungen und Magazine. Er führte Regie bei den Pop-Oratorien "Die 10 Gebote" und "Luther" sowie bei einer Workshop-Produktion des Musicals "Schimmelreiter". Darüber hinaus schuf er die Musical-Talk-Konzertreihe "Auf ein Wort" und Streaming-Konzerte wie "In Love with Musical", "Musical meets Christmas" und "Musical Songbook".