„The Wave“ (Foto: Reinhard Winkler)
  by

Kraft durch Disziplin: „The Wave“ in Linz

Endlich! Das Musical „The Wave“ hat seine Uraufführung vor Publikum erlebt. Ursprünglich sollte das Stück aus der Feder von Or Matias schon im November 2020 auf die Bühne des Schauspielhauses im österreichischen Linz kommen. Doch daraus wurde nichts, weil auch in Linz die Theater pandemiebedingt schließen mussten. Eine Aufzeichnung der Generalprobe wurde deshalb im März 2021 online gestreamt – und jetzt, nachdem die Theater endlich wieder öffnen durften, konnte „The Wave“ das Licht der Welt vor Publikum erblicken.

Der Stoff des Musicals ist bekannt, so basiert es doch auf einem Bericht und Experiment des Lehrers Ron Jones, der in den 1960er Jahren an seiner Schule eine Jugendbewegung ins Leben rief, um das Entstehen von faschistoiden Strukturen aufzuzeigen. Doch das Experiment wuchs ihm und allen Beteiligten über den Kopf, als es sich zu einem totalitären Regime entwickelte. Später diente das Experiment als Stoff für das Buch von Morton Rhue, aber auch für Verfilmungen, Theaterstücke und 2003 als Stoff für ein Musical mit dem Titel „Finix“, das mit Ethan Freeman in der Hauptrolle in Wien zur Uraufführung kam.

Nun also „The Wave“ am Schauspielhaus Linz, ein neues Musical von Or Matias, inszeniert von Christoph Drewitz, der schon für seine fantasievollen Inszenierungen von Musicals wie „Fack ju Göhte“ oder „Die fabelhafte Welt der Amélie“ völlig zu Recht gefeiert wurde. Bei „The Wave“ fehlt diese Fantasie, die Inszenierung wirkt brav bis bieder, doch Drewitz schafft es, jugendliche Charaktere zu zeichnen, die zwar manchmal etwas Tiefe und Gefühl vermissen lassen, aber ungeschönt die Story erzählen und sich authentisch weiterentwickeln.

Erzählt wird die Handlung in einem Einheitsbühnenbild von Veronika Tupy, das einen sich um die eigene Achse drehenden Quader zeigt, der stellenweise mit Gaze bespannt ist. Diese Gaze-Wandelemente dienen als Projektionsflächen und lassen immer wieder neue Handlungsorte wie Klassenzimmer oder Baustelle entstehen. Die Kostüme von Anett Jäger sind modern und heutig, unterstützen die Charaktere damit optisch immerzu passend. Simon Wagners Lichtdesgin tut sein Übriges, um die jeweiligen Stimmungen zu untermalen. Optisch macht „The Wave“ also schon mal einen guten Eindruck.

Musikalisch bietet das Stück von Or Matias einen eigenen Stil, der mal ein bisschen poppig, mal ein bisschen jazzig und sogar mal klassisch klingt, trotz melodischer Sprünge gut ins Ohr geht und die Handlung vorantreibt. Die Musikerinnen und Musiker unter der Leitung von Juheon Han spielen tadellos diese Dualität von Orchestertradition und zeitgenössischen groove-basierten Arrangements.

Auch die Darstellerinnen und Darsteller sind durchweg überzeugend. Christian Fröhlich strahlt als Lehrer Ron die nötige Autorität aus und steigert sich gesanglich im Handlungsverlauf. Dem Außenseiter Robert verleiht Lukas Sandmann ein glaubwürdiges Rollenprofil mit dramatischer Tiefe und begeistert mit starkem Gesang. Hanna Kastner gelingt es als Ella hervorragend, sich gegen den Gruppenzwang zu stemmen und so die Wellenbrecherin zu geben. In der Schlussszene kann sie zudem gesanglich aus dem Vollen schöpfen – stark! Überzeugende Rollenporträts zeichnen darüber hinaus Celina dos Santos als Jess, Malcolm Henry als Stevie und allen voran Samuel Bertz als James.

Was bleibt am Ende? Immer wieder wird im Stück die Aussage „Kraft durch Disziplin“ skandiert – das passt auch zur Inszenierung. Denn diese zieht ihre Kraft aus der Disziplin der Mitwirkenden, die als Einheit auftreten, diszipliniert ihre Rollenprofile erfüllen und es so schaffen, eine starke Geschichte zu erzählen.

Text: Matilda Falke

Matilda Falke hat Germanistik studiert und ein Volontariat absolviert. Seit mehreren Jahren ist sie als freie Journalistin und Texterin tätig.