Steppend durch Pfützen: „Singin‘ in the Rain“ in Osnabrück
Nahezu jeder Mensch dürfte sofort eine Melodie im Kopf haben, wenn man den Titel „Singin‘ in the Rain“ liest. Kein Wunder, zählt der gleichnamige Streifen doch als Klassiker der goldenen Ära der Musicalfilme. Ohne Zweifel gehört der Film zu den besten seiner Art, doch die Bühnenadaption von Betty Comden und Adolph Green am Theater Osnabrück will in der Inszenierung von Ansgar Weigner nicht an allen Stellen zünden.
Dass Weigner normalerweise ein gutes Händchen für Timing und Pointen besitzt, hat er unter anderem am Theater Krefeld mit dem Musical „Otello darf nicht platzen“ bewiesen. Doch genau das Timing funktioniert bei „Singin‘ in the Rain“ nicht recht. Die Szenenübergänge sind zum Teil hakelig, der Inszenierung fehlt der Drive. Hinzu kommt die altbackene deutsche Übersetzung der Dialoge von Hartmut H. Forche – immerhin sind die Songs von Nacio Herb Brown und Arthur Freed im englischen Original zu hören.
Viel mehr Drive hat die spritzige Choreografie von Andrea Danae Kingston, die einen echten Höhepunkt darstellt. Im Fokus dabei stehen die temporeichen Steppnummern, die von der Dance Company und den eigens für „Singin‘ in the Rain“ engagierten Gästen umwerfend dargeboten werden. Sehenswert sind außerdem das Bühnenbild und die Kostüme von Darko Petrovic, die das Publikum sehr gut mitnehmen in die Stummfilm-Ära. Wenn dann zum Pausenfinale Regen auf die Bühne prasselt, Don Lockwood (Alexander von Hugo) durch die Pfützen steppt und den titelgebenden Song singt, verfehlt diese Szene ihre Wirkung nicht.
Im Orchestergraben lässt An-Hoon Song seine Musikerinnen und Musiker hervorragend zwischen großen Shownummern und stimmigen Balladen pendeln, während auf der Bühne neben dem Gästetrio auch die Sängerinnen und Sänger des Hausensembles überzeugen.
Mit dem nötigen Schmelz in der Stimme, sympathischer Ausstrahlung und einer Mischung aus Eleganz und Athletik glänzt Alexander von Hugo als Don Lockwood. Mit starker Stimme und großer Bühnenpräsenz macht Valentina Inzko Fink unmissverständlich klar, dass Kathy Selden ihren Weg in Hollywood gehen wird. Als dritter im Bunde ist es Michael Ernst, der in der Rolle des Cosmo Brown mit dem Song „Make ‘em laugh“ ein wahres Slapstick-Feuerwerk zündet.
Wirklich genial, wie sich dieses starke Trio die Bälle gegenseitig zuspielt, wie Valentina Inzo Fink und Alexander von Hugo miteinander harmonieren. Doch neben ihnen kostet Susann Vent-Wunderlich in der Rolle der Lina Lamont sämtliche Klischees so genüsslich aus, dass kaum ein Auge trocken bleibt. Ob in ihrem schrägen Solo oder den übertriebenen Stummfilmszenen (Video: Cédric Ernoult) – die Sopranistin des Hausensembles hat als lispelnde Wasserstoffblondine mit der piepsigen Stimme die meisten Lacher des Abends auf ihrer Seite.
Einen großen Sinn für Humor beweisen außerdem Mark Hamman als Produzent R. F. Simpson und Jan Friedrich Eggers als Regisseur Roscoe Dexter, während Aljoscha Lennert in gleich vier Rollen seine Wandlungsfähigkeit beweist und zudem mit seinem strahlenden Tenor überzeugen kann. Vom Publikum gefeiert wird außerdem Silvio Heil als Klatschreporterin, während Kathrin Brauer als Filmsternchen ihre kurzen Auftritte durch witzige Mimik zu nutzen weiß.
Mag die Inszenierung auch ihre Längen haben, so kommt „Singin‘ in the Rain“ beim Premierenpublikum sichtlich und hörbar gut an. In diesen aufwühlenden Zeiten von Pandemie und Krieg ist es sicher das richtige Stück, um einmal für zweieinhalb Stunden dem Alltag zu entfliehen.
Text: Dominik Lapp