
Wenn Frauen den Ton angeben: „Saving Mozart“ in Gmunden
Gmunden ist seit jeher ein Ort für musikalische Entdeckungen, doch mit der Uraufführung des Musicals „Saving Mozart“ beim diesjährigen Musicalfrühling hat die junge britische Künstlerin Charli Eglinton ein besonders mutiges Zeichen gesetzt. Sie erzählt nicht einfach das Leben des Wunderkinds Wolfgang Amadeus Mozart – sie dekonstruiert es und baut es neu auf, aus der Sicht jener Frauen, die ihn prägten, liebten, ertrugen und mitformten. Ein feministischer Blick auf ein vermeintlich altbekanntes Genie – packend, überraschend und emotional.
Eglinton, gerade einmal 25 Jahre alt, verantwortet Buch, Musik und Texte selbst – und man merkt der Inszenierung diese Handschrift durchweg an. Denn sie ist frisch, fordernd und in ihrer Botschaft klar. „Saving Mozart“ nimmt seinen Titel wörtlich: Nicht der Komponist selbst wird gerettet, sondern sein Bild – befreit vom Mythos des einsamen Genies, eingerahmt von den Stimmen der Frauen, die zu lange überhört wurden. Besonders gelungen ist dabei die Erzählweise: Mozart (ausdrucksstark verkörpert von Denis Riffel) blickt als Erzähler auf sein Leben zurück, wird selbst zum Beobachter – ein Kniff, der Raum schafft für neue Blickwinkel.
Allen voran steht Maria Anna Mozart, genannt Nannerl – brillant gespielt und gesungen von Tamara Pascual. Charli Eglinton macht sie zur heimlichen Hauptfigur des Stücks: ein früh gefeiertes Wunderkind, das vom Vater systematisch zugunsten des Bruders zurückgedrängt wurde. Pascual verkörpert diese Entwicklung mit großer stimmlicher Kraft und fein nuanciertem Spiel. Ihr gegenüber steht eine großartige Michaela Thurner als Constanze Mozart – keine bloße Gattin, sondern emotionale Kraftquelle und künstlerische Mitstreiterin, die hier authentisch auf die Bühne gebracht wird. Leah Delos Santos als Mutter Anna Maria Mozart verleiht ihrer kurzen Rolle eine berührende Tiefe, während Jelle Wijgergangs als intriganter Antonio Salieri dem Stück die notwendige Reibung bietet. Yngve Gasoy-Romdal gibt Leopold Mozart mit autoritärer Präsenz – ein Vater, der mehr zerstört als fördert.
Musikalisch wagt die Komponistin eine Gratwanderung zwischen Originalzitaten – darunter passend eingesetzte Motive wie die Rache-Arie aus der „Zauberflöte“, die Kleine Nachtmusik, das Requiem oder „Ah, vous dirai-je, Maman“ – und eigenen Pop-Kompositionen. Die Songs sind eingängig, emotional aufgeladen und funktionieren überraschend gut in der Kombination mit den Klassik-Zitaten. Unter der Leitung von Jürgen Goriup entfaltet das elfköpfige Orchester eine beeindruckende Klangfülle.
Regisseur Markus Olzinger schafft eine eindrucksvolle Inszenierung, die den starken Frauenfiguren gerecht wird. Bühnenbild und Kostüme setzen historische Elemente klug ein, ohne sich in Nostalgie zu verlieren: ein hölzernes Gerüst, ein Spinett, barocke Bilderrahmen und Stühle – alles wirkt wie Erinnerungsfragmente in Mozarts Kopf. Projektionen und Lichtdesign von Ingo Kelp ergänzen das Geschehen atmosphärisch, während die Mischung aus historischen und modernen Kostümen (Julia Pschedezki) die Zeitgrenzen bewusst aufweicht. Dass die Frauen häufig Hosen tragen, ist kein Zufall, sondern ein klares Statement. Die Choreografie von Taylor Walker gibt dem Stück zudem eine rhythmische Energie.
Mit dem Musical „Saving Mozart“ ist Gmunden nicht nur Gastgeberin einer gelungenen Uraufführung – hier wurde ein neues Kapitel Musiktheater geschrieben. Charli Eglinton beweist eindrucksvoll, wie zeitgenössisches Musical nicht nur unterhalten, sondern auch neu erzählen kann. Dass die Frauen rund um Mozart seine Geschichte wiedergeben, ist ein längst überfälliger Perspektivwechsel. Ein Musical, geschrieben von einer Frau, übersetzt von einer Frau (Elisabeth Sikora), das Frauen in den Mittelpunkt stellt – ja, bitte mehr davon!
Text: Christoph Doerner