„Mozart!“ in München (Foto: Dominik Lapp)
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Zwischen Rokoko und Rock: „Mozart!“ in München

Zum Ausklang des Mozartjahres kehrt das Musical von Sylvester Levay (Musik) und Michael Kunze (Libretto) nach vierjähriger Abstinenz auf eine deutsche Bühne zurück. In der deutschsprachigen Inszenierung des Budapester Operettenhauses stehen Patrick Stanke als Wolfgang Mozart und Caroline Vasicek als Nannerl Mozart gemeinsam mit den ungarischen Originaldarstellern auf der Bühne des Deutschen Theaters in München.

Regisseur Miklós-Gábor Kerényi setzt in seiner aus Budapest übernommenen Version von „Mozart!“ deutlich andere Akzente als Harry Kupfer in der früheren Wiener und Hamburger Inszenierung. Während Kupfer vor allem den Menschen hinter dem Genie in den Mittelpunkt rückte, richtet Kerényi den Fokus stärker auf Mozarts Werk. Musikalische Zitate aus den Kompositionen des Wunderkindes werden wesentlich ausführlicher ausgespielt und prägen den Abend stärker als zuvor.

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Veränderungen zeigen sich nicht nur in der Regie, sondern auch im szenischen Erscheinungsbild. Csörsz Khells Bühnenbild wirkt gegenüber der Urversion detailreicher und nutzt die technischen Möglichkeiten des Deutschen Theaters mit Hubpodium und Drehbühne effektvoll aus. Die Kostüme von Rita Velich unterscheiden sich zwar von den bekannten Originalentwürfen, treffen den Geist des Rokoko jedoch ebenso stilsicher. Jenö Löcsei steuert eine äußerst flotte Choreografie bei, die vom Ensemble mit bemerkenswerter Präzision umgesetzt wird. Gerade in den großen Ensembleszenen beweisen die Künstler des Budapester Operettenhauses eine erstaunliche tänzerische Qualität. Das Orchester unter der Leitung von István Silló präsentiert Sylvester Levays neu arrangierte Partitur solide, bleibt klanglich jedoch eher glatt und hätte insgesamt mehr rockige Schärfe vertragen.

Patrick Stanke überzeugt als Wolfgang Amadeus Mozart vor allem gesanglich. Mit teilweise ungewohnt tiefer Stimmfärbung setzt er markante Akzente, seine emotionale Interpretation von „Warum kannst du mich nicht lieben?“ zählt zu den Höhepunkten des Abends. Kritisch zu sehen ist hingegen seine stark gackernde, bisweilen überdrehte Darstellung der Titelrolle. Hier orientieren sich Stanke und Kerényi offensichtlich sehr deutlich an Tom Hulce, der Mozart in Miloš Formans Film „Amadeus“ verkörperte. Die Figur des Porzellankinds Amadé erhält in dieser Inszenierung zudem deutlich mehr Gewicht als bislang. András Ronai gestaltet das stumme Alter Ego des Komponisten mit großer Hingabe und beeindruckt durch akrobatische Einlagen, die die Rolle stärker in den Vordergrund rücken als noch bei Kupfer.

Auch die Figur der Nannerl Mozart erfährt eine Modifikation. Zu Beginn des Stücks, in „Was für ein Kind“, wird sie von der Kinderdarstellerin Lili Ronai gespielt. Erst ab der Szene „Der rote Rock“ übernimmt Caroline Vasicek als erwachsene Schwester Mozarts. Vasicek, die bereits bei der Uraufführung und der konzertanten Wiener Fassung von „Mozart!“ als Nannerl zu erleben war, interpretiert die Rolle erneut frisch und unverbraucht. Stimmlich überzeugt sie mit fein nuancierten, gefühlvollen Darbietungen von „Gibt es Musik“ und „Der Prinz ist fort“.

Unter den Darstellern des Budapester Operettenhauses ragt besonders Nikolett Füredi als Baronin von Waldstätten hervor. Sie gibt eine junge, attraktive und glaubwürdige Aristokratin mit nahezu akzentfreiem Deutsch und kraftvoller Stimme. Ihr Solo „Gold von den Sternen“ wird mit frenetischem Szenenapplaus gefeiert. Kerényi nutzt diesen Moment für einen eindrucksvollen Regieeinfall: Während die Baronin am Bühnenrand singt, treten aus dem Dunkel bekannte Opernfiguren Mozarts hervor – ein stimmungsvolles Bild für dessen goldene Wiener Jahre.

Tamás Földes gestaltet Leopold Mozart schauspielerisch äußerst emotional und überzeugt auch gesanglich, insbesondere in „Schließ dein Herz in Eisen ein“, das in München in die Szene der Familie Weber integriert ist. Leopolds anschließendes Gebet wird wirkungsvoll mit Pariser Episoden von Wolfgang und seiner Mutter gegengeschnitten. Deutlich blasser bleibt hingegen Attila Németh als Erzbischof Colloredo, der sowohl darstellerisch als auch gesanglich hinter seinen Kollegen zurückfällt. Auch im neu eingefügten Duett „Der einfache Weg“ mit Patrick Stanke kann er sich nicht behaupten. Die Szene selbst erzeugt dennoch Spannung: Colloredo und Wolfgang stehen sich in schwindelnder Höhe gegenüber, während eine Projektion einen Flug durchs Weltall simuliert – ein Bild, das lose an den Prolog anknüpft, in dem Doktor Mesmer, gespielt von Ottó Magócs, vom „unendlichen Universum der Musik“ spricht.

Ein weiterer neuer Song ist „Was für ein Pfau“ im zweiten Akt, in dem unter anderem Antonio Salieri auftritt und Mozarts Stellung in der Wiener Gesellschaft sowie seine Freimaurer-Zugehörigkeit thematisiert werden. Dóra Szinetár überzeugt als Constanze mit schöner Stimme und einer kraftvollen Interpretation von „Irgendwo wird immer getanzt“. Auch Zoltán Bereczki als Emanuel Schikaneder hinterlässt großen Eindruck: Sein Song „Ein bissel fürs Hirn“ wird von Kerényi effektvoll als große Shownummer inszeniert und begeistert das Publikum.

Insgesamt hinterlässt „Mozart!“ in München einen durchaus respektablen Eindruck. Dennoch bleibt ein wesentlicher Vorbehalt: Sowohl Künstlern als auch Publikum wäre ein großer Gefallen getan worden, hätte man das Stück in ungarischer Sprache mit deutscher Übertitelung gezeigt. Da viele der ungarischen Darsteller der deutschen Sprache nicht vollständig mächtig sind und sich stark auf den Text konzentrieren müssen, leidet vor allem das Schauspiel – ein Manko, das die musikalischen und szenischen Qualitäten dieser Inszenierung unnötig schmälert.

Text: Dominik Lapp

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Dominik Lapp ist ausgebildeter Journalist und schreibt nicht nur für kulturfeder.de, sondern auch für andere Medien wie Lokalzeitungen und Magazine. Er führte Regie bei den Pop-Oratorien "Die 10 Gebote" und "Luther" sowie bei einer Workshop-Produktion des Musicals "Schimmelreiter". Darüber hinaus schuf er die Musical-Talk-Konzertreihe "Auf ein Wort" und Streaming-Konzerte wie "In Love with Musical", "Musical meets Christmas" und "Musical Songbook".