„Kein Pardon“ in Kloster Oesede (Foto: Dominik Lapp)
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Klamaukige Klamotte: „Kein Pardon“ in Kloster Oesede

Einmal noch den legendären Heinz Wäscher in die Manege schicken, noch einmal das Ruhrpott-Idyll der Familie Schlönzke aufleben lassen und die grell-bunte Fernsehwelt der Neunziger auf die Bühne zaubern – die Waldbühne Kloster Oesede wagt sich in dieser Sommersaison an das Musical „Kein Pardon“ von Thomas Hermanns (Buch), Thomas Zaufke (Musik) sowie Achim Hagemann (Musik) und landet mit dieser klamaukigen Klamotte einen Volltreffer.

Unter der stringenten, stets humorvollen Regie von Bernard Niemeyer entfaltet sich eine temporeiche Show, die den Kultfilm kongenial adaptiert, dessen Komik bewahrt und dennoch auf der Freilichtbühne ein ganz eigenes Theaterereignis wird. Keine Szene wirkt verschleppt, alle ikonischen Momente sind da und lösen beim Publikum die erwarteten Begeisterungsstürme aus.

Schon beim ersten Blick auf das Bühnenbild nach Entwürfen von Tom Grasshof, gebaut von einem großen Team Ehrenamtlicher, wird klar, wie liebevoll und detailreich diese Inszenierung angelegt ist. Links das Wohnzimmer der Schlönzkes mit Schnittchen-Service, rechts die Aufnahmeleitung, mittig die Tonabteilung von Ulla und über allem die glitzernde Showtreppe, die für die Fernsehmomente genutzt wird.

„Kein Pardon“ in Kloster Oesede (Foto: Dominik Lapp)

Wenn Peter seine Hymne auf seinen geliebten Fernseher singt, gibt es Fernsehbilder von Tagesschau und Schwarzwaldklinik zu sehen, dazu ein überdimensionaler Bildschirm, in dem Heinz Wäscher, der lustige Glückshase und zwei Showgirls erscheinen – eine witzige wie zugleich satirische Überhöhung des TV-Zirkus. Ein weiterer Hingucker ist der lebendige Glücksmelodienautomat („Bitte werfen Sie eine Münze ein!“), der den Nostalgiefaktor erhöht.

Auch die Kostüme überzeugen auf ganzer Linie. Glitzer, Pailletten und schrille Farben bestimmen etliche Szenen, während das Ensemble als wandelnde Schnittchen-Platten für ebenso viel Schmunzeln sorgt wie der groteske Glückshase, der irgendwie zum heimlichen Star avanciert.

„Kein Pardon“ in Kloster Oesede (Foto: Dominik Lapp)

Musikalisch steuert Christian Tobias Müller mit einer neunköpfigen Band einen satten Sound bei, der zwischen Ruhrpott-Schlagerparodie, Musicalballade und Showrevue souverän changiert. Die choreografische Handschrift von Marieke Börger und Larissa Fühner trägt erheblich zur Lebendigkeit bei: dynamische Bewegungen, perfekte Showbilder und humorvolle Details – ob in der „Käffchen“-Szene oder bei der Eröffnungsnummer „Bottrop Beach“ – sorgen für immer neue Überraschungen.

Das Ensemble glänzt mit Spielfreude und Präzision. Werner Knappheide legt als Heinz Wäscher und Uschi Blum eine fulminante Doppelrolle hin: überdreht, schillernd, voller Selbstironie, aber auch mit jenen kleinen Momenten der Brüchigkeit, die den abgehalfterten Entertainer so interessant machen. Timm Hellermann ist als Peter Schlönzke großartig – naiv, liebenswert, ein wenig tölpelhaft, aber mit großem Herz. Ann-Kathrin Fischer begeistert als Ulla, die nicht nur mit Gesang und pointiertem Spiel überzeugt, sondern in den Szenen ohne ihre Rolle auch das Ensemble verstärkt.

„Kein Pardon“ in Kloster Oesede (Foto: Dominik Lapp)

Kerstin Hartberger als resolute Mutter Schlönzke, Karen Gülker als urkomische Oma und Markus Westermeyer als grantelnder Opa („Dat is‘ bestimmt ’n Busengrapscher!“) bilden ein großartig eingespieltes Familien-Trio, das im besten Sinne Ruhrpott-Charme verströmt. Lisa Weber wandelt ihre Bühnenfigur wunderbar von der überdrehten Käffchen-Karin zur taffen Talkmasterin, während Annika Wesselkamp aus der kleinen Rolle der Doris alles herausholt – darstellerisch wie gesanglich. Michael Dreier als Bertram und Gerrit Wesselmann als Walter setzen ihre Rollen mit spürbarem Spaß an der Farce um.

So entsteht ein Ensembleabend, der vor Energie und Komik nur so sprüht. „Kein Pardon“ auf der Waldbühne Kloster Oesede ist nicht nur eine liebevolle Hommage an Hape Kerkelings Filmklassiker, sondern auch ein schönes Beispiel dafür, wie eine semiprofessionelle Bühne mit Leidenschaft und Witz ein Musical zu einem Ereignis machen kann. Am Ende tobt das Publikum – verdient.

Text: Dominik Lapp

„Kein Pardon“ in Kloster Oesede (Foto: Dominik Lapp)
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Dominik Lapp ist ausgebildeter Journalist und schreibt nicht nur für kulturfeder.de, sondern auch für andere Medien wie Lokalzeitungen und Magazine. Er führte Regie bei den Pop-Oratorien "Die 10 Gebote" und "Luther" sowie bei einer Workshop-Produktion des Musicals "Schimmelreiter". Darüber hinaus schuf er die Musical-Talk-Konzertreihe "Auf ein Wort" und Streaming-Konzerte wie "In Love with Musical", "Musical meets Christmas" und "Musical Songbook".