
Humor mit Nostalgie-Effekt: „Kein Pardon“ in Hamburg
Es ist ein schillerndes Stück mit viel Herz und Tempo: Das Musical „Kein Pardon“, basierend auf Hape Kerkelings gleichnamigem Kultfilm, ist unter der Regie von Franziska Kuropka im First Stage Theater Hamburg in einer gelungenen Neuinszenierung zu sehen.
Kuropka inszeniert nicht nur eine nostalgische Revue, sondern erzählt eine klassische Heldenreise – mit all ihren Stationen vom Aufbruch über die Krise bis zur Transformation. Dass sie sich für diese Struktur entschieden hat, gibt dem Stück eine dramaturgische Stringenz, die in anderen Produktionen oft zugunsten reiner Slapstick-Elemente verloren geht. Begrüßenswert ist dabei ihre Entscheidung, das ursprüngliche Opening der Düsseldorfer Urversion zurückzuholen: „Bottrop Beach“ ist eine mitreißende Eröffnungsnummer, die nicht nur sofort Bühnenenergie entfaltet, sondern auch die Ambitionen der Inszenierung deutlich macht. Die Regisseurin nutzt das Können der Absolventinnen und Absolventen der Stage School Hamburg konsequent – sie fordert viel, aber bringt die Mitwirkenden zu beachtlicher Höchstform.
Im Zentrum steht Peter Schlönzke, überzeugend gespielt von Philip Rakoczy, der mit warmer Stimme und emotional-witzigem Spiel glänzt. Seine Entwicklung vom braven Muttersöhnchen zum entzauberten Star wird mit vielen Nuancen erzählt – Franziska Kuropka erlaubt dem Publikum, mit Peter zu lachen, zu leiden und schließlich zu wachsen. Die Szenen mit Illa Kottkamp als Ulla überzeugen durch Chemie – besonders im Duett „Wild und frei“ zeigen beide eine große Bühnenpräsenz. Kottkamp punktet zudem mit einer beeindruckenden Stimme.
Die Familie Schlönzke bildet das humoristische und emotionale Rückgrat des Abends: Munja Meier als pragmatisch-rührende Mutter, Viola Bremer (Oma) und Pascal Giebel (Opa) spielen mit viel Witz und wunderbarer Altersmimik – obwohl sie beide deutlich jünger sind, nimmt man ihnen die Figuren ab. Besonders charmant: Timo Stark als Bertram, der mit verschrobenem Witz das Stück regelmäßig aufmischt. Auch die kleineren Rollen wie Walter (Marc Verhaelen), Doris (Charlotte Beba) und Karin (Svea Pöhner mit legendärem „Käffchen“-Timing) sind präzise geführt.
Ein echtes Ereignis aber ist Nik Breidenbach als egomanischer Showmaster Heinz Wäscher und dessen Alter Ego Uschi Blum. In jeder Szene eine Naturgewalt, changiert Breidenbach zwischen Boshaftigkeit, Nervenzusammenbruch und schillerndem Showbiz-Wahnsinn. Seine große Abgangsnummer „Lass Heinz ran“ zu Beginn des zweiten Akts ist ein absolutes Highlight: theatralisch und komödiantisch brillant. Hier zeigt die Inszenierung, wie aus überzeichneter Satire echte Tragikomödie entstehen kann.

Für die Choreografie zeichnet Sven Niemeyer verantwortlich, der dem Abend eine dynamische Bewegung verleiht. Die Ensemble-Szenen wirken nie statisch, sondern fließen rhythmisch durch die Handlung. Besonders die sechs Showgirls begeistern mit Präzision und Ausdruckskraft.
Ein besonderes Lob verdient das Bühnenbild von Felix Wienbürger: In kaum einem anderen Stück am First Stage Theater wurde bisher so aufwendig und zugleich punktgenau gearbeitet. Die Szenenwechsel gelingen in hohem Tempo – sei es das funkelnde Fernsehstudio mit ikonischer Showtreppe, das detailgetreue muffige Wohnzimmer der Schlönzkes, deren Schnittchen-Laden oder Ullas Tonstudio. Die Ausstattung versprüht echtes Neunziger-Flair, ohne ins Kitschige zu kippen. Auch das Lichtdesign von Wienbürger trägt entscheidend zur Atmosphäre bei, setzt passende Akzente und lässt die Glamourwelt immer wieder künstlich grell aufflackern.
Die Kostüme von Volker Deutschmann und Hermine Seifert bewegen sich gekonnt zwischen Revuestil und Alltagstristesse der 1990er-Jahre. Während die Showgirls in pinkem Glitzer glänzen und Heinz Wäschers Outfits eine modische Geschichte für sich erzählen, dominieren im Bereich der Ruhrpott-Familie eher Brauntöne und Strick.
Die Musik von Thomas Zaufke und Achim Hagemann erfüllt ihren Zweck: mal beschwingt, mal ironisch, oft solide, aber selten herausragend. Es gibt ein paar Ohrwürmer – allen voran der rockige „Klingelsturm“, das kraftvolle „Wild und frei“ sowie „Kumpel Nr. 1“, Peters Liebeslied auf den Fernseher – die musikalisch positiv aus dem Rahmen fallen. Die vierköpfige Band mit Johannes Hierluksch am Keyboard, Jonas Stadelmaier am Schlagzeug, Marcel Weining an der Gitarre und Nico Bauckholt am Bass spielt souverän, bringt Druck, wo nötig, und Zurückhaltung, wo es wirkt.
Das Buch von Thomas Hermanns übernimmt viele der ikonischen Dialoge des Films („Bitte werfen Sie eine Münze ein!“) – sehr zur Freude der Fans. Doch nicht jeder Gag zündet im Jahr 2025 noch mit der gleichen Wucht wie 1993. Der Humor ist oft liebevoll altmodisch, gelegentlich mit Längen. Franziska Kuropka umschifft diese Klippen geschickt, indem sie auf Tempo setzt – das Publikum der besuchten Vorstellung lacht herzlich und oft, insbesondere bei den berüchtigten Showmomenten mit Heinz Wäscher und Uschi Blum. Sehenswert!
Text: Dominik Lapp