„Gefährliche Liebschaften“ in Nordhausen (Foto: Tim Müller)
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Musikalisches Intrigenspiel: „Gefährliche Liebschaften“ in Nordhausen

Intrigen, Machtspiele und verletzliche Herzen – selten treffen moralischer Abgrund und musikalisches Feingefühl so unmittelbar aufeinander wie im Musical „Gefährliche Liebschaften“ am Theater Nordhausen. Das Haus nutzt seine Interimsspielstätte, den so genannten Anbau, mit beachtlicher künstlerischer Konsequenz und beweist, dass große Gefühle keine große Bühne brauchen.

Basierend auf dem Briefroman „Les Liaisons dangereuses“ von Choderlos de Laclos erzählt das Stück mit Musik von Marc Schubring sowie Buch und Songtexten von Wolfgang Adenberg – das Autorenteam von Musicals wie „Der Mann, der Sherlock Holmes war“ oder „Mata Hari“ – vom zynischen Spiel zweier Adliger. Ihre manipulativen Machtspiele im Paris des Ancien Régime wirken erschreckend zeitlos – wohl ein Grund, warum der Stoff immer wieder Adaptionen in Theater, Film und nun auch im Musical erfährt.

Regisseur Ivan Alboresi inszeniert den Stoff als Mischung aus Komödie und Drama. Die Bühne von Wolfgang Kurima Rauschning bleibt bewusst reduziert: Verspiegelte Türen, die Einblick wie Abgrenzung suggerieren, und eine Drehbühne genügen, um den moralischen Taumel der Figuren in Szene zu setzen. Stilvoll überzeichnet präsentieren sich auch die herausragenden Kostüme von Anja Schulz-Hentrich, die der unterkühlten Ästhetik des Rokoko eine feine theatralische Note verleihen.

Darstellerisch besonders hervorzuheben ist Johanna Zett als Marquise de Merteuil. Mit eisiger Eleganz gestaltet sie eine Figur, die Rache zur Lebensform gemacht hat. Ihr Solo gerät zum ergreifenden Höhepunkt des Abends. David Arnsperger überzeugt als Valmont, der sich vom selbstgefälligen Verführer zur tragischen Figur wandelt – ein Wandel, der nicht nur gesanglich, sondern auch darstellerisch überzeugt.

Auch das übrige Ensemble besticht: Leonie Dietrich lässt die junge Cécile de Volanges glaubwürdig vom naiven Mädchen zur selbstbewussten Frau reifen. Yuval Oren als tiefgläubige Madame de Tourvel bringt mit großer Intensität die Tragik einer Frau zum Ausdruck, die der Liebe nicht gewachsen ist. Anja Daniela Wagner überzeugt als gutmeinende, aber machtlose Mutter. Auch die Nebenrollen sind präzise besetzt.

Musikalisch stützt sich das Werk auf die stilsichere Komposition Marc Schubrings, die zwischen barocker Anmutung und moderner Emotionalität changiert. Der Chor unter Markus Fischer ist klanglich stark, das Loh-Orchester Sondershausen liefert viele feinsinnige Passagen.

So gelingt in Nordhausen mit „Gefährliche Liebschaften“ eine bemerkenswert dichte, atmosphärisch kluge Inszenierung. Im Provisorium des Anbaus entfaltet sich ein musikalisches Intrigenspiel, das durch ein exzellentes Ensemble und eine starke Inszenierung überzeugt.

Text: Christoph Doerner

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Nach seinem Studium der Musiktheaterwissenschaft, einem Volontariat sowie mehreren journalistischen Stationen im In- und Ausland, ist Christoph Doerner seit einigen Jahren als freier Journalist, Texter und Berater tätig.