„Der Mann, der Sherlock Holmes war“ (Foto: Dominik Lapp)
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Großes Vergnügen: „Der Mann, der Sherlock Holmes war“ in Bielefeld

Für eine recht lange Zeit war es still geworden um das 2009 an der Staatsoperette Dresden uraufgeführte Musical „Der Mann, der Sherlock Holmes war“. Es folgten zwar noch eine Handvoll Inszenierungen an kleineren Bühnen, aber dass sich endlich wieder ein größeres Haus diesem Stück aus der Feder von Marc Schubring (Musik) und Wolfgang Adenberg (Buch und Songtexte) annimmt, hat dann doch bis 2023 gedauert. Mit dem Theater Bielefeld hat sich sogleich eine renommierte Bühne gefunden, die dem Werk in allen Belangen vollends gerecht wird.

Das auf dem gleichnamigen Ufa-Film aus dem Jahr 1937 basierende Musical erzählt die Geschichte der beiden Privatdetektive Morris Flynn und Mackie McPherson, die sich als Detektivduo Sherlock Holmes und Dr. Watson ausgeben, um an Aufträge zu kommen. Wolfgang Adenberg hat dafür ein solides Buch geschrieben, das handwerklich überzeugt und durch Wortwitz die Zwanziger- und Dreißigerjahre aufleben lässt. Wie sich das große Rätselraten um verstecktes Geld und gestohlene Briefmarken mit komödiantischen Momenten abwechselt, ist geradezu grandios und verspricht ein großes Vergnügen.

Einen enormen Anteil daran hat Regisseurin Sandra Wissmann, die sich mit Komödien wie „Drei Männer im Schnee“ und Nostalgiestoffen wie „Die Drei von der Tankstelle“ sehr gut auskennt und somit die perfekte Expertin ist, um „Der Mann, der Sherlock Holmes war“ auf die Bühne zu bringen. Dabei verzichtet sie auf ausgefallene Regie-Einfälle und setzt auf Timing, Tempo und eine stringente Personenführung und -zeichnung.

Indes steht ihr eine erstklassige Cast zur Verfügung, die aus Gästen und dem Hausensemble besteht. Markus Schneider und Merlin Fargel passen typenmäßig als Detektivduo hervorragend zusammen. So gibt Schneider einen agil-selbstsicheren Flynn/Holmes und Fargel einen pessimistisch-vorsichtigen McPherson/Watson. Genial spielen sie sich gegenseitig die Bälle zu, zeichnen ein glaubwürdiges Sherlock-Watson-Bild, singen fantastisch und tanzen wunderbar. Allein durch diese beiden Sympathieträger gewinnt die Produktion.

Doch die Damenriege braucht sich hinter den beiden Herren nicht zu verstecken: Karen Müller und Charlotte Katzer überzeugen in den Rollen von Jane und Mary Berry. Als Näherinnen, die plötzlich zu Schlosserbinnen werden, geben Müller und Katzer ein glaubhaftes Schwesterngespann ab. Auch sie lassen gesanglich mit ihren wohlklingenden Stimmen aufhorchen, tanzen und spielen großartig. Cornelie Isenbürger reicht als Obergangsterin Colette Ganymore zwar nicht an die stimmliche Brillanz ihrer Kolleginnen heran, bemüht sich aber und macht stimmliche Defizite durch ihr Schauspiel wett.

Als Ganymores Gehilfen Jacques und Jules spielen sich Nikolaj Alexander Brucker und Alexander von Hugo schnell in die Herzen des Publikums. Dass ihre Chefin die beiden Schergen grundsätzlich verwechselt, entwickelt sich dabei zum Running Gag des Abends. Als sehr wandlungsfähig erweist sich zudem Carlos Horacio Rivas in gleich acht Rollen.

Für optische Höhepunkte sorgt Britta Tönne mit ihrem Bühnenbild und den Kostümen. Während sich die Kleidung an der herrlichen Mode der Zwanziger- bis Dreißigerjahre orientiert, nutzt Tönne für die Szenengestaltung alle technischen Möglichkeiten des Hauses. Durch die Hub- und Drehbühne entstehen im Handumdrehen neue Schauplätze. Vom Detektivbüro gelingt die Verwandlung in eine Fabrik, einen Bahnwaggon, ein Polizeirevier, den Salon eines Schlosses, ein Hotelzimmer oder einen Keller. Alle Szenerien sind authentisch und zum Teil sehr detailverliebt ausgestattet. Schön anzusehen ist weiter die Choreografie von Yara Hassan und ganz besonders die Stepchoreografie von Alexander von Hugo, die exzellent zu der schmissig-mitreißenden Musik von Marc Schubring passt.

Ohnehin ist die Musik der Größte Pluspunkt des Stücks. Schubring hat eine fantastische Partitur geschrieben, die von Frank Hollmann fabelhaft orchestriert wurde. Die Melodien bewegen sich stilistisch irgendwo zwischen Abraham, Benatzky und Kálmán, die Bielefelder Philharmoniker spielen unter dem genauso flotten wie einfühlsamen Dirigat von William Ward Murta mit Leidenschaft und Verve. Klasse, wie das swingt und groovt. Klasse, dass dieses hinreißende Musical endlich wieder auf einer großen Bühne zu sehen ist. Auf keinen Fall verpassen!

Text: Dominik Lapp

Dominik Lapp ist ausgebildeter Journalist und schreibt nicht nur für kulturfeder.de, sondern auch für andere Medien wie Lokalzeitungen und Magazine. Er führte Regie bei den Pop-Oratorien "Die 10 Gebote" und "Luther" sowie bei einer Workshop-Produktion des Musicals "Schimmelreiter". Darüber hinaus schuf er die Musical-Talk-Konzertreihe "Auf ein Wort" und Streaming-Konzerte wie "In Love with Musical", "Musical meets Christmas" und "Musical Songbook".