„Dirty Dancing“ (Foto: Jens Hauer)
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Gelungene Neuauflage eines Klassikers: „Dirty Dancing“ auf Tour

„Es war im Sommer ’63. Alle nannten mich Baby.“ Mit diesen Worten beginnt ein Low-Budget-Film aus dem Jahr 1987, der längst Kultstatus erreicht hat und auch in der Bühnenfassung als Schauspiel mit Musik gut unterhält: Mehr-BB Entertainment schickt „Dirty Dancing“ aktuell in einer Neuinszenierung von Alex Balga auf große Tour.

Bereits wenige Takte des weltbekannten Soundtracks genügen, damit die Zuschauer mittendrin sind: Im Sommer 1963, im Ferienresort Kellerman’s, wo sich zwischen der behüteten Teenagerin Frances „Baby“ Houseman und dem rebellischen Tanzlehrer Johnny Castle eine erst zaghafte, dann stürmische, aber vor allem kitschige Tanz-Romanze entwickelt.

Die Bühnenversion bleibt sehr nah am Film, bindet jedoch sehr geschickt zusätzliche Szenen ein. Dadurch erhält die Story mehr Tiefenschärfe, was die Unterschiede zwischen Hotelgästen und Angestellten, zwischen Weißen und Schwarzen, zwischen Frauen und Männern betrifft. Babys Mutter (Masha Karell) erhält so wesentlich mehr Raum als im Film, Neil Kellerman (Niklas Schurz) schließt sich einer Bürgerrechtsbewegung an, um sich gegenüber seinem Großvater zu behaupten, und Johnny (Máté Gyenei) erklärt, sich nicht für Schwarze einzusetzen, weil sich auch nie jemand für ihn eingesetzt habe.

Das alles erzählt Regisseur Alex Balga in einem rasanten Tempo mit schnell wechselnden Szenen wie in einem Film, weshalb niemals Langeweile aufkommt. Durch das sparsame, aber effektvolle Bühnenbild von Federico Bellone (Fassaden, Fenster und Türen werden nur schemenhaft durch Holzlatten angedeutet), das großartige Lichtdesign von Valerio Tiberi und die schönen Kostüme von Jennifer Irwin lassen sich die bekannten Filmszenen wunderbar für die Bühne adaptieren. Ob nun Baby „eine Wassermelone getragen“ hat oder mit Johnny die berühmte Hebefigur im Wasser übt – das Publikum feiert diese Szenen.

In der weiblichen Hauptrolle brilliert Deike Darrelmann, indem sie Baby genauso authentisch wie liebenswert gibt und eine starke Charakterentwicklung vollzieht – vom behüteten Mädchen zu einer selbstbewussten jungen Frau, die ihre Stärke im Tanz entdeckt. An ihrer Seite überzeugt Máté Gyenei als Johnny schauspielerisch und besonders tänzerisch.

Die tiefe freundschaftliche Verbundenheit zu Johnny kann Isabelle Vedder als Penny sehr gut darstellen, Nicole Klünsner mimt als Lisa ganz herrlich die etwas dümmlich wirkende Schwester von Baby, Niklas Schurz sorgt als flapsiger Neil für Lacher, Martin Sommerlatte spielt als Dr. Houseman einen genauso strengen wie liebenden Vater und Masha Karell schafft es, in der Rolle der Mutter schauspielerisch zu glänzen.

Die aus dem Film bekannte Musik mit Hits wie „Hungry Eyes“, „She’s like the Wind“ und „(I’ve had) The Time of my Life“ ist meistens nur wie der Filmsoundtrack im Hintergrund zu hören. Man muss sich einfach darüber im Klaren sein, dass „Dirty Dancing“ eine Mischung aus Sprech- und Tanztheater ist, aber keinesfalls ein Musical, für das es oft fälschlicherweise gehalten wird. Manchmal darf jedoch Bente Mulan Nanayakkara als Leadsängerin live singen, was ihr mit kräftiger und gefühlvoller Stimme gelingt.

Ein Highlight ist definitiv die abwechslungsreiche Choreografie von Austin Wilks, die an viele Momente des Films anknüpft. Spätestens bei der berühmten Hebefigur und Johnnys „Mein Baby gehört zu mir“ ist das Publikum dann auch nicht mehr zu halten. Jubel und Applaus für die gelungene Neuauflage eines Klassikers!

Text: Christoph Doerner

Nach seinem Studium der Musiktheaterwissenschaft, einem Volontariat sowie mehreren journalistischen Stationen im In- und Ausland, ist Christoph Doerner seit einigen Jahren als freier Journalist, Texter und Berater tätig.