„Der Fliegende Holländer“ in Osnabrück (Foto: Dominik Lapp)
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Wie ein düster leuchtendes Ölgemälde: „Der Fliegende Holländer“ in Osnabrück

Ein Sturm zieht auf. Nicht nur auf der Bühne, sondern auch in den Seelen der Figuren. Das Theater Osnabrück wagt mit Richards Wagners Oper „Der Fliegende Holländer“ eine spannende Gratwanderung zwischen Grusel, Romantik und mythischer Naturgewalt.

Regisseur Dennis Krauß, der auch für Bühnenbild und Kostüme verantwortlich zeichnet, entwirft eine Welt, die wie ein düster leuchtendes Ölgemälde wirkt: Rot und Blau dominieren das Bild, Himmel und Hölle, Blut und Wasser. Auf der Drehbühne thront eine halbrunde Felskonstruktion, die sich immer wieder verwandelt – einmal ist sie die zerklüftete Küste, dann wieder das schwankende Deck des Geisterschiffs. Alles scheint in Bewegung, als würde das Meer selbst atmen.

„Der Fliegende Holländer“ in Osnabrück (Foto: Dominik Lapp)

Krauß‘ Regie versteht den „Fliegenden Holländer“ als Horrorstory, die zugleich romantisch ist. Wie bei Marschners „Vampyr“ oder Donizettis „Lucia di Lammermoor“ steht das Unheimliche in unauflöslicher Verbindung mit der Sehnsucht nach Erlösung. Der Holländer, von Martin-Jan Nijhof grandios mit beunruhigender Präsenz gesungen, erscheint hier tatsächlich wie ein Untoter: blasses Gesicht, rot umrandete Augen, ein Körper, gezeichnet von sieben Jahren auf dem Meer.

Das Kostüm – blutrot im Gegensatz zum tiefblauen Ensemble – macht die Titelfigur zur Verkörperung ihres Fluchs. Wenn Senta ihm schließlich in Rot begegnet und sich von den Klippen ins Meer stürzt, wird der Moment zur apokalyptischen Liebesvereinigung: Zwei Verdammte finden im Untergang den Frieden.

Neben Nijhofs düsterer Wucht überzeugt Susann Vent-Wunderlich als Senta mit klarem, leuchtendem Sopran, der zu strahlender Intensität aufblüht. Dominic Barberi gibt seinem Daland eine angenehm warme, doch von Habgier gefärbte Bassfarbe. Kwonsoo Jeon gestaltet Erik als lyrisch zerrissene Figur, die zwischen irdischer Liebe und metaphysischem Wahnsinn schwankt. Florian Wugk als Steuermann und Nadia Steinhardt als Mary fügen sich stimmlich wie darstellerisch organisch ein.

„Der Fliegende Holländer“ in Osnabrück (Foto: Dominik Lapp)

Der neue Generalmusikdirektor Christopher Lichtenstein hat das Osnabrücker Symphonieorchester exzellent einstudiert, so dass Wagners frühe Partitur in großer Frische erstrahlt. In der besuchten Vorstellung dirigiert Kapellmeister Benjamin Huth, der die Musikerinnen und Musiker mit feiner dynamischer Abstufung Meeresbilder malen lässt: Der Sturm tobt in den Blechbläsern, die Streicher schäumen und brechen, während die Holzbläser flirrende Lichtreflexe auf die Wasseroberfläche zaubern. Huth führt mit sicherer Hand durch das Wechselspiel aus Dramatik und Stille, lässt die großen Linien atmen, ohne den Sängerinnen und Sängern den Raum zu nehmen.

Der Chor (Einstudierung: Sierd Quarré) ist ebenfalls eine Klasse für sich – mächtig in den Matrosenrufen, unheimlich in den Frauenchören. Dass Choreografin Gal Fefferman dem Ensemble präzise stakkatoartige Bewegungen verordnet, verleiht den Szenen eine zusätzliche Spannung. Diese Art choreografischer Einbindung ist in der Oper noch immer selten, hier aber von bestechender Wirkung. Der Chor wirkt wie eine lebendige Woge, mal Mensch, mal Naturgewalt.

So zeigt diese Osnabrücker Opernproduktion, dass „Der Fliegende Holländer“ weit mehr ist als ein romantisches Seefahrerstück. Wenn die Bühne im letzten Moment in dramatisches Licht getaucht ist und das Meer die Liebenden verschlingt, bleibt das Publikum gebannt zurück – und dann brandet begeisterter Applaus auf. Absolut verdient.

Text: Dominik Lapp

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Dominik Lapp ist ausgebildeter Journalist und schreibt nicht nur für kulturfeder.de, sondern auch für andere Medien wie Lokalzeitungen und Magazine. Er führte Regie bei den Pop-Oratorien "Die 10 Gebote" und "Luther" sowie bei einer Workshop-Produktion des Musicals "Schimmelreiter". Darüber hinaus schuf er die Musical-Talk-Konzertreihe "Auf ein Wort" und Streaming-Konzerte wie "In Love with Musical", "Musical meets Christmas" und "Musical Songbook".