Mathias Schlung (Foto: Dominik Lapp)
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Interview mit Mathias Schlung: „Ich suche den Humor in jeder Figur“

Mathias Schlung ist einem breiten Publikum als wandlungsfähiger Schauspieler und Musicaldarsteller bekannt. In Sommer 2025 verkörpert er im Musical „The Addams Family“ beim Domplatz Open Air in Magdeburg den Onkel Fester. Im Interview erzählt er von der besonderen Atmosphäre des Spiels unter freiem Himmel, seiner Herangehensweise an die Figur, dem Reiz von schwarzem Humor – und warum spontane Einsätze für ihn ein Geschenk sind.

Du spielst aktuell Onkel Fester in „The Addams Family“ beim Magdeburger Domplatz Open Air. Wie fühlt es sich an, vor dieser imposanten Kulisse aufzutreten?
Wenn man auf der Bühne steht, sieht man den Dom selbst natürlich kaum, aber man spürt ihn. Die Dimensionen der Bühne, das offene Spiel unter freiem Himmel, die besondere Atmosphäre eines Sommerabends – das alles macht Open-Air-Theater für mich zu einem unglaublich schönen Erlebnis. Der Wind, das Licht, die Natur – das spielt alles mit. Und auch der Dom spielt mit, zumindest im Hintergrund. Das ist wirklich etwas Besonderes.

Was fasziniert dich an der Figur des Onkel Fester?
Onkel Fester ist voller Liebe und eine durch und durch positive Erscheinung – oder sagen wir: ein positives Wesen. Er ist kindlich-naiv, voller Lebensfreude und Sehnsucht nach Liebe für sich und andere. Diese bedingungslose Suche nach Liebe ist sehr berührend. Das alles macht die Rolle für mich sehr erfüllend. Auch wenn ich mich privat nicht immer so positiv fühle, liebe ich es, diesen Aspekt auf der Bühne ausleben zu dürfen. Onkel Fester hat trotz des düsteren Settings der „Addams Family“ etwas Leichtes, etwas Tröstliches.

Wie hast du dich auf die Rolle vorbereitet, auch im Hinblick auf die vielen bekannten Vorlagen wie Comic, Serie und Filme?
Tatsächlich hatte ich die Filme damals nie gesehen. Nur als Kind mal die schwarz-weiße Serie. Die war aber eher ein Hintergrundrauschen. Für die Vorbereitung habe ich mir dann noch mal einen Film angeschaut, aber ihn auch schnell wieder ausgemacht. Er hat mir nicht geholfen – weder fürs Musical noch für mein persönliches Verständnis der Figur. Ich habe mich stattdessen über den Kern von Festers Persönlichkeit genähert: seine Liebessehnsucht. Die Maske, das Kostüm, das Setting – all das unterstützt natürlich und erfüllt viele Erwartungen des Publikums. Aber für mich war wichtig, schauspielerisch bei der inneren Motivation zu bleiben.

Mathias Schlung in „Notre Dame“ in Bad Hersfeld (Foto: Dominik Lapp)

Das Stück lebt auch vom typischen schwarzen Humor. Wie bringt man den überzeugend auf die Bühne?
Das Publikum bringt meist schon eine Erwartungshaltung mit – sei es durch die Filme oder die Netflix-Serie „Wednesday“. Viele kommen bewusst wegen dieses schwarzen Humors. Man muss ihn also nicht groß erklären oder einführen. Entscheidend ist, die Pointen trocken und selbstverständlich zu setzen – nicht überdreht. Wenn die Tonalität einmal etabliert ist, trägt sich der Humor von selbst. Ich persönlich finde diesen subtilen, düsteren Witz sehr angenehm – ehrlicher gesagt auch oft angenehmer als klassische deutsche Comedy.

Wie viel kreative Freiheit hattest du bei der Rollenentwicklung?
Ich war extrem frei. Regisseur Felix Seiler hat mir großes Vertrauen entgegengebracht. Natürlich gab es Anpassungen, damit alles zur Gesamtinszenierung passt – aber ich durfte sehr viel ausprobieren. Und ich probiere tatsächlich bis zur letzten Probe vor der Premiere noch aus. Dieser Raum zum Experimentieren ist ein Geschenk.

Gab es besondere Probenmomente, die dir im Gedächtnis geblieben sind?
Ja, einige. Besonders berührt hat mich das erste gemeinsame Proben mit dem Ballett. Oft sind Ballettensembles sehr für sich, manchmal sogar ein wenig abweisend – was sicherlich auch mit der enormen Disziplin zu tun hat. Aber hier war das anders. Die Tänzerinnen und Tänzer waren offen, zugewandt, voller Freude. Als sie zum ersten Mal in einer Szene mitwirkten und so begeistert waren, gab mir das einen richtigen Energieschub. Und dann ist da noch Bettina Mönch: Wir sind seit 2011 eng befreundet. Wenn sie singt, stehe ich staunend am Bühnenrand und denke: Was für ein Geschenk, so etwas im Job zu erleben! Sandra Leitner ist da übrigens genauso beeindruckend.

„Frankenstein Junior“ (Foto: Dominik Lapp)

Welche Herausforderungen bringt ein Open Air mit sich, etwa in Sachen Akustik oder Wetter?
Das Wetter ist immer ein Faktor. Aber für mich einer, der beflügelt. Ob es heiß ist oder regnet: Das erzeugt Widerstand, ja, aber einen positiven. Es belebt das Spiel. Schwieriger ist die Akustik. Wir arbeiten mit In-Ear-Monitoring, was technisch anspruchsvoll ist. Mit beiden Stöpseln im Ohr höre ich zwar das Orchester perfekt, verliere aber den Kontakt zu meinen Mitspielern. Mit nur einem In-Ear wird’s schnell diffus. Das ist eine echte Gratwanderung.

Du arbeitest im Schauspiel, Musical und Fernsehen – gibt es eine bevorzugte Sparte?
Ich liebe die Vielseitigkeit, aber meine Wurzel ist das Schauspiel. Ich habe viel Musical gemacht, aus verschiedenen Gründen: Es ist planbarer als Fernsehen und besser bezahlt als Theater. Aber ich hadere auch oft mit dem Genre, weil es sich aus meiner Sicht zu selten ernst nimmt oder zu schnell zufrieden gibt. Ich wünsche mir mehr Tiefe, mehr Mut zum Konflikt, mehr Authentizität – selbst bei albernen Stoffen. Gesang und Tanz sind toll, aber das Schauspiel sollte nicht zu kurz kommen.

Welche Rolle spielt Humor in deiner Arbeit?
Eine große. Wobei ich mich selbst gar nicht als besonders komisch empfinde. Ich lache wenig laut – ich
staune eher über gute Komik. Aber ich suche den Humor in jeder Figur, selbst in Tragödien. Umgekehrt
steckt auch in jeder komischen Figur ein Drama. Humor hilft, sich selbst nicht zu ernst zu nehmen, und
genau daraus entstehen oft die besten kreativen Prozesse.

„Cabaret“ in Bielefeld (Foto: Dominik Lapp)

Ich habe dich letztes Jahr zufällig als Einspringer in „Cabaret“ in Bielefeld erlebt, wo du den Conferencier gegeben hast. Wie gehst du mit solchen spontanen Situationen um?
Ich liebe Einspringer! Da kann man fast nur gewinnen. Die Erwartungen sind niedrig, der Druck ist hoch – aber ich arbeite unter Druck meist besser als mit zu viel Vorlauf. Und das Schöne: Man hat totale Freiheit. Wenn mal was nicht klappt oder man improvisieren muss, ist das okay. Alle sind dankbar, dass man überhaupt da ist. Ich könnte mein ganzes Leben als Einspringer bestreiten.

Welche Menschen haben dich auf deinem künstlerischen Weg besonders geprägt?
Ganz am Anfang war es Helmut Baumann. Meine Lateinlehrerin wusste, dass ich Schauspieler werden will. Sie nahm mich damals mit nach Berlin – in den Achtzigern. Ich sah „La Cage aux Folles“ und war völlig hingerissen. Diese Atmosphäre – und besonders Baumann – haben mich sehr beeindruckt. Sie schrieb ihm sogar einen Brief mit einer Videokassette von mir, worauf er sehr nett antwortete. Und dann meine Schauspiellehrerin Erni Mangold – eine fast 100-jährige, sehr fordernde Persönlichkeit. Sie hat mir beigebracht, gegen den Text zu spielen, also nicht das Offensichtliche zu spielen. Klaus Maria Brandauer hat mich durch seine bloße Präsenz beeindruckt. Und Stefan Huber schließlich hat mir im Musical gezeigt, wie intensiv, wie tief man auch in diesem Genre arbeiten kann. Besonders bei „Titanic“ in Bad Hersfeld habe ich seine Hingabe gespürt – da ging es nicht um Effekte, sondern um echte Konflikte und Sehnsüchte. Das war für mich eine sehr prägende Erfahrung. Er fehlt.

Das stimmt. Konntest du denn eigentlich mal mit Helmut Baumann arbeiten?
Leider nicht. Das hat sich bislang nicht ergeben. Ich habe ihn auch erst relativ spät kennen gelernt. Zwar sind wir über die Jahre immer mal in Kontakt gewesen, haben uns auf Veranstaltungen getroffen, aber gearbeitet habe ich nie mit ihm.

Interview: Dominik Lapp

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Dominik Lapp ist ausgebildeter Journalist und schreibt nicht nur für kulturfeder.de, sondern auch für andere Medien wie Lokalzeitungen und Magazine. Er führte Regie bei den Pop-Oratorien "Die 10 Gebote" und "Luther" sowie bei einer Workshop-Produktion des Musicals "Schimmelreiter". Darüber hinaus schuf er die Musical-Talk-Konzertreihe "Auf ein Wort" und Streaming-Konzerte wie "In Love with Musical", "Musical meets Christmas" und "Musical Songbook".