
Einsparungen mit Folgen: Was das Aus für das Orchester der Bühne Baden bedeutet
Die niederösterreichische Kulturlandschaft steht vor einem krassen Umbruch: Ab der Spielzeit 2027/28 soll das traditionsreiche Orchester der Bühne Baden aufgelöst werden. Das gab die Mehrheitsgesellschafterin, die landeseigene Niederösterreichische Kulturwirtschaft (NÖKU), bekannt. Betroffen sind 25 Musikerinnen und Musiker, deren Verträge mit Ende der Saison 2026/27 auslaufen.
Stattdessen übernimmt künftig das Tonkünstler-Orchester Niederösterreich die musikalische Bespielung der Bühne Baden. Mit 101 fixen Stellen zählt es zu den großen Klangkörpern des Landes. Das neue Konzept für das Badener Haus unter der Leitung von Andreas Gergen sieht vor, sich künftig auf Operette und Musical zu konzentrieren – die Oper verschwindet vom Spielplan.
Mehrbelastung für die Tonkünstler
Für das Tonkünstler-Orchester bedeutet die Erweiterung um die Spielstätte Baden zusätzliche Verpflichtungen. Um die Mehrarbeit abzufangen, sollen die bestehenden Dienstverträge flexibilisiert werden – längere Arbeitszeiten, aber gleichbleibende Gehälter. Zusätzlich entstehen 15 neue Stellen, allerdings mit angepassten Gehaltsstrukturen und neuem Dienstrecht. Das Einsparungsziel ist ehrgeizig: Ab 2028 will das Land Niederösterreich durch die Umstrukturierung rund eine Million Euro jährlich einsparen.
Kritik von künstlerischer Seite
Die Pläne stoßen bei Kulturschaffenden auf heftige Kritik. Andreas Gergen, Künstlerischer Leiter der Bühne Baden, zeigt sich erschüttert: „Meine Enttäuschung und Betroffenheit sind groß, dass die geplante Maßnahme zur Auflösung des Orchesters der Bühne Baden meinen Amtsantritt als Künstlerischer Leiter überschattet.“
Er beleuchtet die zentrale Rolle des Ensembles für den Erfolg des Hauses: „Das Orchester der Bühne Baden besteht aus Musikerinnen und Musikern, die sich in den letzten Jahren als Spezialisten für Operette und Musical profiliert haben. Ich habe meine künstlerische Konzeption für die Bühne Baden genau auf dieses Orchester und diese Voraussetzungen zugeschnitten.“
Vor allem warnt Gergen vor künstlerischen und ökonomischen Fehlentwicklungen: „Ein Sinfonieorchester kann diese hochspezialisierte Arbeit nicht ohne Weiteres leisten. (…) Statt Einsparungen drohen Mehrkosten, statt künstlerischem Zugewinn droht ein Qualitätsverlust.“

Widerstand aus der Theaterlandschaft
Auch die Intendantinnen und Intendanten der österreichischen Bundesländer- und Städtetheater melden sich mit Geschlossenheit zu Wort. In ihrer Stellungnahme heißt es: „Mit Erschrecken hat die Intendant:innengruppe der österreichischen Bundesländer- und Städtetheater den Beschluss, das Orchester der Bühne Baden abzuwickeln, zur Kenntnis genommen. Die Stillosigkeit, die neue Theaterleitung zum Amtsantritt mit einer derart praxisfernen Entscheidung zu konfrontieren, kommt einem Vertrauensbruch gleich und hat eine neue kulturpolitische Qualität.“
Besonders kritisiert wird der Umgang mit den Betroffenen: „Dass hier ohne fundierten Austausch auf Augenhöhe mit allen Beteiligten und Verantwortlichen Fakten geschaffen werden und diese schwerwiegende Entscheidung den Betroffenen so unvermittelt mitgeteilt wird, zerstört aber nicht nur das Vertrauen, sondern verhindert auch eine künstlerisch und ökonomisch sinnvolle Planung und Arbeit.“
Die Gruppe warnt zudem, dass ein Sinfonieorchester nicht einfach die Rolle eines Theaterorchesters übernehmen könne. Ihr Appell ist eindeutig: „Wir appellieren eindrücklich an die politischen Verantwortlichen, diese fatale Entscheidung zu überdenken und (…) gemeinsam sinnvolle Lösungen für die kulturpolitischen und ökonomischen Herausforderungen zu suchen und zu finden.“
Tradition mit ungewisser Zukunft
Das Orchester der Bühne Baden blickt auf eine 172-jährige Tradition zurück und gilt als identitätsstiftender Teil des Hauses mit überregionaler Strahlkraft. Ob die kulturpolitisch motivierte Maßnahme langfristig tatsächlich Einsparungen bringt, ist fraglich. Andreas Gergen begründet das so: „Die NÖKU führt finanzielle Einsparungen als Hauptargument für die Abschaffung des Orchesters an. Aus meiner Sicht ist jedoch das Gegenteil zu erwarten: Das Tonkünstler-Orchester Niederösterreich ist ein zweifelsohne hoch renommiertes Sinfonieorchester, allerdings ohne spezifische Qualifikation im Musiktheater, für das es große Erfahrung auf diesem Gebiet braucht. Für die Genres Operette und Musical, die im Zentrum der Bühne Baden stehen, werden also in Zukunft zusätzliche Spezialistinnen und Spezialisten benötigt, die z.B. die Rock- und Pop-Stilistik im Bereich Musical beherrschen. Diese müssten hinzuengagiert werden – teilweise wären dies möglicherweise dieselben Musikerinnen und Musiker, die bislang ohnehin unser Orchester bilden. Damit ist absehbar, dass die Kosten langfristig höher sein werden als beim Erhalt des bestehenden Ensembles.“
Zudem schränke die lange Vorausplanung – die nötig ist, weil das Tonkünstler-Orchester neben Baden auch Grafenegg, das Festspielhaus St. Pölten, den Musikverein Wien und das Stadttheater Wiener Neustadt bespielt – die wirtschaftliche Flexibilität stark ein: Schon jetzt müssen Spielplan und Termine für die Spielzeit 2027/28 festgelegt werden. Wird das Orchester der Bühne Baden aufgelöst, seien auch keine Zusatzvorstellungen bei erfolgreichen Produktionen möglich (wie zuletzt bei „Chess“), wodurch zusätzliche Einnahmen entfallen würden.
Text: Christoph Doerner