„Wonderland“ in Linz (Foto: Herwig Prammer)
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Schwaches Buch stark inszeniert: „Wonderland“ in Linz

Um es gleich vorwegzunehmen: Das Musical „Wonderland“ von Frank Wildhorn (Musik), Jack Murphy (Songtexte) sowie Jennifer Paulson-Lee und Gabriel Barre (Buch) am Landestheater Linz begeistert mit fantasievollen Inszenierungsideen, grandiosen Leistungen auf der Bühne und mitreißender Musik. Doch so farbenfroh das Spektakel auch ist, die schwache Buchvorlage hinterlässt einen Schatten.

In der überarbeiteten Version (Original-Buch: Jack Murphy und Gregory Boyd) ist Alice keine Schriftstellerin mehr, sondern eine erschöpfte Spiele-Entwicklerin, die im Büro einschläft und im Wunderland, einer surrealen Welt voller skurriler Figuren, aufwacht. Valerie Luksch überzeugt in der Hauptrolle als Alice mit starker Bühnenpräsenz und eindrucksvoller Stimme. Das Buch von Jennifer Paulson-Lee und Gabriel Barre – wie die Songtexte stimmig übersetzt von Wolfgang Adenberg – bleibt trotz Anpassungen oberflächlich und klischeehaft.

Zum Glück weiß Regisseur Christoph Drewitz mit einer kreativen Inszenierung gegenzusteuern. Besonders die Teeparty-Szene, bei der das Orchester unter der souveränen Leitung von Tom Bitterlich sichtbarer Teil des Geschehens wird, ist ein Highlight des Abends. Drewitz gelingt es, mit geschickter Personenführung und originellen Einfällen die Schwächen des Stücks abzufedern und das Publikum mit einem kurzweiligen Musicalabend zu belohnen.

Die Choreografie von David Hartland sprüht vor Energie und bringt Bewegung in die fantastische Welt von „Wonderland“. Ob quirliges Chaos oder präzise Ensembleszenen – alles fügt sich nahtlos in die Szenerie ein.

Ein Lob gebührt auch dem Bühnenbild von Andrew D. Edwards, das auf clevere Weise die sterile Welt eines Entwicklerbüros mit der schillernden Magie des Wunderlands verschmelzen lässt. Die Drehbühne sorgt für einen flüssigen Übergang zwischen den Szenen und wird perfekt ergänzt durch das ausdrucksstarke Lichtdesign von Michael Grundner und das beeindruckende Videodesign von Leo Flint, das die Grenzen zwischen Realität und Fantasie aufhebt.

Adam Nees fantasievolle Kostüme verstärken den märchenhaft-skurrilen Charakter des Stücks. Ob die Herzkönigin, beeindruckend gespielt von Daniela Dett, oder der verrückte Hutmacher, mitreißend interpretiert von Sanne Mieloo – jedes Kostüm ist ein Kunstwerk, das die Figuren hervorragend unterstützt.

Musikalisch glänzt „Wonderland“ mit den eingängigen Kompositionen von Frank Wildhorn. Die ohrwurmtauglichen Melodien werden von einem starken Ensemble interpretiert: Neben den drei bereits erwähnten Damen überzeugen genauso Greta Winkelhofer (Chloe), Max Niemeyer (Weißer Ritter), Christian Fröhlich (Kaninchen), Karsten Kenzel (Raupe), Lukas Sandmann (El Gato), Enrico Treuse (Morris March Hare) sowie Alexandra-Yoana Alexandrova (Flamingo) und bleiben positiv im Gedächtnis.

Trotz der dramaturgischen Schwächen des Buchs gelingt es dem Landestheater Linz mit „Wonderland“, das Publikum in eine farbenfrohe Traumwelt zu entführen – dank einer herausragenden Inszenierung und einer engagierten Ensembleleistung. Ein Muss für Fans von fantasievollen Bühnenwelten!

Text: Christoph Doerner

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Nach seinem Studium der Musiktheaterwissenschaft, einem Volontariat sowie mehreren journalistischen Stationen im In- und Ausland, ist Christoph Doerner seit einigen Jahren als freier Journalist, Texter und Berater tätig.