„The Wiz“ (Foto: Dominik Lapp)
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Fantastisch: „The Wiz“ in Leverkusen

In Leverkusen geht’s jetzt in der Festhalle Opladen mit Dorothy über die gelbe Ziegelsteinstraße ins fantastische Land Oz. Denn das Junge Musical Leverkusen, ein Verein von musicalbegeisterten Menschen, hat eine eindrucksvolle Produktion des 1975 uraufgeführten Musicals „The Wiz“ auf die Bühne gebracht. Während man hierzulande sicher das Musical „Der Zauberer von Oz“ und die Vorgeschichte „Wicked“ kennt, dürfte „The Wiz“ als moderne Adaption des „Zauberers von Oz“ nahezu unbekannt sein. Umso mutiger erscheint die Entscheidung für „The Wiz“.

Lyman Frank Baums Geschichte vom „Zauberer von Oz“, die in den USA wohl so bekannt ist wie hierzulande „Hänsel und Gretel“, kennt man bei uns vor allem durch die Verfilmung mit Judy Garland aus dem Jahr 1939. Das Musical „The Wiz“ hingegen erlangte durch die 1978 erschienene Verfilmung mit Michael Jackson und Diana Ross zumindest etwas an Popularität, am Broadway setzte die Show mit ihrem komplett farbigen Ensemble seinerzeit sogar ein politisches Statement.

In Leverkusen hat man die Rollen color-blind besetzt und mit rund 40 Darstellern auf der Bühne und etwa 20 Musikern im Orchestergraben ein wunderbar unterhaltsames Musical auf die Bühne gebracht. Jeannine Engelen und David Naser, die sich die Regie teilen, haben die Story sehr liebevoll, detailliert und mit einem Fokus auf starke Personenführung und Charakterentwicklung inszeniert. Dabei haben sie sich nicht auf einzelne Ideen gestürzt, sondern ein homogenes Ganzes geschaffen.

„The Wiz“ (Foto: Dominik Lapp)

Das Bühnenbild von David Naser ist recht einfach, aber ausreichend, um die Geschichte zu erzählen und das Publikum mit ins Land Oz zu nehmen. Während die Farm in Kansas, auf der Dorothy zu Hause ist, mit einer Hütte samt Veranda, einem Windrad und einem Zaun angedeutet wird, gibt es in Oz eine zentrale Treppenkonstruktion, die mal als Löwenfelsen, als Schaltzentrale des mächtigen Zauberers oder auch als Tor zur Smaragdstadt dient.

In Verbindung mit dem stimmigen Lichtdesign, Bühnennebel an den richtigen Stellen und den wunderschönen Kostümen von Janine Labus und Amelie Bobach entstehen so ganz fantastische Bilder, die dem Buch von William Ferdinand Brown vollends gerecht werden. Abgerundet werden diese wunderbaren Bilder durch die energiereiche und moderne Choreografie von Eveline Gorter, die den Darstellern weitaus mehr als nur ein paar Moves abverlangt.

Stark ist auch die Musik von Charlie Smalls, die von Pop-Rock-Klängen der 1970er Jahre, Swing- und Jazzelementen, Soul und Gospel dominiert wird. Das Orchester wird von Julius Giesler souverän, dynamisch und mit dem nötigen Drive durch die Partitur gejagt, so dass die Musiker einen musikalischen Glanzpunkt nach dem anderen liefern. Die wahre Durchschlagskraft der Songs ist allerdings auf die durchweg starken Darsteller zurückzuführen (Choreinstudierung: Felix Schirmer), die allesamt so exzellent singen und authentisch agieren, dass man glatt vergessen könnte, dass es sich bei „The Wiz“ um eine semiprofessionelle Produktion handelt, die von Ehrenamtlichen gestemmt wird.

„The Wiz“ (Foto: Dominik Lapp)

Die 15-jährige Carolin Köhler beweist in der Rolle der Dorothy eindrucksvoll, was für eine hervorragende Sängerin sie ist. Die fröhlichen Songs singt sie mit ansteckender Begeisterung, während ihre berührende Interpretation des Songs „Zuhaus“ großes Gänsehautpotenzial hat. Auch schauspielerisch meistert sie ihren großen Part – sie ist nahezu ununterbrochen auf der Bühne – mit Bravour. Gesanglich, schauspielerisch und optisch die perfekte Besetzung für das Mädchen aus Kansas.

Eine überzeugende Gesamtleistung liefert aber auch das Dreiergespann aus Vogelscheuche, Blechmann und Löwe. Benny Hogenacker besticht als Vogelscheuche mit klangschöner Stimme und hervorragendem Körpereinsatz, Tim Lechner gibt bravourös einen liebenswürdigen Blechmann und begeistert mit glänzender Stimme, während Kim Zatrieb mit souligem Schmelz in der Stimme und schauspielerischem Feingefühl den feigen Löwen gibt. Alle drei Darsteller schaffen es, die Motivation ihrer Rollen klar und nachvollziehbar herauszustellen.

Mit strahlendem Gesang verzaubert Laura Dudek als Hexe Glinda, Anika Peters drückt der bösen Hexe Evillene mit ihrem markanten Gesang ihren persönlichen Stempel auf und Alina Johann weiß als Hexe Addapearl nicht nur stimmlich, sondern auch durch ihr Gespür für Komik zu fesseln. Einen starken Auftritt hat außerdem Malena Gärtner als Tante Em, die mit ihrer gefühlvollen Interpretation des Songs „Vergiss nicht, wie es war“ Wärme versprüht. Als mysteriöser Zauberer, der Wiz genannt wird, hat Jennifer Kuniewicz nur recht kurze Auftritte, die sie jedoch gut zu nutzen weiß und dabei hervorragend ausspielt, dass der Zauberer nicht nur ein Hochstapler, sondern eine Frau ist, die sich als Mann ausgibt.

„The Wiz“ (Foto: Dominik Lapp)

Allerdings sollen nicht nur die Solisten positiv erwähnt werden, denn das Ensemble leistet ebenso Großes. Sei es nun als Bewohner des Munchkinlandes oder als Bürger der Smaragdstadt – alle Darsteller agieren als homogene Einheit, wobei jeder seine eigene Persönlichkeit ausspielen kann. In besonders positiver Erinnerung bleiben dabei die tanzenden Mohnblumen und die vier gelb gekleideten Damen, die als personifizierte gelbe Ziegelsteinstraße Dorothy und ihren Freunden den Weg weisen. Diesen Regieeinfall hatte Glenn Casale zwar schon bei seiner 2006/2007 im niederländischen Utrecht gezeigten Inszenierung von „The Wiz“, allerdings waren es bei ihm vier Herren in gelben Kostümen.

So begeistert „The Wiz“ als optisch wie musikalisch moderne Adaption des „Zauberers von Oz“. Das Kreativteam des Jungen Musicals Leverkusen hat dabei den Zauber der Originalgeschichte bewahrt, aber die Handlung behutsam entstaubt und massenkompatibel gemacht. Dem Publikum bieten sich fantastische Bilder, schmissige Musik und exzellente Darsteller in einer zauberhaften Geschichte ums Erwachsenwerden, um Freundschaft, Selbstvertrauen, innere Stärke und Mut.

Text: Dominik Lapp

Dominik Lapp ist ausgebildeter Journalist und schreibt nicht nur für kulturfeder.de, sondern auch für andere Medien wie Lokalzeitungen und Magazine. Er führte Regie bei den Pop-Oratorien "Die 10 Gebote" und "Luther" sowie bei einer Workshop-Produktion des Musicals "Schimmelreiter". Darüber hinaus schuf er die Musical-Talk-Konzertreihe "Auf ein Wort" und Streaming-Konzerte wie "In Love with Musical", "Musical meets Christmas" und "Musical Songbook".