„Robin Hood“ in Fulda (Foto: Sophia Walkenhorst)
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Der König der Wälder ist zurück: „Robin Hood“ in Fulda

Der Musicalsommer Fulda läuft auch Hochtouren: Nach „Die Päpstin“ wird nun das 2022 uraufgeführte Musical „Robin Hood“ unter der Regie von Matthias Davids wieder im Schlosstheater gespielt. Das Bühnenbild von Hans Kudlich besteht nahezu ausschließlich aus halbdurchsichtigen, vergitterten Wänden, die wie Türen aufgeklappt werden können. Mittig gibt es ein großes, in der Höhe verschiebbares Podest. Wände und Podest werden durch Projektionen und das stimmungsvolle Lichtdesign von Michael Grundner in die unterschiedlichen Orte des Stückes verwandelt. Das unaufgeregte Bühnenbild von 2022, das die Handlung immer unterstreicht, ohne zu stark nach vorn zu treten, funktioniert auch bei der Wiederaufnahme sehr gut.

Den unterstreichenden, nicht aufdringlichen Charakter findet man ebenfalls im Kostümbild von Conny Lüders. Es gibt wenige Kostümwechsel bei den Hauptcharakteren, die jedoch, wenn es sie gibt, die Entwicklung der jeweiligen Figuren sinnbildlich unterstreichen. So tragen Robin und Marian zu Beginn die Farbe Hellblau, was einerseits für Treue und Harmonie steht, was sehr gut zu Marian passt, andererseits aber auch für Trunksucht und Sehnsucht, welche gut auf den unzufriedenen Robin passen, der sich dann freiwillig zum Kriegsdienst meldet. Nahezu den gesamten ersten Akt trägt Marian einen Rock in dieser Farbe. Ihre Figur zeichnet sich durch Treue an ihrem Ehemann, ihre innere Ruhe, aber auch ihre Sehnsucht und ihr Bestreben nach Gerechtigkeit aus. Zur Krönungsszene des King John erscheint sie in einem magentafarbenen Rock – eine Farbe, die unter anderem für Engagement steht – und nachdem sie und Robin einander ihre Liebe gestanden haben, unterstreicht ihr schwarzer Rock ihre immense Stärke.

Elke Quirmbachs Maskenbild ist sehr natürlich gehalten. Wenige Darstellende tragen eine Perücke, und diejenigen, die getragen werden, fallen kaum als solche auf. Christian Schönes King John hat hierbei die größte Wandlung durchgemacht, da er vom blonden König 2022 zu einem schwarzhaarigen, leicht gelockten, schmierigen König ohne Bart verändert wurde, was die widerliche, scheinheilige und skrupellose Art seiner Figur optisch hervorragend unterstreicht.

Schöne, der die Rolle des Königs kreiert hat, zeigt auch in diesem Jahr seine enorme Bühnenpräsenz und Ausstrahlung. In seiner ersten Szene – er ist noch nicht komplett ausgeleuchtet – weiß auch der unerfahrene Zuschauer schon, dass hier kein sympathischer Charakter vorgestellt wird. Allein die Körperhaltung signalisiert Überheblichkeit und Arroganz. Besonders in Sprechpassagen zeigt er eine vielfältige Varianz in der Stimme; teilweise klingt sie dunkel und drohend, oft messerscharf und spitz. Das weitet sich bis in seine Gesangsparts aus, die sich insbesondere in „Eine neue Zeit“ schneidend ins Ohr der Zuhörenden fressen. Passt diese Art der Interpretation sehr gut zu seiner Rolle, bewegt sie sich für das Gehör jedoch auf Messers Schneide des Erträglichen.

Philipp Büttner spielt die Titelrolle erneut. Dabei zeigt sich seine Leistung sehr durchwachsen. Ein Höhepunkt ist sein „Woran kann ich noch glauben“, und während er insbesondere in den Duetten mit der umwerfenden Tamara Pascual brillieren kann und dabei gerade bei „Endlich frei sein“ schöne und pointierte Verzierungen setzt, fällt er in Ensemble-Passagen so zurück, dass er textlich häufig nicht zu verstehen ist. Das zeigt sich auch in „Der Weg, der mir gebührt“ im Duett mit Thomas Hohler als Guy von Gisbourne.

„Robin Hood“ in Fulda (Foto: Michael Werthmüller)

Dieser hat zwar nicht die Titelrolle inne, macht sich seine Rolle aber derart zu eigen, dass man ihn zweifellos als heimliche Hauptrolle anerkennen kann. Hohler hat die Rolle des Guy ebenfalls 2022 kreiert und spielt sie unfassbar vielschichtig. Er macht es dem Publikum nicht leicht, ihn in eine Schublade zu stecken oder ihn als den Bösewicht abzustempeln, so wie das bei King John der Fall ist. Guy ist eine innerlich zerrissene, ja sogar unsichere Figur, die mit ihrem Stand hadert und ein ausgeprägtes Anerkennungs- und Machtbedürfnis besitzt. Anfänglich wirkt er wirklich wie der Freund Robins, der ihn auf seiner Hochzeit aufsucht und Scherze mit ihm treibt. Durch das mitunter unüberlegte Verhalten seines Freundes muss Guy immer wieder Rückschläge verkraften, an denen er Robin die Schuld gibt. All dies verkörpert Thomas Hohler, ohne sprechen zu müssen. Dass es ihm sichtlich schwerfällt, Robin zum Tod zu verurteilen, zeigt er durch eindrucksvolle Mimik, während er die Worte spricht und die Wachen zur Verhaftung ruft. Im Showdown ist davon jedoch nichts mehr übrig: Zutiefst verbittert und voller Hass lässt er seinen Kindheitsfreund leiden, ehe er ihm den Todesstoß versetzen will. Stimmlich ist Thomas Hohler eine Ausnahmeerscheinung mit einer großen Bandbreite und enormer Varianz. Hier bleibt vor allen Dingen „Ich oder du“ im Gedächtnis: klar, deutlich und kraftvoll hat er seine Stimme immer vollständig unter Kontrolle, obwohl sein Charakter selbige verliert.

Tamara Pascual spielt Marian nicht – sie ist Marian. Sie zeigt die enorme Stärke ihrer Figur schon in den eher zurückhaltenden Anfangspassagen, als sie allein auf Huntington lebt und vom angeblichen Tod ihres Mannes erfährt. Und spielt sie im Lauf des Stückes immer mehr aus. Ihre enorme Bühnenpräsenz ist so einnehmend, ihre Stimme so eingängig, dass es schade ist, dass ihre Figur kein Solo im Musical hat. Aber auch wenn sie nicht allein glänzen darf, so nutzt sie jeden ihrer Gesangsparts, um ihrer Figur ihren ganz eigenen Stempel aufzudrücken. Insbesondere in den Duetten mit Philipp Büttner zeigt sie ihr beeindruckendes stimmliches Repertoire. Sie schafft es, in „Du bist nicht allein“, Robin den Marsch zu blasen – und das Ganze noch wunderschön klingen zu lassen.

André Haedicke hat die Figur des Clowns in Form von Bruder Tuck inne, die er hervorragend ausfüllt. Sein Timing ist sehr präzise, was für seine Figur enorm wichtig ist, da sie Spannungsphasen immer wieder aufbricht und so dem Publikum eine wohltuende Pause gönnt. Hierbei läuft er gemeinsam mit Robert Johansson, der Will Scarlett verkörpert, in „Komm, wir lassen Fünfe gerade sein“ zur Höchstform auf. Die beiden trinken und schunkeln sich so weit auf, dass es das Publikum zum begeisterten Mitklatschen animiert.

Mit Haedicke stehen allein im Hauptcast vier Darsteller auf der Bühne, die ihre Figur bereits bei der Uraufführung kreiert haben. Das spricht für das Musical. Augenscheinlich ist es nicht nur beim Publikum, sondern auch bei den Darstellern beliebt – und das zu Recht. Das Buch von Dennis Martin, Kevin Schroeder und Christoph Jilo, der auch die Wiederaufnahme-Regie führte, zeigt eine ausgereifte Geschichte. Spannungsphasen, die dem Publikum einiges abverlangen, werden durch clowneske Szenen durchbrochen, um auch mal eine Atempause zu gönnen, bevor es in dem nicht leicht zu ertragenden Stoff weitergeht. Die Musik von Dennis Martin und Chris de Burgh ist abwechslungsreich, vielschichtig und hat auch einige Ohrwürmer parat („Freiheit für Nottingham“, „Robin Hood“). Wenngleich das Ensemble textlich nicht immer gut zu verstehen ist, trägt es die Hauptcast durch das Stück. Gewürzt mit packenden Tanzszenen (Choreografie: Kim Duddy) macht „Robin Hood“ dem Musicalsommer Fulda alle Ehre.

Text: Anna-Lena Ziebarth

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Anna-Lena Ziebarth bringt langjährige Erfahrung als Rezensentin mit und war in der Vergangenheit bereits für thatsMusical tätig, bevor sie zu kulturfeder.de kam.