„Pretty Woman“ auf Tour (Foto: Dominik Lapp)
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Temporeiche Neuinszenierung: „Pretty Woman“ auf Tour

Ein Hauch von Hollywood liegt in der Luft, als sich im Metronom Theater Oberhausen der Vorhang für die Premiere der neuen Tourproduktion von „Pretty Woman“ hebt. Die Musicalfassung des Kultfilms, deren Buch Garry Marshall und J. F. Lawton verfasst haben (Übersetzung: Nina Schneider), bleibt dem berühmten Drehbuch erstaunlich treu. Die Geschichte um die Escort-Dame Vivian und den Geschäftsmann Edward entfaltet sich mit filmischer Leichtigkeit, dabei aber mit ausreichend musikalischer Eigenständigkeit.

Bryan Adams und Jim Vallance liefern mit ihren Songs den Puls des Abends. Ihre Mischung aus Pop, Rock und Ballade – exzellent gespielt von einer sechsköpfigen Band unter der Leitung von Dan Tomkinson – verleiht der Geschichte eine frische Klangfarbe, die an die besten Zeiten des Radio-Pop erinnert. Die stärkeren Songs finden sich im zweiten Akt, wenn die Figuren ihre Masken ablegen und Gefühle Raum gewinnen. Übersetzt von Nina Schneider und Frank Ramond, funktionieren die deutschen Texte sehr gut. Sie behalten Witz und Melodie, ohne aufgesetzt zu wirken. Insgesamt eine Musik, die mitreißt und die Story trägt.

Carline Brouwers Regie setzt auf Tempo und klare Fokussierung. Jede Szene fließt mühelos in die nächste, das Timing sitzt, die Balance zwischen Romantik und Humor stimmt. Unterstützt wird sie von Eline Vroons Choreografie, die das Geschehen dynamisch rahmt, ohne es zu überladen. Besonders in den Ensembleszenen rund um Hollywood Boulevard und Rodeo Drive entfaltet sich ein geradezu filmischer Rhythmus, der das Publikum unwillkürlich mitwippen lässt.

„Pretty Woman“ auf Tour (Foto: Dominik Lapp)

Für eine Tourproduktion beeindruckt das Bühnenbild von Carla Janssen Höfelt durch seine Vielschichtigkeit: Ein zentraler, mehrstöckiger Aufbau verwandelt sich elegant von Straßenzug zu Hotel-Lobby, von Luxussuite zur Opernloge. Dazu sorgen gezielt eingesetzte Videoprojektionen für Tiefe und Atmosphäre.

Cocky van Huijkeloms Kostüme treffen die Charaktere punktgenau: Vivians Wandel vom Straßenmädchen zur selbstbewussten Frau spiegelt sich hier ebenso überzeugend wie Edwards Transformation vom Geschäftsmann zum Liebenden. Das Lichtdesign von Marc Heinz taucht die Szenen in ein gelungenes Farbspiel und ist essenziell für die emotionale Wirkung.

Sehen lassen kann sich auch die Cast: Shanna Slaap verleiht Vivian eine wundervolle Mischung aus Unschuld, Schlagfertigkeit und Stärke. Ihre Stimme trägt die Songs mit klarem, warmem Timbre und sicherer Höhe. Mathias Edenborn als Edward überzeugt gesanglich und schauspielerisch mit charismatischer Bühnenpräsenz und jener verletzlichen Eleganz, die die Rolle erfordert – besonders in den ruhigeren Momenten findet er große Wahrhaftigkeit.

„Pretty Woman“ auf Tour (Foto: Dominik Lapp)

Sophie Reinicke als Vivians Freundin Kit bringt Spielfreude und stimmliche Power auf die Bühne, während Benedikt Ivo als Happy Man, Mr. Thompson und Mr. Hollister mit viel Humor sowie Aufrichtigkeit und Spielfinesse zwischen den Figuren wechselt. Benjamin Plautz gibt den unsympathischen Stuckey mit der nötigen Schärfe.

Aus dem Ensemble ragt zudem Steffi Regner heraus: In der Opernszene des Stücks, wenn Edward und Vivian „La Traviata“ besuchen, singt sie die weibliche Hauptrolle mit glanzvoller klassischer Stimme – ein Moment, der für Gänsehaut sorgt und mit verdientem Applaus gefeiert wird.

Dass „Pretty Woman“ seine Europapremiere bereits im September 2019 in Hamburg feierte und dort pandemiebedingt nach nur wenigen Monaten wieder schließen musste, verleiht dieser Tourproduktion von Limelight Live Entertainment in Kooperation mit Stage Entertainment eine besondere Bedeutung. Sie ist erst die zweite Inszenierung hierzulande und beweist, dass dieses Musical dringend zurück auf die deutschsprachige Bühne musste. Nicht verpassen!

Text: Dominik Lapp

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Dominik Lapp ist ausgebildeter Journalist und schreibt nicht nur für kulturfeder.de, sondern auch für andere Medien wie Lokalzeitungen und Magazine. Er führte Regie bei den Pop-Oratorien "Die 10 Gebote" und "Luther" sowie bei einer Workshop-Produktion des Musicals "Schimmelreiter". Darüber hinaus schuf er die Musical-Talk-Konzertreihe "Auf ein Wort" und Streaming-Konzerte wie "In Love with Musical", "Musical meets Christmas" und "Musical Songbook".