The Producers (Foto: Ludwig Olah)
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Macht richtig Spaß: „The Producers“ in Hildesheim

„The Producers“, das eigentlich „Springtime for Hitler“ hätte heißen sollen, schockierte als Film das Premierenpublikum, wurde dann aber ein Hit und bescherte Mel Brooks 1969 den Oscar für das beste Drehbuch. Das ebenfalls sehr erfolgreiche Musical mit der Musik und den Gesangstexten von Mel Brooks und dem Buch von Mel Brooks und Thomas Meehan feierte am 19. April 2001 Premiere am Broadway, wurde im selben Jahr mit 12 Tony Awards ausgezeichnet und beantwortet die Frage: „Darf man sich über Adolf Hitler lustig machen?“ mit einem eindeutigen „So kann man ihn am besten auf Normalmaß zurechtstutzen“. Nun zeigt das Theater für Niedersachsen (TfN) in Hildesheim in der Inszenierung von Craig Simmons seine Version von „The Producers“ – und die macht einfach Spaß.

Was macht ein erfolgloser Broadway-Produzent, dessen letztes Stück durchfiel? Er hält sich mit dem bezahlten Beglücken alter Damen über Wasser und hofft auf ein Wunder. Dieses Wunder betritt in Gestalt des Buchprüfers Leopold Bloom die Agentur von Max Bialystock und eröffnet eine Lösung: Unter ganz bestimmten Umständen könnte ein Produzent, wenn er nicht ganz ehrlich wäre, mit einem Flop mehr verdienen als mit einem Hit. Es müsste aber ganz sicher ein Flop werden, denn mit einem Hit würde der nicht ganz ehrliche Produzent unter diesen speziellen Bedingungen im Knast landen. Man würde also das schlechteste Stück, den untalentiertesten Regisseur und die miesesten Darsteller benötigen, damit der Misserfolg garantiert wird! Genau das setzen die Producers Bialystock und Bloom um – und landen einen Hit. Was nun?

Dem ausverkauften Haus steht ein heiterer Abend bevor, bei dem so manches Lachen auch im Halse stecken bleibt – Kennzeichen guter Satire. Nicht immer ist gute Textverständlichkeit gegeben, dafür ist die Lichtregie ausgefeilt und sorgen viele liebevolle Einzelheiten für gute Laune. Das Bühnenbild von Hannes Neumaier ist angenehm schlicht, teils einfach, teils sehr aufwändig, aber nie überladen. Das Büro der Produzenten ist eine erst schäbige, später frisch gestrichene Dachkammer (nettes Detail: die abgewetzten Plakate an der Wand sind sichtbar mit überstrichen) mit durchgesessenem Sofa, auf und hinter dem so manche Dame verführt wird.

Das Theater gibt es als Außenfassade – zwei Schwingtüren und ein Ticketfenster mit Leuchtreklame – und als Innenraum mit Showtreppe und großem Vorhang. Den verrückten Autoren Franz Liebkind (nicht ganz dialektrein, aber genial durchgeknallt: Johannes Osenberg) treffen wir auf dem Dach vor seinem Taubenschlag, dessen bewegliche Insassen gar den Hitlergruß beherrschen. Mit Säulen, Plüsch und herrlich tuntig bietet die Regisseursvilla einen prachtvollen Anblick, der Knast wird einfach, aber wirkungsvoll nur mit Gittersilhouette angedeutet, Blooms altes Büro besteht aus fünf Stehpulten, die jedoch liebevoll mit Fünfzigerjahre-Rechenmaschinen bestückt sind. Die zahlreichen opulenten Kostüme reichen von zeitgenössischer Straßenkleidung über Drag-Queen-Glitzerkleider und Lederhosen bis hin zu Ziegfeld-Follies-verdächtigen Showoutfits – beim Publikum kommt besonders der Wurst-mit-Senf-Kopfputz sehr gut an. Warb der Berliner Admiralspalast noch mit Brezelsilhouetten anstelle der Hakenkreuze, werden diese in Hildesheim weder als Armbinde noch als Flagge oder große Dekoelemente (eines davon sogar drehbar) gescheut.

Ensemble und Opernchor tanzen sich durch eine einfallsreiche Choreografie von Bart de Clercq immer passend zur Szene. Die Musik von Mel Brooks, die fröhlich Zitate bekannter Musicalklassiker einbindet, wird mitreißend umgesetzt vom Orchester des TfN unter der Leitung von Achim Falkenhausen. 

Das gesamte Ensemble zeigt sich äußerst spielfreudig. Die krähende Riege alter Damen wird umwerfend komisch von Halt-mich-grapsch-mich (Agnes Buliga-Contras) angeführt.  Als Ulla (gesprochen: Ülla) verleiht Maria Hörl in einer großartigen Marilyn-Monroe-Parodie ihrer hellen Stimme den gewissen Hauch. Jens Krause glänzt als Roger de Bries nicht nur mit hinreißend tuntigem Spiel, sondern hat als Hitler ein schönes Solo, das er mit großer Bandbreite und viel Volumen singt. Als schüchtern-verträumter Hysteriker Leo Bloom berührt Gerald Michel mit nuanciertem Spiel und verhuscht-zartem bis kraftvollem Gesang. Alexander Prosek läuft als Max Bialystock zu absoluter Hochform auf, spielt ihn herrlich widerlich und doch irgendwie sympathisch und begeistert gesanglich mit sonoren Tiefen und klaren Höhen.

Die Standing Ovations hat sich diese Inszenierung mehr als verdient, denn „The Producers“ in Hildesheim ist als Musicalsatire mit Herz absolut empfehlenswert.

Text: Hildegard Wiecker

Hildegard Wiecker schreibt leidenschaftlich gern und hat Erfahrung als Rezensentin bei thatsMusical gesammelt, bevor sie zu kulturfeder.de kam.