„Mass“ (Foto: Dominik Lapp)
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Musikalisch herausfordernd: „Mass“ in Münster

Erst ist es rund zwei Stunden mucksmäuschenstill im Saal des Theaters Münster, doch dann brandet Jubel auf – für ein Werk, das nur sehr selten zur Aufführung kommt. Die Rede ist von Leonard Bernsteins „Mass“, ein großer Broadway-Gottesdienst in Latein und Englisch mit Jazz, Klassik, Gebeten und Popsongs, inszeniert wie ein Musical von Tom Ryser, der das Stück bereits 2017 fast identisch in Lübeck auf die Bühne gebracht hat.

Mit „Mass“ brachte Bernstein 1971 sein wohl monumentalstes Werk nach der „West Side Story“ zur Uraufführung und benannte es wie Bach oder Mozart schlicht und einfach als Messe. Seine Komposition ist allerdings anders, viel moderner und komplexer. In dem „Theaterstück für Sänger, Schauspieler und Tänzer“ hält ein Zelebrant eine römisch-katholische Messe ab – mit Solisten aus Oper und Musical, Chor, Extra- und Kinderchor sowie einem Street Chorus. Nachdem die christlichen Glaubenssätze mit Alltagserfahrungen konfrontiert und gegen das Ritual der Messe revoltiert wurde, stürzt der Zelebrant in eine Krise und bricht die Messe ab.

Musikalisch wird das alles sehr üppig und eindrucksvoll präsentiert: Neben der riesigen Baritonpartie des Zelebranten gibt es weitere kleine Solopartien, die sich stilistisch irgendwo zwischen Musical und Oper bewegen. Im Graben spielt das fantastische Sinfonieorchester Münster unter der Leitung von Thorsten Schmid-Kapfenburg, auf der Bühne spielen weitere Orchestermitglieder und eine Rockband. Sie alle erzeugen eine wahre Klangwucht, die ihre Wirkung zwischen sakralen, jazzig-souligen, rockigen und gospeligen Melodien entfaltet. So herausfordernd die Musik auch klingt, so überwältigend ist sie zugleich.

Samuel Schürmann gibt den Zelebranten mit stilsicherer Kompetenz und einer bühnenfüllenden Ausstrahlung, bringt die schwierige Partie mit seinem warmen Bariton wundervoll zum Klingen. In weiteren Solopartien überzeugen die Rock Singer (Josefien Kleverlaan, Antonio Clanna), die Blues Singer (Stefanie Smailes, William Baugh, Darrin Lamont Byrd) sowie Katharina Sahmland (Sopran), Maria Christina Tsiakourma (Mezzosopran), Anping Lu (Tenor) und Ramon Karolan (Bariton).

Never change a running System, scheint sich Regisseur Tom Ryser gedacht zu haben, der „Mass“ in Münster sehr ähnlich auf die Bühne bringt wie schon vor sechs Jahren in Lübeck. Dazu hat er erneut mit Ausstatter Stefan Rieckhoff zusammengearbeitet, der wieder eine gotische Kathedrale mit bunten Spitzbogenfenstern und Altar entworfen hat, dazu Kostüme von Straßenkleidung bis hin zu Skelettanzügen. Das wirkt optisch genauso kolossal wie hochwertig und passt zu Rysers Inszenierung, bei der generell nicht gekleckert, sondern geklotzt wird – hier ist viel zu sehen und zu entdecken. Abgerundet wird das Bühnengeschehen durch die gelungene Choreografie von Lillian Stillwell.

Text: Dominik Lapp

Dominik Lapp ist ausgebildeter Journalist und schreibt nicht nur für kulturfeder.de, sondern auch für andere Medien wie Lokalzeitungen und Magazine. Er führte Regie bei den Pop-Oratorien "Die 10 Gebote" und "Luther" sowie bei einer Workshop-Produktion des Musicals "Schimmelreiter". Darüber hinaus schuf er die Musical-Talk-Konzertreihe "Auf ein Wort" und Streaming-Konzerte wie "In Love with Musical", "Musical meets Christmas" und "Musical Songbook".