„Der Mann von La Mancha“ (Foto: Dominik Lapp)
  by

Neu gedeutet: „Der Mann von La Mancha“ in Münster

Normalerweise ist das Musical „Der Mann von La Mancha“ ein Stück im Stück, ein Musical im Theaterstück. Doch Regisseur Philipp Kochheim hat die Geschichte am Theater Münster jetzt neu gedeutet, indem er die Rahmenhandlung fast vollständig eliminiert hat, die Story in ein Sanatorium verlegt und dort in knackigen 85 Minuten die Geschichte vom Ritter von der traurigen Gestalt erzählt – was überraschend gut funktioniert.

Durch die vierte Wand hindurch blickt das Publikum auf das Bühnenbild von Uta Fink, das die Halle eines Sanatoriums zeigt, aber auch wie ein Museum anmutet. Während Fink fast ausnahmslos alle Personen im Sanatorium in schwarze Kostüme gesteckt hat, entsteigen einem Glaskasten, wie man ihn aus Museen kennt, in der Raummitte zwei in ihren Kostümen mittelalterlich anmutende Personen: Don Quixote und Sancho Panza.

Philipp Kochheim lässt in seiner Inszenierung von „Der Mann von La Mancha“ diese beiden Patienten im Sanatorium auf Ärzte, Pflegepersonal und die Familie treffen und überlässt es dem Publikum, zu entscheiden, wer nun wirklich verrückt ist. Dabei schafft er es exzellent, insbesondere die Figur des Don Quixote sehr stark zu zeichnen. Es wird unmissverständlich klar, dass dieser für seine Überzeugungen kämpft, die für ihn genauso real sind wie die Hindernisse und Anfeindungen, auf die er trifft.

Gregor Dalal ist in der Rolle des Don Quixote absolut überzeugend und vereinnahmend, im Zusammenspiel mit Mark Watson Williams als Sancho großartig. Beide spielen ihre überzeichneten Rollen kindlich-naiv, erinnern dabei an so berühmte Paare wie Dick und Doof oder Pat und Patachon. Einen Glanzpunkt setzt Gregor Dalal mit seiner stimmstarken Interpretation des Songs „The impossible Dream“. Als Dritte im Bunde gelingt Nana Dzidziguri als Aldonza eine tolle Rollenentwicklung. Dzidziguri brilliert gesanglich und lässt schauspielerisch Aldonzas harte Schale fallen, um den weichen Kern nach außen zu kehren.

Weil die sehr textlastige Rahmenhandlung (Buch: Dale Wasserman) gestrichen wurde, entsteht in der Erzählweise ein ungewohnter Drive – und der Fokus liegt viel stärker auf Mitch Leighs Musik, die vom Sinfonieorchester Münster unter der Leitung von Golo Berg hervorragend intoniert wird. Weil nur die Dialoge in der deutschen Übersetzung von Robert Gilbert zu hören sind, kommt das Publikum bei den Songs in den seltenen Genuss der englischen Originaltexte von Joe Darion. Warum sich für diese Splittung entschieden wurde, die in der Regel eher bei Compilation-Musicals zur Anwendung kommt, bleibt aber wohl ein Geheimnis von Regie und Musikalischer Leitung. Doch spannend und damit äußerst sehenswert ist die Neuinterpretation dieses mehr als 50 Jahre alten Klassikers auf jeden Fall!

Text: Dominik Lapp

Dominik Lapp ist ausgebildeter Journalist und schreibt nicht nur für kulturfeder.de, sondern auch für andere Medien wie Lokalzeitungen und Magazine. Er führte Regie bei den Pop-Oratorien "Die 10 Gebote" und "Luther" sowie bei einer Workshop-Produktion des Musicals "Schimmelreiter". Darüber hinaus schuf er die Musical-Talk-Konzertreihe "Auf ein Wort" und Streaming-Konzerte wie "In Love with Musical", "Musical meets Christmas" und "Musical Songbook".