
Modern und voller Energie: „Joseph“ in Lohne
Mit einer gelungenen Neuinszenierung von Andrew Lloyd Webbers Frühwerk „Joseph and the Amazing Technicolor Dreamcoat“ hat die Musical-AG des Gymnasiums Lohne erneut bewiesen, warum sie über die Stadtgrenzen hinaus einen exzellenten Ruf genießt. Nach vielbeachteten Produktionen wie etwa „In the Heights“ und „Carrie“ wagt sich die Truppe in diesem Jahr an ein Revival: Bereits vor 15 Jahren hatte „Joseph“ hier Premiere – jetzt jedoch mit frischem Konzept und einem ins Heute transportierten Setting, das sich als voller Erfolg entpuppt.
Ursprünglich wurde das Stück 1968 von Lloyd Webber (Musik) und Tim Rice (Buch und Songtexte) für eine Schulaufführung an der Colet Court School in London geschrieben. Damals noch als einaktiges Stück konzipiert, entwickelte es sich später zu einem der bekanntesten Familienmusicals weltweit. Dass es aus dem schulischen Kontext stammt, erweist sich als ideale Voraussetzung für eine ambitionierte Schulproduktion wie die der Musical-AG Lohne ist.
Schon der neue Auftakt überrascht: Während die Ouvertüre erklingt, wird eine Instagram-Story auf einen Vorhang projiziert. Ein kluger Schachzug, der sofort den Bezug zur Gegenwart herstellt und das junge Publikum abholt. Der Transfer der biblischen Geschichte ins digitale Zeitalter gelingt dabei sowohl stilistisch als auch erzählerisch, ohne den Charme des Originals zu verlieren.
Die Bühne, entworfen von Jana Middelbeck und Vincent Kaufmann, kommt mit minimalen Mitteln, aber maximaler Wirkung daher. Ein Gerüst, zwei fahrbare Treppenelemente – mehr braucht es nicht, um mit einfachen Mitteln Räume wie Gefängnis, Palast oder Wüste entstehen zu lassen. Die Bespielung zweier Ebenen sorgt für Dynamik, die fahrbaren Elemente für Abwechslung.
Auch bei den Kostümen von Judith Gerdes und Meggie Bröring ist die Gegenwart tonangebend: Hippe Streetwear, glitzernde Showoutfits und knallig-orange Jumpsuits im US-Häftlingsstil verschmelzen zu einem stimmigen Gesamtbild. Das moderne Gewand tut der Geschichte gut und verleiht ihr eine zeitgemäße Relevanz.
Ein echtes Highlight der Inszenierung ist die dreigeteilte Erzählerin, die von Johanna Brockhaus, Mone Selimaj und Ela Görgü als Reporterteam mit Mikrofon und Smartphone dargestellt wird. Diese Idee sorgt nicht nur für eine klare Struktur im Stück, sondern bringt frischen Wind und humorvolle Zwischentöne. Gesanglich und schauspielerisch überzeugen alle drei auf ganzer Linie.
In der Titelrolle glänzt Charlotte Bünnemeyer als Joseph – eine beeindruckende Leistung. Mit sicherer Stimme, viel Ausstrahlung und glaubwürdigem Spiel führt sie durch Höhen und Tiefen der Handlung. Dass auch die meisten Brüder Josephs von Mädchen gespielt werden, fällt kaum auf – im Gegenteil: Die genderneutrale Besetzung wirkt modern und selbstverständlich. Hier wird aus der Not eine Tugend gemacht und ganz nebenbei ein starkes Zeichen für zeitgemäßes Theater gesetzt.
Jacob Blümlein zeigt große Wandelbarkeit in gleich drei Rollen (Jakob, Potiphar, Pharao) und bleibt dabei stets souverän. Auch in kleineren Rollen überzeugen die Darstellerinnen, etwa Katja Barlage als Benjamin oder Anna Blömer mit einer charmanten Tanzeinlage als Potiphars Frau.
Nicht zuletzt trägt das Orchester unter der Leitung von Peter Krebs maßgeblich zum Gelingen bei. Musikalisch auf hohem Niveau, mit spürbarer Spielfreude und einem feinen Gespür für Dynamik und Rhythmus, ist es das klangliche Rückgrat der Aufführung. Zudem ist die Choreografie von Pia Bröring schwungvoll, präzise und mitreißend – ein echter Augenschmaus, der die Energie der jungen Darstellerinnen und Darsteller wunderbar einfängt.
Neun Vorstellungen, darunter eine Zusatzshow aufgrund der hohen Nachfrage, sprechen für sich: Diese jetzt abgespielte Inszenierung war ein voller Erfolg. Die Musical-AG Lohne konnte mit „Joseph“ erneut zeigen, wie modernes Schultheater begeistern und überraschen kann – und bleibt damit ein leuchtendes Beispiel für kreative und mutige Kulturarbeit an Schulen.
Text: Dominik Lapp