„Iron Curtain Man“ (Foto: Dominik Lapp)
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Humorvolle Retrospektive: „Iron Curtain Man“ in Berlin

Dean Reed ist der fast vergessene Elvis der DDR, den man wohl nur kennt, wenn man die Zeit des geteilten Deutschlands miterlebt hat. An der Neuköllner Oper in Berlin wird die Story des amerikanischen Entertainers jetzt in einem neuen Musical mit dem Titel „Iron Curtain Man“ erzählt. Es ist, wie es im Untertitel des Stücks heißt, eine letzte Show für Dean Reed – gewissermaßen also eine Hommage, die in der humorvollen Inszenierung von Fabian Gerhardt sehenswert ist.

Gespielt wird auf zwei Ebenen. Das Kammerorchester ist dabei auf der oberen Ebene platziert worden, die durch eine gelbe Showtreppe getrennt wird. Das sechsköpfige Ensemble hingegen spielt vor allem auf der unteren Ebene, aber auch auf der Treppe. Ein echter Hingucker ist der Truck (Bühnenbild: Michael Graessmer), der am rechten Bühnenrand platziert wurde. In diesem Truck ist Dean Reed als Beifahrer unterwegs, während er der Truckerin Dixie von seinem Leben erzählt.

In 90 Minuten kann das Leben des „roten Elvis“ selbstverständlich nicht in allen Details nacherzählt werden. Vielmehr zeichnen der Texter Lars Werner sowie die Komponisten Claas Krause und Christopher Verworner das Leben von Dean Reed in Ausschnitten nach. Dabei kommen viele Songs von Reed in neuen Arrangements zu Gehör, das musikalische Ausgangsmaterial wird authentisch präsentiert.

Die Komponisten haben so viel aus den Originalsongs herausgeholt, dass das Publikum darüber dem Leben Dean Reeds näherkommt. Die Musik, exzellent dargeboten vom siebenköpfigen Verworner-Krause-Kammerorchester unter der Leitung der beiden Komponisten, erzählt von fernen Amerikanismen, sowjetischem Realismus und liefert ein Echo der Popmusik der 1970er und 1980er Jahre.

Meist sehr ironisch wird Dean Reed als selbstverliebter Frauenheld dargestellt. Was dagegen leider ausgelassen wird, ist die Revoluzzer-Seite des Sängers. Dass er sich für Unterdrückte in Lateinamerika einsetzte, dort in Barrios, Fabriken und Gefängnissen kostenlos Konzerte gab, Ché Guevara traf, wegen pro-kommunistischer Aktivitäten aus Argentinien ausgewiesen wurde, sogar im Knast landete – all das wird ausgelassen, so dass kein vollständiges Bild des Mannes gezeichnet wird, der nicht nur als Sänger, Schauspieler, Regisseur und Drehbuchautor bekannt wurde, sondern noch so viel mehr leistete.

Bei einer Truckfahrt mit Dixie (hervorragend gespielt von Claudia Renner) liefert Dean Reed (Frédéric Broissier) eine Retrospektive auf einzelne Lebensstationen, in denen Regisseur Fabian Gerhardt den „roten Elvis“ humorvoll als oberflächliche Witzfigur erscheinen lässt. Dabei wechseln auch die anderen Ensemblemitglieder immer wieder in die Rolle des US-Entertainers, spielen aber noch andere Rollen, zum Beispiel die „drei E’s“: Erich Honecker, Erich Mielke und Egon Krenz, die Dean Reed immer als seine „Buddies aus dem Politbüro“ bezeichnete. Neben Frédéric Broissier und Claudia Renner sind Sophia Euskirchen, Raphael Dwinger, Franziska Junge und Meik van Severen ebenso fantastisch, weshalb es unmöglich ist, einzelne Leistungen besonders herauszustellen.

Text: Dominik Lapp

Dominik Lapp ist ausgebildeter Journalist und schreibt nicht nur für kulturfeder.de, sondern auch für andere Medien wie Lokalzeitungen und Magazine. Er führte Regie bei den Pop-Oratorien "Die 10 Gebote" und "Luther" sowie bei einer Workshop-Produktion des Musicals "Schimmelreiter". Darüber hinaus schuf er die Musical-Talk-Konzertreihe "Auf ein Wort" und Streaming-Konzerte wie "In Love with Musical", "Musical meets Christmas" und "Musical Songbook".