„Hair“ (Foto: Susanne Brill)
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Flower-Power mit Botschaft: „Hair“ in München

Mit einem Musical wie „Hair“ kann ein Theater nicht viel falsch machen. Das Stück von Gerome Ragni und James Rado (Buch und Songtexte) ist weltbekannt, die Musik von Galt MacDermot rockt großartig. Wenn man dann noch einen fähigen Regisseur wie Andreas Gergen ins Boot holt, ist ein Erfolg quasi vorprogrammiert. Gergens Inszenierung für das Salzburger Landestheater ist jetzt als Gastspiel am Deutschen Theater München zu sehen – und kann sich sehen lassen! Vor allem aber wird in Zeiten des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine deutlich, dass dieses Stück nichts an Aktualität verloren hat.

Symbolträchtige Bilder zu schaffen, versteht Andreas Gergen sehr gut, genauso wie Stephen Martin Allan es schafft, das Lebensgefühl von „Hair“ in einer rasanten und energiegeladenen Choreografie widerzuspiegeln. Das Bühnenbild von Stefanie Seitz wird dominiert von einem auf zwei Ebenen bespielbaren LOVE-Schriftzug, die Hanfpflanzen-Deko passt hervorragend zum Feeling von Sex, Drugs, Peace and Love. Auch die Kostüme von Aleksandra Kica sehen super aus und liefern einen Look irgendwo zwischen Hippies, Rock, Woodstock und Flower-Power.

Was „Hair“ in München ebenfalls auszeichnet, ist eine starke Cast – allen voran Denis Riffel als Berger, der schauspielerisch einen charismatischen Anführer gibt und gesanglich mit seiner Rockröhre überzeugt. Ihm in nichts nach steht Daniel Eckert als Claude, der wunderschön singt, Konflikte austrägt und sich stark entwickelt. Julia-Elena Heinrich gehört als Sheila mit „Easy to be hard“ einer der stärksten musikalischen Momente des Abends, außerdem beeindruckt sie durch Bühnenpräsenz und glaubwürdiges Schauspiel.

Einen weiteren musikalischen Höhepunkt liefert Sophia Gorgi, die Jeannie hingebungsvoll spielt, mit ihrem starken Gesang. Eine hörenswerte Leistung liefern außerdem Aaron Röll als Woof, Savio Byrczak als Hud, Judith Lefeber als Dionne und Maria Joachimstaller als Crissy.

Zwischen den deutschen Dialogen werden die Songs im englischen Original gesungen – die sind einfach unkaputtbar und werden von der dynamischen Band unter der Leitung von Michael Lieb fantastisch intoniert. Hits wie „Aquarius“, „Let the Sunshine in“ und „Good Morning Starshine“ reißen das Publikum mit, wecken das Lebensgefühl der Hippie-Zeit und klingen noch lange nach der Vorstellung nach.

Dass „Hair“ bis heute die Zuschauerinnen und Zuschauer aller Altersschichten in den Bann zieht, liegt nicht zuletzt daran, dass die Charaktere in ihrem Idealismus real und leidenschaftlich erscheinen. Auch mehr als 50 Jahre nach der Uraufführung verfehlt diese Show ihre Wirkung nicht. Die Inszenierung ist gelungen, die Choreografie fabelhaft, die Cast ein wahres Geschenk, die Musik ist zeitlos und die Botschaft heute wichtiger denn je: Make Love, not War!

Text: Christoph Doerner

Nach seinem Studium der Musiktheaterwissenschaft, einem Volontariat sowie mehreren journalistischen Stationen im In- und Ausland, ist Christoph Doerner seit einigen Jahren als freier Journalist, Texter und Berater tätig.