„Ein bisschen Frieden“ (Foto: Wolfgang Klauke)
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Schwaches Buch: „Ein bisschen Frieden“ in Füssen

Nachdem das Musical „Ein bisschen Frieden“ im vergangenen Jahr in Duisburg unter dem Titel „’N bisschen Frieden“ mit der Unterzeile „Rock’n’Roll Summer“ uraufgeführt wurde und wegen zu geringer Kartenverkäufe mit einer Insolvenz der dortigen Produktionsfirma krachend scheiterte, gibt’s jetzt einen zweiten Anlauf: In Füssen ist das Werk aus der Feder von Ralph Siegel unter neuem Veranstalter mit der geänderten Unterzeile „Summer of Love“ zu sehen, kann aber nur wenig begeistern.

Die Handlung, eine Liebesgeschichte zwischen dem ostdeutschen Rockmusiker Ricky und dem westdeutschen Hippie-Mädchen Elisabeth, wirkt arg konstruiert und teilweise abgekupfert, erinnert sie doch recht stark an die Musicals „Hinterm Horizont“ und „Ich war noch niemals in New York“. Ohnehin ist das Buch von Ronald Kruschak ein großer Schwachpunkt – wenn nicht sogar der größte. Obwohl in der dreieinhalbstündigen Vorstellung 39 Songs zu Gehör kommen, wird die Story weniger darüber als vielmehr über die Dialoge erzählt – und von diesen gibt es viele, die jedoch sehr hölzern und wenig authentisch klingen.

Die Sprechszenen sind lang, zünden nicht und ziehen das Stück unnötig in die Länge. Als zusätzliche Herausforderung erweist sich, dass die Geschichte in der Zeit zwischen 1967, 1979 und 2009 hin- und herspringt. Einige Kürzungen und mehr dramaturgische Schärfe wären hier dringend notwendig – schade, dass das im Rahmen der Übernahme des Stücks von Duisburg nach Füssen nicht bereits erfolgt ist.

Selbst Regisseur Benjamin Sahler vermag von der schwachen Buchvorlage nichts zu retten. Weder gelingt es ihm, echte Emotionen ins Auditorium zu übertragen, noch fließende Szenenübergänge zu schaffen. Hier ruckelt es in der Inszenierungsmaschinerie leider so gewaltig, dass eine große Menge Schmiermittel nötig wäre.

Was sich im Vergleich zur Duisburger Urfassung allerdings verbessert hat, ist das Bühnenbild. So nutzt man in Füssen alle örtlichen Möglichkeiten und integriert zum Beispiel das in die Bühne integrierte Wasserbecken sehr gut. Ob es nun eine Flucht im Schlauchboot über die Ostsee oder das badende Ensemble in Strandszenen ist – besser kann man solche Szenen natürlich nicht inszenieren als mit echtem Wasser.

Darüber hinaus gibt es schöne Szenenbilder wie einen großen Sternenhimmel. Einige Bühnenteile und Requisiten aus dem Musical „Zeppelin“ finden in „Ein bisschen Frieden“ ihre Wiederverwendung und werden durch Videoprojektionen perfekt ergänzt. Herrlich anzusehen ist außerdem die spritzige Choreografie von Stephanie Gröning, die ein paar extrem gute Tanzszenen entwickelt hat, die das Stück aufwerten.

Musikalisch gibt es ein breit gefächertes Spektrum von Ralph Siegel zu hören, das von Schlager über Country bis hin zu Rock reicht. Dabei wechseln sich deutsche mit englischen Songtexten ab, was durchaus Sinn ergibt, weil das Stück abwechselnd in der DDR und England spielt und einige Lieder konzertmäßig präsentiert werden. Als einer der größten Ohrwürmer erweist sich der Titelsong, der zunächst nur auf der Gitarre gespielt, in mehreren Reprisen weiterentwickelt und schließlich als „A little Peace“ in Duettform gesungen wird.

Ein Gewinn bei „Ein bisschen Frieden“ ist die stimmstarke Cast. So verzaubert Jennifer Siemann als aufstrebende Musikerin Nina mit ihrem glasklaren Gesang, Jörg-Tim Wilhelm gibt als Ricky einen authentischen Protestsänger, während Michael Thurner als liebenswürdiger Straßenmusiker Tom sehr gut gefällt. Die Rolle der Elisabeth teilen sich mit Madeleine Haipt und Sonia Farke zwei starke Frauen: Haipt mimt dabei das junge Blumenkind der Sechziger- und Siebzigerjahre, Farke gibt die abenteuerlustige Oma.

Ebenfalls positiv hervorstechen können Markus Mörl (Bernd), Dan Lucas (Rick), Mave O’Rick (Erich Krause) und Benjamin Heil (Walter Krause) sowie Henriette Schreiner, die als exzentrische Moni einen wirklich glänzenden Auftritt hinlegt. Doch zusammenfassend ist festzustellen, dass die hervorragenden Darstellerinnen und Darsteller, die hübsche Choreografie und das stimmige Bühnenbild dieses insgesamt schwache Musical nicht retten können. Story und Musik haben durchaus das Potenzial zu einem kurzweiligen Musicalabend, doch dazu ist eine grundlegende Überarbeitung des Buches und eine Streichung von Dialogen, Szenen und Songs nötig, damit eine Laufzeit von deutlich weniger als drei Stunden erreicht wird. In der aktuellen Form bleibt nur zu sagen: Das war nichts.

Text: Christoph Doerner

Nach seinem Studium der Musiktheaterwissenschaft, einem Volontariat sowie mehreren journalistischen Stationen im In- und Ausland, ist Christoph Doerner seit einigen Jahren als freier Journalist, Texter und Berater tätig.