„Bodyguard“ (Foto: Deen van Meer / VBW)
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Ohne singende Titelfigur: „Bodyguard“ in Wien

Es ist ein eher ungewöhnliches Musical, das jetzt im Wiener Ronacher seine österreichische Erstaufführung feierte: Bei „Bodyguard“ werden nämlich nahezu alle Songs von der Hauptdarstellerin gesungen, es gibt keine Choräle, keine schmalzigen Liebesduette, keine wirklich die Handlung vorantreibenden Songs. So wie die Filmvorlage aus dem Jahr 1992 auf Whitney Houston zugeschnitten war, erweist sich die Musicaladaption von Alexander Dinelaris als große Soloshow für Hauptdarstellerin Patricia Meeden in der Rolle der Rachel Marron. Ein verdammt schweres Päckchen, das die Künstlerin zu tragen hat. Doch – um das vorwegzunehmen – gelingt ihr dies mit Bravour.

Die Vorstellung beginnt mit einer großen Showeinlage, bei der die Musik auf die Lautstärke eines Popkonzerts aufgedreht wird. Und das ist passend. Dreht sich die Handlung doch um Sängerin Rachel Marron, die von einem Stalker verfolgt wird, einen Bodyguard zur Seite gestellt bekommt, mit ihm anbändelt und sich dadurch in Gefahr bringt. Und obwohl die Story, die sich nicht recht zwischen Thriller, Romanze und Drama entscheiden kann, recht vorhersehbar ist, unterhält das Stück gut und liefert einige echt spannende Momente.

Thea Sharrock hat die Show flott inszeniert, erzählt die Handlung stringent und hält sich nicht an zu vielen unwichtigen Details auf. Durch das bestens aufeinander abgestimmte Zusammenspiel von Bühne, Licht, Ton und Videoprojektionen entstehen filmartige Übergänge, so dass Szenen fast nahtlos ineinanderfließen. Das ist nicht nur gut anzusehen, sondern bringt auch zusätzliches Tempo in die Show – genauso wie die Choreografie von Karen Bruce, die sich besonders in den Konzertsequenzen ordentlich austoben konnte.

Auch das Bühnenbild von Tim Hatley – nebenbei noch verantwortlich für die sehenswerten Kostüme – ist erstklassig, lässt die Szenen aber nicht überladen wirken. Durch automatisiert fahrende Wände entstehen blitzschnell neue Handlungsorte wie Rachels Villa und mehrere Räume darin, ein Tonstudio oder eine Karaokebar. Als größtes Bühnenbildelement erweist sich im zweiten Akt schließlich eine zwei Tonnen schwere Blockhütte, die sich über zwei Ebenen erstreckt und von Gleichstrommotoren über Seilwinden bewegt und gedreht wird. Atmosphärisch hervorragend unterstrichen wird die Szenerie durch das stimmige Lichtdesign von Mark Henderson und das Videodesign von Duncan McLean.

Noch mehr als im Film, steht im Musical Rachel Marron im Mittelpunkt der Handlung, während der namengebende Bodyguard etwas in den Hintergrund rückt. So hat Patricia Meeden nicht nur besonders viel Raum zur Rollengestaltung, sondern vor allem eine ganze Show zu stemmen. Dies gelingt ihr sowohl schauspielerisch als auch tänzerisch und besonders gesanglich. Von der ersten Sekunde an beherrscht sie die Bühne und zieht alle Aufmerksamkeit auf sich. Großartig gibt sie erst als zickige Diva die brüllende Raubkatze und wandelt sich schließlich in den Händen ihres Bodyguards doch noch zum zahmen Kätzchen.

Und auch gesanglich lässt Patricia Meeden keine Wünsche offen. Erfreulicherweise versucht sie nicht, die Originalinterpretin Whitney Houston zu kopieren, sondern interpretiert jeden Song auf ihre eigene unvergleichliche Art, trifft jeden Ton und sorgt mehrfach für Gänsehaut – insbesondere bei der Schlussnummer „I will always love you“.

In der wesentlich kleineren Rolle von Rachels Schwester Nicki ist Ana Milva Gomes zu sehen, die stimmlich nicht weniger beeindruckt als die Hauptdarstellerin und authentisch die Frau gibt, die immer im Schatten der berühmten Schwester steht. Mit dem Duett „Run to you“ liefern Gomes und Meeden den musikalischen Höhepunkt des Abends.

Als Bodyguard Frank Farmer hat Jo Weil eine reine Sprechrolle und darf nur einmal in einer Karaokebar eine absichtlich schlecht gesungene Version von „I will always love you“ anstimmen, für die ihn das Publikum nichtsdestotrotz feiert. Typmäßig passt er sehr gut in die Rolle des smarten Personenschützers, und auch schauspielerisch kommt er absolut glaubwürdig rüber. Schade ist es trotzdem, dass ausgerechnet die Rolle, die dem Musical seinen Namen gibt, nicht singen darf.

Einen exzellenten Job machen außerdem die Musiker des VBW-Orchesters. Die weltbekannten Hits gehen noch immer super ins Ohr und erklingen in frischen Arrangements, so dass das Publikum eine rundum gelungene Musicaladaption des Films „Bodyguard“ und vor allem eine kurzweilige Vorstellung geboten bekommt. Auch wenn „Bodyguard“ sicher nicht das innovativste Musical ist – sehenswert ist es allemal.

Text: Dominik Lapp

Dominik Lapp ist ausgebildeter Journalist und schreibt nicht nur für kulturfeder.de, sondern auch für andere Medien wie Lokalzeitungen und Magazine. Er führte Regie bei den Pop-Oratorien "Die 10 Gebote" und "Luther" sowie bei einer Workshop-Produktion des Musicals "Schimmelreiter". Darüber hinaus schuf er die Musical-Talk-Konzertreihe "Auf ein Wort" und Streaming-Konzerte wie "In Love with Musical", "Musical meets Christmas" und "Musical Songbook".